STUTTGART. Das baden-württembergische Kultusministerium plant offenbar eine Verschärfung beim Übergang von der Grundschule auf das Gymnasium. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) will die sogenannte Grundschulempfehlung nach bayerischem Vorbild „transparenter“ gestalten. Die weiterführenden Schulen sollen mehr Informationen erhalten. Darüber hinaus ist geplant, zusätzliche zentrale „Lernstandsüberprüfungen“ in der Grundschule einzuführen. GEW-Chefin Doro Moritz lehnt das Vorhaben ab, wie die „Stuttgarter Nachrichten“ berichten. Sie sagt: „Die Grundschulempfehlung war noch nie eine zuverlässige Prognose für die Schullaufbahn und wird es auch nie sein.“
Schon nach Bekanntwerden der Ergebnisse des jüngsten IQB-Bundesländervergleichs im Oktober hatte Eisenmann angekündigt, den Wechsel auf die weiterführende Schule „verbessern und erleichtern“ zu wollen. Die bundesweite Studie bot dafür einen guten Anlass, offenbart sie doch, dass sich insbesondere die Leistungen der Gymnasiasten zwischen 2012 und 2017 verschlechtert haben – auch in Baden-Württemberg. Seit der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung würden rund zehn Prozent der Schüler in Baden-Württemberg aufs Gymnasium wechseln, ohne dass sie über die entsprechende Grundschulempfehlung verfügen, hieß es als Reaktion im Ministerium.
Und weiter: Man teile die Einschätzung des Philologenverbands, dass die Grundschulempfehlung für den Übergang auf die weiterführende Schule „ein ganz entscheidender Anhaltspunkt dafür ist, damit individuelle Förderung von Anfang möglichst gut gelingen kann“. Der Philologenverband Baden-Württemberg fordert die Abschaffung der freien Schulwahl für Eltern.
“Weiterführende Schulen müssen wissen, mit welchen Kindern sie es zu tun haben”
Wörtlich sagte Eisenmann: „An den Grundschulen legen wir die Basis für die weiterführenden Schulen. Diese müssen wissen, mit welchen Kindern sie es zu tun haben.” Deshalb arbeite man an einem transparenten Übergabekonzept von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen, um Informationen über schulische Leistungen zu vermitteln. Zudem wolle man Beobachtungen und Erfahrungen der Lehrkräfte, die in der Grundschulempfehlung münden, durch gezielte Lernstandsüberprüfungen ergänzen.
Im Gespräch mit den „Stuttgarter Nachrichten“ konkretisierte Eisenmann nun ihren Vorstoß: Die Übergabe von der Grundschule an die weiterführende Schule solle „transparenter“ werden – nach bayerischem Vorbild. Dort würden Unterlagen, die über die Leistungsentwicklung eines Schülers Aufschluss geben, weitergegeben. Tatsächlich enthält das bayerische Übertrittszeugnis die sogenannten “Jahresfortgangsnote” in allen Fächern sowie die Gesamtdurchschnittsnote aus Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachunterricht. Bei einem Schnitt bis 2,33 wird das Gymnasium “empfohlen”, bis 2,66 die Realschule. Dazu kommen eine Bewertung des Sozial-, sowie des Lern- und Arbeitsverhaltens und eine zusammenfassende Schullaufbahnempfehlung.
„Das ist im Interesse des Schülers. Es soll seinen Start an der weiterführenden Schule erleichtern. Davon profitiert er am Ende, und deshalb wollen wir das auch“, erklärte Eisenmann der Zeitung zufolge. Derzeit müssten Eltern in Baden-Württemberg beim Übergang zwar die Grundschulempfehlung vorlegen, nicht aber die Zeugnisse. Auch darf die Grundschule keine Informationen ohne Zustimmung der Eltern weitergeben.
“Lehrkräfte sollen zukünftig zusätzliche Hinweise erhalten”
Darüber hinaus sollten die Einschätzungen der Grundschullehrer, die in der Grundschulempfehlung münden, „durch gezielte Lernstandsüberprüfungen ergänzt werden“, kündigt Eisenmanns Sprecher dem Bericht zufolge an. Derzeit werde an einem neuen Konzept zentraler Lernstandserhebungen für die Grundschulen gearbeitete. Dieses solle zum kommenden Schuljahr 2020/21 eingeführt werden. „Lehrkräfte sollen zukünftig zusätzliche Hinweise erhalten, um die Kinder gezielter fördern und besser auf den Übergang vorbereiten zu können“, erklärte Eisenmann gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“. „Wir wollen eine solide und verlässliche Beobachtung des einzelnen Schülers.“ Diese sei „gerade beim Wechsel der Schule von besonderem Gewicht“.
Das Kultusministerium beteuert laut SWR zwar, dies sei keine Wiedereinführung der Verbindlichkeit, wie sie in Bayern bei der Grundschulempfehlung gilt. Tatsächlich würden die Grünen, der stärkere Koalitionspartner der CDU, wohl kaum einem Verfahren zustimmen, das am Ende den Eltern die finale Entscheidung über die weiterführende Schule wieder aus der Hand nimmt. Dass Eltern in Baden-Württemberg überhaupt darüber entscheiden dürfen, hatte die grün-rote Vorgängerregierung ja erst zum Schuljahr 2012/2013 eingeführt. Davor war die Grundschulempfehlung dort verbindlich.
GEW: Schafft bessere Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten für die Schüler!
Die GEW zeigt sich trotzdem skeptisch, dass mit der angekündigten Reform nicht doch die Entscheidung über die weiterführende Schule wieder den Lehrern zugeschoben werden soll. „Die GEW lehnt die Wiedereinführung einer stark bindenden Grundschulempfehlung ab, wie sie von der Kultusministerin offenbar mit zentralen Klassenarbeiten in Klasse 4 beabsichtigt ist. Hohe Schulqualität und bessere Schülerleistungen werden durch echte Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten erreicht und nicht durch jährliche Tests“, so sagt Landeschefin Doro Moritz den „Stuttgarter Nachrichten“ zufolge. Agentur für Bildungsjournalismus
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