REGENSBURG. Die Regensburger Lehrerin Verena Brunschweiger will keine Kinder – sich selbst und der Umwelt zuliebe. Ihr Buch über diese Entscheidung (“Kinderfrei statt kinderlos – ein Manifest”) hat eine heftige Debatte ausgelöst. Sie schrieb es «aus biografischer Betroffenheit», wie sie im Interview sagt.
Die Regensburgerin Verena Brunschweiger ist Lehrerin, 38 Jahre alt und will in ihrem Privatleben keine Kinder. Aus Gründen der Umwelt und weil das aus ihrer Sicht feministisch ist. Seither hat sie ihren eigenen #Brunschweiger-Hashtag auf Twitter und wird für ihr «Manifest», wie sie ihr gerade erschienenes Buch «Kinderfrei statt kinderlos» unterschrieben hat, heftig angefeindet. «Herzlos-Lehrerin» nennt sie die «Bild»-Zeitung. Im Interview spricht sie von der Umweltsünde Baby, coolen und nicht so coolen Eltern – und Müttern, die das Lachen verlernt haben.
Warum haben Sie dieses Buch geschrieben?
Verena Brunschweiger: Zum einen natürlich aus biografischer Betroffenheit. Ich werde seit über zehn Jahren behelligt – teilweise von wildfremden Leuten – wann ich denn jetzt endlich meiner biologischen Pflicht nachzukommen trachte. Das ging mir irgendwann ziemlich auf den Senkel. Und der andere Punkt war einfach, dass viele Leute in Deutschland nicht wissen, welche Belastung es für das Klima bedeutet, wenn wir so massig neue Leute produzieren. Ich fasse ja nur zusammen, was außerhalb Deutschlands längst bekannt ist. Hier wird das ausgeklammert. Ich finde das heuchlerisch und auch falsch.
Verena Brunschweiger begebe sich “als Soziologin und Philosophin, aber vor allem als feministische und ökologische Aktivistin mitten hinein in die Tabuzone unseres gesellschaftlichen Konsenses, der sich ein Lebensglück ohne Kinder nur schwer vorstellen kann”, so heißt es in einer Verlagsmitteilung.
Sie beklagen in Ihrem Buch, dass der Mainstream in Deutschland ein ganz anderer ist. Hier heißt es eher: Wir haben zu wenig Kinder – wie kriegen wir mehr? Wie waren die Reaktionen auf Ihre Thesen?
Verena Brunschweiger: Ich bin positiv überrascht, dass ich sogar einige positive Nachrichten und Reaktionen bekommen habe – gerade von Frauen, die tatsächlich erleichtert wirkten. Die haben dann so Sachen gesagt wie: Endlich spricht mir mal einer aus der Seele. Das hat mich dann schon gefreut. Die hatten ja bislang alle keine Stimme und keine Lobby in Deutschland. Mein bester Freund ist Vater und der findet das total cool und freut sich für meinen Erfolg. Es gibt ja auch coole Eltern – mit denen hänge ich dann rum. Ich differenziere in solche und solche Eltern. Natürlich gibt es Hardcore-Mütter, die sich völlig anders äußern. Aber die Zeit und Muße, mir das anzuhören oder das zu lesen, die habe ich nicht.
Sie unterscheiden zwischen coolen und offensichtlich nicht so coolen Eltern. Warum können Fragen des Elternseins nicht ohne Be- und Verurteilung diskutiert werden?
Verena Brunschweiger: Wahrscheinlich ist es das pro-natalistische Dogma. Manche können es nicht verkraften, dass es auch Frauen gibt, die sich selbstbewusst anders entscheiden und dem obligatorischen Mütterclub eben nicht beitreten wollen – selbst wenn das aus Umweltgründen egal wäre. Als Radikalfeministin geht das mit meinen Überzeugungen aber ohnehin nicht zusammen.
Warum nicht?
Verena Brunschweiger: Ich kenne tatsächlich solche sogenannten «Nur-Hausfrauen», die in völliger Abhängigkeit von ihrem Mann leben, die nur für Wäsche und Haushalt und Kinder zuständig sind und für nichts sonst – und die in fünf Jahren nicht einmal gelacht haben. Das finde ich schon krass, wie man sich so entscheiden mag – angeblich freiwillig.
Wann haben Sie für sich beschlossen, dass Sie keine Kinder wollen und dass das auch gut so ist?
Verena Brunschweiger: Ich habe schon eine Weile überlegt – auch mit meinem Mann – und war mir auch nicht so sicher. Ausschlaggebend war dann tatsächlich diese Studie der kanadischen Wissenschaftler, die gesagt haben, der Verzicht auf Fleisch oder das Fliegen bringt nur einen Bruchteil von dem für die Umwelt was es bringen würde, ein Kind weniger zu bekommen. Da habe ich dann gesagt: Ok, klare Sache.
Würden Sie so weit gehen, zu sagen, dass es für die Erde das Beste wäre, die Menschheit stürbe aus?
Verena Brunschweiger: Das ist mir persönlich eins zu krass. Aber ich verstehe, dass es Menschen gibt, die das gut fänden. Es wäre für die restliche Biosphäre natürlich nicht schlecht, wenn die sich mal ein bisschen erholen könnte vom Menschen und die Tiere und Pflanzen ein bisschen in Harmonie leben könnten. Aber wenn wir in Deutschland 38 Millionen statt 80 Millionen wären, dann würde es passen, dass eine Erde reicht. Aber momentan bräuchten wir drei Erden.
Sie sind Lehrerin. Hat das auch etwas mit Ihrer Entscheidung gegen Kinder zu tun?
Verena Brunschweiger: Das hat mich einer meiner großen Schüler auch mal gefragt: «Wir reichen Ihnen, oder?» Ich muss aber sagen, ich mag die schon. Bei meinen Schülern sind tolle Leute dabei. Es ist fast eher umgekehrt, dass ich mir denke: Mei, so ein tolles Mädchen. Wär vielleicht doch ganz schön. Aber jetzt ist es fix.
Nehmen Sie es Leuten übel, wenn die Kinder haben?
Verena Brunschweiger: Nein, gar nicht. Das dürfte ich ja auch gar nicht – dienstlich gesehen. Interview: Britta Schultejans, dpa
Verena Brunschweiger ist 38 Jahre alt, hat Germanistik, Anglistik und Philosophie studiert und 2007 in Mediävistik ihren Doktor gemacht. Sie arbeitet als Gymnasiallehrerin, ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann in Regensburg. Sie bezeichnet sich als Radikalfeministin und überzeugte Nicht-Mutter. 2013 erschien ihr Buch «Fuck Porn! Wider die Pornografisierung des Alltags».
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