Neue App „Lernsieg“: Schüler können ihre Lehrer ab sofort per Smartphone öffentlich bewerten – mit Sternchen

11

WIEN. Begleitet von Kritik ist in Deutschland und Österreich eine neue App zur Bewertung von Lehrern online gegangen. Auf «Lernsieg» können Schüler die Leistung ihrer Lehrer ähnlich wie bei anderen Bewertungsportalen mit bis zu fünf Sternen beurteilen. «Wir etablieren damit eine Feedback-Kultur und Schülerinnen und Schülern bekommen so eine Stimme», sagte der 17 Jahre alte Ideengeber Benjamin Hadrigan in Wien zu der App. Engagierte Pädagogen erhielten zu wenig Rückmeldungen, mit der App könnten sie sich aber künftig über gute Beurteilungen für gute Leistungen freuen.

Per Smartphone können Schüler ab sofort ihre Lehrer bewerten. Foto: Shuttesrtock

«Lernsieg» erinnert an die Webseite spickmich.de, die vor rund zehn Jahren zahlreiche Gerichte in Deutschland beschäftigte. Immer wieder versuchten Lehrer erfolglos, sich auf rechtlichem Weg gegen die teils diffamierenden Kommentare auf der Seite zur Wehr zu setzen. Im August 2010 lehnte letztlich auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Beschwerde gegen das Portal ab. Inzwischen wurde die Seite eingestellt.

Auf «Lernsieg» können Schüler anders als damals bei spickmich.de keine Kommentare über ihre Lehrer hochladen. Die Pädagogen können ausschließlich anhand vorgegebener Kriterien, etwa Unterricht, Vorbereitung oder Pünktlichkeit, mit Sternen bewertet werden.

Der junge Österreicher Hadrigan, der im März ein Buch über das Lernen mit Sozialen Netzwerken veröffentlicht hat, ist sich sicher, dass sich schlecht bewertete Lehrer um eine Verbesserung ihres Unterrichts bemühen werden. «Es will doch jeder der beste Lehrer werden», sagte Hadrigan, der bei dem Projekt von einem renommierten Medienanwalt und einem Konsortium von Investoren unterstützt wird.

Kritik an der App gab es in Österreich schon vor der Veröffentlichung am Freitag. Lehrer-Gewerkschafter Paul Kimberger kündigte etwa an, die App mit allen rechtlichen Mitteln verhindern zu wollen. dpa

Eltern sehen Bewertungs-App kritisch

Der Bayerische Elternverband befürwortet grundsätzlich, dass Schülerinnen und Schüler ihren Lehrkräften Feedback zum Unterricht geben können. Dies könne helfen, die Schulentwicklung und den Unterricht zu verbessern. Jedes Feedback müsse allerdings in sachlicher und respektvoller Weise geschehen.

„Ob die jetzt vorgestellte Lehrer-Bewertungs-App ‚Lernsieg‘ des österreichischen Schülers Benjamin Hadrigan diesen Anforderungen gerecht wird, muss sich erst zeigen“, sagt Martin Löwe, Landesvorsitzender des Bayerischen Elternverbands. „Eine öffentliche und ohne Einschränkung zugängliche App birgt die Gefahr eines virtuellen Prangers, wo Lehrkräfte auch als Privatpersonen diffamiert werden.“ Diese Gefahr bestehe selbst bei textfreier Bewertung nur mittels Sternchen, soweit sie sich undifferenziert auf die Lehrkraft oder auf den Unterricht bezögen.

Seriöses Schülerfeedback steht jeder Schule offen, aber…

Die Möglichkeit des Schülerfeedbacks stehe übrigens längst jeder Schule und jeder Lehrkraft offen, auch ohne App. Allerdings hätten nur wenige den Mut, dies durchzuführen.

Der BEV setzt sich im Rahmen seines Schwerpunktthemas „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft“ für eine wertschätzende Feedback-Kultur innerhalb jeder Schule ein. Dafür solle jede Schulfamilie eigene und passende Werkzeuge erarbeiten. „Mehrere Aussagen zum Unterricht der jeweiligen Lehrkraft, denen die Schüler graduell zustimmen oder die sie graduell ablehnen können, erscheint uns geeignet für eine differenzierte Erhebung. Freitext dagegen lehnen wir ab, er kann so manchen anonymen Bewerter verleiten, negativen Emotionen allzu freien Lauf zu lassen.“ Zudem diene ein Feedback der betroffenen Lehrkraft zur eigenen Verbesserung, daher sei es wenig sinnvoll, den Kreis der Eingeweihten über die eigene Klasse bzw. Schule auszudehnen, andernfalls schüre dies nutzlose Reaktionen wie Neid oder Hohn. „Diese App wird zumindest die dringend notwendige Diskussion um die Feedback-Kultur in den Schulen beleben“, hofft Löwe. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Schüler sollen Lehrer bewerten (jetzt in Hamburg offiziell) – hilft das tatsächlich, den Unterricht zu verbessern?

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

11 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Küstenfuchs
4 Jahre zuvor

Das Problem sehe ich in der Öffentlichkeit der App. Grundsätzlich sollte jede Lehrkraft sich aus allen Lerngruppen jährlich Feedback holen (müssen). Das gehört meiner Meinung nach zu einer professionellen Lehrkraft dazu. Nur gehören die Ergebnisse nicht in die Öffentlichkeit, auch in der Regel nicht zur Schulleitung, sondern sie gehören zwischen Lehrkraft und Klasse besprochen.

