„Wir prüfen einfach zu viel“: Lehramtsstudium soll leichter werden

13

SCHWERIN. Mecklenburg-Vorpommern braucht Lehrer und bildet an seinen Universitäten auch welche aus. Doch viele junge Leute bringen ihr Studium nicht zu Ende. Das soll sich ändern.

Angesichts des zunehmenden Lehrermangels gerät die Lehrerausbildung in die Diskussion. Foto: Universität Salzburg (PR) / flickr / CC BY 2.0

Die Universitäten in Rostock und Greifswald planen gravierende Änderungen im Lehramtsstudium, um die extrem hohe Abbrecherquote zu senken. So sollen Studienanfänger eine individuellere Betreuung erhalten, damit sie sich frühzeitig über ihre Eignung für den Lehrerberuf klar werden können und dann auch bei der Stange bleiben. «Wir haben in den kommenden Jahren jeweils 700 Lehrerstellen und mehr neu zu besetzen. Dafür müssen wir mehr junge Leute ausbilden und auch zum Abschluss bringen», sagte Bildungsministerin Birgit Hesse (SPD) am Dienstag in Schwerin bei der Vorstellung der mit den beiden Universitäten verabredeten Neuerungen.

Bezug zum Lehrerberuf soll deutlicher werden

Dazu gehört auch, dass die Vermittlung von Fachwissen insbesondere in den naturwissenschaftlichen Bereichen einen deutlich stärkeren Bezug zum Unterricht haben soll. Studenten hatten zuvor häufig beklagt, dass die wissenschaftlichen Ansprüche zu hoch geschraubt waren. Praktika an Schulen sollen besser in das Studium integriert und dann auch ausgewertet werden. «Der Berufsfeldbezug muss von Anfang an klar werden», betonte Prof. Carolin Retzlaff-Fürst, Direktorin des Zentrums für Lehrerbildung und Bildungsforschung.

Hesse kündigte an, jährlich 1,1 Millionen Euro für zusätzliche Stellen in der Lehrerausbildung bereitzustellen. Mit bis zu 200.000 Euro sollen Studenten unterstützt werden, die ihre Praktika auch außerhalb der Universitätsstädte absolvieren und damit extra Fahrtkosten zu tragen haben.

Durch eine bessere Koordinierung der zeitlichen Abläufe soll die Prüfungslast für die Studenten verringert werden. Den Angaben zufolge wird auch eine geringere Zahl von Prüfungen je Semester erwogen. «Wir prüfen einfach zu viel», konstatierte der Prorektor für Studium und Lehre an der Universität Greifswald, Prof. Steffen Fleßa.

«Die Ausbildung der Lehrer umfasst viele Themenfelder. Wir haben uns nun zunächst drei besonders wichtigen zugewandt, werden aber weitere Bereiche aufgreifen», kündigte Hesse an. Das von ihr mit den Prorektoren beider Universitäten vorgestellte Maßnahmenpaket gilt als eine erste Reaktion auf vielfach ausbleibende Studienerfolge von Lehramtsstudenten im Land.

Knapp 1000 Abiturienten beginnen pro Jahr im Nordosten ein Lehramtsstudium, nicht einmal die Hälfte kommt dabei auch ans Ziel. Einer im Vorjahr veröffentlichten Studie zufolge schließt nur etwa ein Viertel der angehenden Regionalschullehrer das Studium ab. Ein weiteres Viertel wechselt die Schulart, etwa die Hälfte gibt auf.

Nach den Worten des GEW-Landesvorsitzenden Maik Walm setzen Regierung und Universitäten mit den angekündigten Änderungen wichtige Impulse. «Mit Blick auf die Größe des Personalmangels an den Schulen ist dies jedoch zunächst nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Die Universitäten müssen jetzt ernsthaft zeigen, dass das Lehramtsstudium nicht, wie bisher, das dritte Rad am Wagen bleibt.» Nach Berechnungen der Lehrergewerkschaft GEW gehen in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2030 vier von fünf der derzeit aktiven Lehrer in den Ruhestand.

