FRANKFURT/MAIN. Viele Lehrer erkennen nach Ansicht der Frankfurter Soziologin Julia Bernstein antisemitische Vorfälle und Äußerungen in ihren Klassen nicht oder reagieren zu spät darauf. Zu diesem Ergebnis komme ihre Studie über Antisemitismus an Schulen, für die jüdische Schüler, aber auch Lehrer befragt wurden. «Für die Betroffenen ist die Schule der zentrale Ort antisemitischer Diskriminierung», sagte Bernstein. Vielen Lehrkräften dagegen falle es schwer, Antisemitismus zu erkennen und zu benennen.

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Immer wieder komme es auch zu Verharmlosungen und Fehlinterpretationen, wenn etwa ein Vorfall als Konflikt zwischen zwei Schülern gesehen werde oder wenn es heiße: «Die wissen ja nicht, was sie da sagen.» Vor allem, wenn Israelkritik antisemitische Stellungnahmen enthalte, werde die Grenze verbaler Gewalt überschritten, sagte Bernstein. «Oft fühlen sich Lehrkräfte der Neutralität im Nahostkonflikt verpflichtet und sagen deshalb nichts.» Andere reagierten moralisierend und nicht angemessen, um die Schüler «ins Boot zu holen».
Es bringe nichts, mit den nationalsozialistischen Verbrechen moralisierend zu argumentieren, sagte Bernstein. «Man muss einfach sagen: Bei uns werden bestimmte Sachen nicht akzeptiert.» Sie fügte hinzu: «Es geht nicht um Scham und Schuld, sondern um Menschenrechte.» Wünschenswert wäre es, wenn bereits im Lehramtsstudium das Problembewusstsein für Antisemitismus, interkulturelle Kompetenz oder Alltagsrassismus vermittelt werde. dpa