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Bekommen Gymnasiasten den Mittleren Abschluss geschenkt? Realschullehrer sind empört

Das Schulgesetz wurde heute, 13. November 2019, verabschiedet – mit einem Kompromiss zum Mittleren Abschluss! Hier geht es zum aktuellen Bericht.

SCHWERIN. Lehrerverbände, Eltern- und Schülervertreter reagierten empört auf das neue Landesschulgesetz von Mecklenburg-Vorpommern. Der Landtag sah sich daraufhin genötigt, die Beratungen zu verlängern und die Beschlussfassung zu verschieben. Doch kurz vor der Schlussabstimmung wird am Gesetz immer noch gewerkelt. Ein Punkt erweist sich als Streitfall.

Bekommen Gymnasiasten die Hürde der Abschlussprüfung nach Klasse 10 abgeräumt? Foto: Shutterstock

Die Neufassung des Schulgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern bleibt bis zum Schluss schwierig. Zwei Tage vor der geplanten Schlussabstimmung im Landtag legte die SPD-Fraktion am Montag einen Änderungsantrag vor, von dem selbst der Koalitionspartner CDU überrascht wurde. Demnach soll die geplante Regelung, nach der Gymnasiasten die Mittlere Reife automatisch bekommen sollen, nochmals geändert werden.  Bislang mussten Gymnasiasten, die nach der zehnte Klasse die Schule verlassen wollen, zur Erlangung der Mittleren Reife eine Prüfung absolvieren.

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Mittlere Reife bei Versetzung in die 11 – “das hat sich bewährt”

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Torsten Renz, äußerte die Befürchtung, dass damit das Verfahren nur verkompliziert werde. «Die ursprünglich vorgesehene Regelung wäre die beste, die auch jeder versteht.» Diese besage, dass jeder, der am Gymnasium in Klasse elf versetzt wird, die Mittlere Reife erhält. Ein solches Vorgehen habe sich in anderen Bundesländern bewährt. «Wir müssen in 48 Stunden eine Lösung finden. Das Gesetz, über das wir nun schon so lange reden, nun nochmals anzuhalten, wäre ein schlechtes Zeichen», sagte Renz.

SPD-Fraktionschef Thomas Krüger sagte, nach dem neuen Vorschlag sollen Gymnasiasten die Mittlere Reife zuerkannt bekommen, wenn sie die zehnte Klasse mit einem Notendurchschnitt von 3,4 oder besser absolviert haben. Wer dies nicht schaffe und das Gymnasium dennoch verlassen wolle, könne sich freiwillig einer Prüfung zur Mittleren Reife unterziehen. Schätzungsweise sollen jährlich etwa 100 Schüler betroffen sein. Wer die elfte Klasse erfolgreich absolviert hat, soll laut Krüger künftig automatisch die Mittlere Reife haben. Die neue Regelung soll wohl die Regionalen Schulen stärken und den Run auf die Gymnasien nicht weiter anheizen.

Links-Fraktionschefin Simone Oldenburg erneuerte ihre Generalkritik am Gesetz und auch am Gesetzgebungsverfahren. «99 Prozent der Forderungen, die das breite Bündnis für gute Schule aufgemacht hat, wurden nicht aufgenommen und die Änderungsanträge unserer Fraktion ungesehen in den Wind geschlagen.» Oldenburg warf den Koalitionsfraktionen von SPD und CDU vor, lediglich die Vorgaben des Bildungsministeriums umzusetzen: «Sie lassen arbeiten und sie lassen denken. Und dann kann nur so etwa rauskommen», sagte Oldenburg.

Linke: Mittlere Reife nur bei Notendurchschnitt von 3,0 – oder nach Prüfung

Sie kündigte für die abschließende Landtagsdebatte am Mittwoch einen Änderungsantrag zum Schulgesetz an. Nach Meinung der Linken sollen Gymnasiasten nur dann die Mittlere Reife nach Klasse 10 erhalten, wenn der Notendurchschnitt mindestens bei 3,0 liegt oder sie die Prüfung dazu bestanden haben. Dies sei eine gerechte Lösung, meinte Oldenburg.

Die im Regelfall an Regionalschulen erlangte Mittlere Reife ist nach Angaben des Philologenverbands Voraussetzung für das Erlernen der meisten Facharbeiterberufe und auch für den Besuch eines Fachgymnasiums. In den meisten Bundesländern werde den Gymnasiasten bei Versetzung in Klasse elf die Mittlere Reife automatisch zuerkannt, erklärte Landesverbandschef Jörg Seifert. Der Verband der Realschullehrer lehnt das allerdings ab.

Im Wortlaut: Das Statement des VDR

„Dass Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums künftig die mittlere Reife automatisch erhalten sollen, wenn sie die Versetzungserlaubnis in die Jahrgangsstufe elf haben, ist ein massiver Qualitätsverlust“, erklärt Jürgen Böhm, Bundesvorsitzender des Deutschen Realschullehrerverbands (VDR). Die Inhalte an Gymnasien und an Realschulen seien nur bedingt vergleichbar. Es handle sich schließlich um verschiedene Schularten mit unterschiedlichen Lehrplänen und Curricula. Das Anspruchsniveau an der Sekundarstufe I an Gymnasien mit dem in gleichen Jahrgangsstufen an Realschulbildungsgängen zu vergleichen, hinke.

VDR-Bundesvorsitzender Jürgen Böhm. Foto: VDR

„Wir begrüßen sehr, dass die organisierte Schülerschaft mit Johanna Remers als Vorsitzende des Landesschülerrates die Sache offensichtlich sehr realistisch einschätzt und den Wert und das Ansehen der Realschule und deren hervorragenden Abschluss nicht vorschnell aufgeben!“ stellt sich der Bundesvorsitzende hinter die Schülervertretung. Die hatte sich dagegen ausgesprochen, den Mittleren Abschluss an Gymnasiasten ohne Prüfung zu vergeben.

Natürlich müsse es die Möglichkeit eines Abschlusses für Jugendliche geben, die das Gymnasium abbrechen. „Aber ein Realschulabschluss darf nicht vergeben werden, ohne eine Prüfung zu absolvieren! Die Qualität muss gewahrt bleiben. Hinter den Abschlüssen müssen auch gewisse Leistungen stehen! Dass gerade der Realschulabschluss ein Qualitätssiegel bleibt, sind wir den Wirtschafts- und Handwerksunternehmen und dem öffentlichen Dienst als Ausbilder schuldig. Diese müssen sich auf eine entsprechende Leistungsfähigkeit der Realschulabsolventen verlassen können!“, meint Böhm.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Mit Prüfung oder ohne? Streit um Mittlere Reife für Gymnasiasten kocht hoch

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