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag, Simone Oldenburg, beklagte, dass die Landesregierung spät auf die erkannten Defizite reagiere. «Knapp ein Jahr brauchte die Bildungsministerin nun, um erste Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrerbildung zu verkünden. Das sind wieder zwei Semester, in denen hunderte künftige Lehrkräfte die Flinte ins Korn werfen mussten, weil nicht genügend Seminarplätze vorhanden sind und die Plätze in den praktischen Übungen nicht ausreichen.» Oldenburg sprach sich dafür aus, den Numerus clausus für das Lehramtsstudium sofort abzuschaffen. «Einerseits brauchen wir tausende Lehrkräfte, anderseits lassen wir sie nicht studieren, weil zu wenig Studienplätze zur Verfügung stehen.»

Kritik kam auch von der AfD im Landtag. Zum neuen Schuljahr könnten wieder nicht alle Lehrerstellen besetzt werden. «Gegen den sich dramatisch verschärfenden Lehrkräftemangel hatte Hesse jedoch nur einige kosmetische Maßnahmen innerhalb des Studienablaufs anzubieten», sagte deren bildungspolitischer Sprecher Jörg Kröger. dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

 

Klassische Fächer bei Studienanfängern beliebt (bei Lehramtsstudierenden: Deutsch)

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

13 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Krokodilstreichler
4 Jahre zuvor

„Dazu gehört auch, dass die Vermittlung von Fachwissen insbesondere in den naturwissenschaftlichen Bereichen einen deutlich stärkeren Bezug zum Unterricht haben soll.“

Beharrlichkeit zahlt sich wohl aus. Das fordere ich schon seit Jahren in diversen Online-Foren.

GriasDi
4 Jahre zuvor

Dabei ist es gerade das Fachwissen, dass den Lehrer ausmacht. Ist ein Lehrer fachlich besser ausgebildet, sind auch seine didaktischen Fähigkeiten höher, d. h. er kann auch besser erklären.
Siehe auch:
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/paedagogen-pisa-wehe-wenn-der-mathelehrer-rechnen-muss-a-689146.html

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

dass ohne zweites s 🙁

xxx
4 Jahre zuvor

Wenn Gymnasiallehrer noch promovieren können sollen dürfen, dann muss man das wissenschaftliche Niveau auf mindestens dem heutigen Niveau belassen.

Krokodilstreichler
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Wozu sollen Gymnasiallehrer promovieren? Wer das will, kann ja dann noch ein wissenschaftliches Studium draufsetzen. Relevant ist doch, dass es genug MINT-Lehrer gibt, und nicht, Interessenten herauszuprüfen, weil man meint, Lehrer bräuchten die gleiche Ausbildung wie ein Professor.

PeterPan314
4 Jahre zuvor

Einerseits stimme ich @Krokodilstreichler und dem Artikel zu. Das Lehramtsstudium muss mehr auf das Berufsleben vorbereiten. Dazu gehören praktische Elemente und ein angemessener inhaltlicher Bezug zum Unterricht.
Andererseits sehe ich hier klar die nächsten Anzeichen einer „aufsteigenden Anspruchsnivellierung“ um Quoten zu erreichen.
Seit Jahren steigen die Abiturquoten – mehr Jugendliche machen das Abitur und die Eins vor dem Komma wird erstaunlicher Weise auch immer häufiger.
Gleichzeitig steigen auch die Abbrecherquoten der Studenten und die Beschwerden der Universitäten und Betriebe, dass Abiturienten weniger qualifiziert sind als früher. Ich erinnere mich noch an die Debatte, dass die Polizei keine geeigneten Kandidaten fand, weil die deutsche Sprache nicht angemessen beherrscht wird – das gleiche galt für die sprachlichen Defizite im Bereich des Lehramtsstudiums.
Wenn ich nun also lese, dass der fachliche Anspruch an und die Belastung für Studenten zu hoch ist und man entsprechend darauf reagieren muss, gehen bei mir die Alarmsignale an.
Möchte man mit aller Gewalt den Lehrermangel durch jeden Jugendlichen stopfen, der sich immatrikulieren kann? Denn dann wird das Problem nur verlagert, so dass die kommenden Lehrergenerationen zahlenmäßig stark, aber dafür nicht angemessen qualifiziert und nicht belastbar sind. Das wäre eine tickende Zeitbombe.
Das widerstrebt auch – und das wollte ich tatsächlich schon lange mal sagen – dem finnischen Weg. Da werden nur die am besten qualifizierten Kandidaten angehende Lehrer und danach orientieren wir uns doch oder? 🙂
[Böse Zungen könnten auch behaupten, dass die Absenkung des fachlichen Niveaus den Weg zum Einheitslehrer ebnen wird. Wenn nicht nur die Studienlänge, sondern auch der fachliche Anspruch angepasst wird, dann gibt es keinen Grund mehr, überhaupt einen Unterschied zu machen. Dann gäbe es bald wohl nur noch eine Lehrerausbildung und eine weiterführende Schulform.]

FElixa
4 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Also ich bezweifle stark, dass wir aktuell die besten Lehrkräfte haben. In den MINT-Fächern scheitern die jungen Leute nicht an der Praxis oder den Grundlagen, sondern an Studieninhalten, die weit weg vom Lehreralltag sind. Wir bilden dort also hochqualifizierte Mathematiker, Physiker, usw. aus. Das sind dann nicht zwingend die besten Lehrer. In Geistes- oder Gesellschaftswissenschaften haben die Inhalte im Studium auch nur bedingt mit den Inhalten aus der Schule zu tun. Das ist ein Punkt den man angehen sollte.

Zudem fällt die Note auch mit dem Prüfer. Das Referendariat hat doch kaum objektive Maßstäbe. Eine Note sagt am Ende nichts darüber aus, wie gut man sich als Lehrer macht. Ich habe Kollegen, die gerade so ihr Referendariat bestanden haben und Kollegen mit Top-Noten. Ihre Arbeit spiegelt sich nicht in ihren Noten wieder.

Ich habe schon lange, auch hier, darauf aufmerksam gemacht, dass die Abbruchquote zu hoch ist und das Studium zu theoretisch und zu praxisfern ist. Schön, dass jetzt ein Bundesland dies erkannt hat. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Ansprüche gesenkt werden. Es macht Sinn die fachlichen Ansprüche zu senken, wenn im Umkehrschluss die Ansprüche an Anforderungen des Lehrerberufs steigen. Aktuell kommen Studierende vor dem Referendariat genau mit diesen Ansprüchen ja kaum in Berührung.

Interessant sind dann wieder die Facebook-Kommentare. Da werden wieder Dinge gefordert ohne konstruktive Vorschläge zu machen: „Kleinere Klassen“ sind nur dann möglich, wenn es mehr Geld und eben mehr Lehrer gibt. Soweit denkt der ein oder andere Kollege aber nicht.

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  FElixa

Zitat:
„Wir bilden dort also hochqualifizierte Mathematiker, Physiker, usw. aus. Das sind dann nicht zwingend die besten Lehrer. “
Es sind aber diejenigen, die auch didaktisch mehr drauf haben als diejenigen, die fachlich schlechter ausgebildet werden.
Siehe auch:
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/paedagogen-pisa-wehe-wenn-der-mathelehrer-rechnen-muss-a-689146.html
Die Aufgabe der Berufsnähe sehe ich eher in den Didaktik-Veranstaltungen, aber die erfüllen ihren Zweck nicht.

jagothello
4 Jahre zuvor

Ich beurteile für die schulischen Gutachten Lehramtsanwärter und sehe teils ganz hervorragende junge Leute, die guten Unterricht machen (nach den Kriterien der QA), ihren Stoff aber auch intellektuell sauber und oft tief durchdenken und didaktisieren. Ich führe das auch darauf zurück, dass mittlerweile der NC für Lehramt GE/GYM in vielen Fächern enorm hoch ist. In K, D und anderswo geht in diversen Fächern über einer 1,5 kaum noch etwas. Das sind an meiner Schule denn auch die Spitzenabiturienten- einige wenige Prozent, die dieses Niveau erreichen. Natürlich gibt es auch schwache Kandidaten, bei denen ich denselben Zusammenhang feststelle: Fachliche Defizite und eine schwache methodisch-didaktische Performance bedingen sich. Die starken Leute bringen sich darüber hinaus sehr viel mehr in die Schulentwicklung ein, organisieren Mathematik- oder Sportwettbewerbe usw.usf.

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  jagothello

Zitat:
„Fachliche Defizite und eine schwache methodisch-didaktische Performance bedingen sich. “
so ist es, und deshalb die fachlichen Inhalten zu schwächen führt vielleicht zu mehr Lehrern aber sicher nicht zu besseren Schülern.

Pälzer
4 Jahre zuvor

Aus dem Artikel geht nicht hervor, in welchem Maß sich das Lehramtsstudium für verschiedene Schulformen unterscheidet. Darin könnte eine Ursache des Problems stecken, wenn z.B. Grundschullehrer zu viele spezielle Fachinhalte lernen müssen, die für höhere Schulformen unerlässlich sind. Vielleicht könnte die Redaktion hier genaueres herausfinden.

PeterPan314
4 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Pälzer, es geht nicht nur im die fachlichen ind inhaltlichen Unterschiede. Ich würde auch gerne differenzierter wissen, wie die Abbrecher- und Wechselquoten für die einzelnen Schulformen sind.
In NRW sieht es da bei MINT sehr interessant aus. Dort unterscheidet man zum Beispiel, ob eine Lehrkraft bis zum Ende der Sek I unterrichtet oder bis zum Ende der Sek II. Damit sind die Schwerpunkte bezüglich Pädagogik, Didaktik und fachlichem Anspruch anders unterteilt. Was für Sek I in Mathe zum Beispiel dem gesamten fachlichen Anspruch entspricht, ist für Sek II gerade der Anfang der Fachlichkeit.
Deshalb wechselt in der Regel kein Student von Sek I in Sek II, wohl aber häufig umgekehrt. Alternativen für strauchelnde SekII-Studenten sind der Fachwechsel oder der Abbruch.
In Physik ist es fachlich auch ein riesiger Unterschied, ob man Sek I oder Sek II studiert, wenn man nur an den Anspruch in einem Leistungskurs denkt. Da werden unter anderem Relativitätstheorie und Quantenphysik unterrichtet, was bezüglich des Verständnisses und der damit verbundenen Mathematik den Anspruch der Mittelstufe bei weitem übersteigt. Da ist es unerlässlich, dass Lehrkräfte die Materie beherrschen, um auf einem angemessenen Niveau erklären und vereinfachen zu können.
Ich halte das auch für den Grund, dass die Statisktik bezüglich des Lehrermangels nicht differenziert genug ist.
Da wird immer nur gesagt, dass es zu viele Gymnasiallehrkräfte gibt und zu wenige Grundschullehrkräfte.
Im Bereich der MINT-Fächer (hoher fachlicher Anspruch und hohe Durchfall- und Wechselquote) werden Stellen aber immer häufiger „nur“ mit Seiteneinsteigern besetzt, weil einfach die „frische“ Lehrkräfte fehlen. Wie kann das sein?
Diesem Mangel begegnet man durch eine bessere Förderung der Studenten, aber inwieweit eine fachliche „Umorientierung“ nicht nur dazu dient, mehr Leute duch die Uni zu bekommen, muss klar formuliert und erläutert werden.

dickebank
4 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Das liegt u.a. daran, dass Seiteneinsteiger mit einem FH-Diplom einer ingenieurwissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Fakultät genauso wie Master-/Diplomabsolventen einer Universität ihre Hochschulabschlüsse für die Übernahme als Referendare in den Vorbereitungsdienst des höheren Dienstes (Laufbahngruppe II, zweites Einstiegsamt) anerkannt bekommen.