Herr Mückenfuß
4 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Da stimme ich Ihnen mal zu. 🙂

Christian Baum
4 Jahre zuvor

Ist das alles, was den Bayern (und sicher auch vielen anderen) dazu einfällt??? Alles redet von Datenschutz, an Schulen ist er einer der größten Verhinderer bei der Digitalisierung, und hier reden sie von Feedbackkultur? Wenn Datenbanken mit Lehrernamen, zugeordnet zu Schulen, Orten und PLZ erstellt werden? Wenn Schüler/innen sich per Telefonnummer für „ihre“ Schule anmelden und somit Datenbanken erzeugt werden, in denen Minderjährige mit Telefonnummer einer Schule/Ort/PLZ zugewiesen sind?

ICH GLAUB ES HACKT! Sind die alle bescheppert???

ysnp
4 Jahre zuvor
Antwortet  Christian Baum

Das ist der bayerische ELTERNVERBAND, der so reagiert hat. Der geht nicht konform mit dem, was sich Schule, Lehrer und das Kultusministerium unter diesem Thema vorstellen.
Die Aussage des Elternverbandes hört sich so an, wie man hier ein weiteres Druckmittel auf die Lehrer sieht. Wenn ein Feedback so gestaltet ist um Druck zu erzeugen, braucht man sich nicht wundern, wenn immer weniger Lehrer werden wollen.

Küstenfuchs
4 Jahre zuvor
Antwortet  Christian Baum

Der Elternverband hat doch die App ansich abgelehnt, aber eine Feedbackkultur an den Schulen angemahnt. In meinem professionellen Selbstverständnis als Lehrkraft gehört eine Feedbackkultur dazu.
Eine App mit Sternchen ist aus zwei Gründen abzulehnen: Datenschutz (siehe Beitrag Chr.Baum) und Sinnlosigkeit. Eine Bewertung mit Sternchen wie bei Amazon hilft keinem, weil ggf. nicht klar wird, warum ein Lehrkraft nicht alle Sterne bekommt.

Feedback muss nicht nur negativ sein und ist es in der Regel auch nicht.
Beispiel: Im Sommer habe ich von einer Klasse zwei Rückmeldungen bekommen:
1. Wir wünschen uns mehr Übungsaufgaben.
2. Ihre Noten sind gerecht (nachdem sich eine Mutter bitter beklagt hatte, warum ihr Sohn keine 1 im Zeugnis bekam)
Mit beiden Rückmeldungen kann ich doch viel anfangen, sie sind wichtig für die Verbesserung meines Unterrichts in der Klasse und eine Bestätigung bei klassenöffentlich gewordenen Angriffen.

ysnp
4 Jahre zuvor

Feedback muss anders laufen und es darf auch nicht öffentlich sein. Ein gutes Beispiel hat Küstenfuchs geliefert. Mit einer reinen Sternchenbewertung kann man nicht immer viel anfangen, weil man die Gründe nicht kennt.
Man muss sich als Lehrkraft Gedanken machen, wie genau man ein Feedback für welche Themen braucht. Letztendlich leitet man daraus Optimierungsmaßnahmen ab. Außerdem muss man ein Feedback so gestalten, dass die emotionalen Elemente nicht den Hauptgrund liefern. Fragen wie: „Wie hat dir das Thema gefallen? Hat es Spaß gemacht?“ geben alleine nicht viel her.
Ich frage z.B. meine Schüler direkt: „Hast du alles verstanden? Was hat noch gefehlt? Was war gut? Was hat besonders Spaß gemacht und warum? Hast du Verbesserungsvorschläge für den Fall, wenn ich das Thema wieder in einer Klasse mache?“ Interessant, wenn man in Diskussionen darüber einsteigt, weil da unterschiedliche Meinungen zutage kommen.

Ich finde nicht, dass Schüler das Recht haben, die Persönlichkeit eines Lehrers zu „beurteilen“ – offiziell schon gar nicht. Das hat für mich den üblen Nachgeschmack, des an den Pranger stellens. Außerdem fördert man da die Respektlosigkeit. Wenn es in diesem Bereich Probleme gibt, das bekommt der Lehrer über andere Kanäle mit und das sollte, wenn es nötig ist, unter Erwachsenen geklärt werden.

Ein Lehrer wird sich über eine solche offizielle App nicht „verbessern“, sondern irgendwann ins Burnout rutschen oder den Beruf aufgeben, wenn er diese Form einer negativen Beurteilung oder eines Vergleichs mit anderen KollegInnen nicht aushält, weil eine solche App eine weitere psychische Belastung ist.

Pälzer
4 Jahre zuvor

Ich finde meine Methode – eine Viertelstunde am Schuljahresende zum anonymen Aufschreiben der Schülermeinungen zu meinem Unterricht – besser, weniger klimaschädlich und datensicherer.

An allem schuld
4 Jahre zuvor

Großartig! Endlich dürfen sich frustrierte SchülerInnen öffentlich und undifferenziert Luft machen, ohne dass ihr eigener Anteil am Frust eine Rolle spielt.

Weiter so! Das sind die Dinge, die den Lehrerberuf auch künftig so richtig attraktiv machen!

Heinz
4 Jahre zuvor

Leider kann ich die App im Playstore nicht finden. Ich bin ja immer der Meinung, dass man solche Portale am Besten weider abschafft, in dem man falsche Bewertungen abgibt. Ich würde mir gerne viele top Bewertungen zukommen lassen.

GriasDi
4 Jahre zuvor

Das ist schon komisch. Da dürfen die Noten von Student_innen aufgrund des Datenschutzes nicht mehr am schwarzen Brett ausgehängt werden, aber Lehrer dürfen in der Weltöffentlichkeit bewertet werden – was soll das?
Dadurch wird kein Lehrer besser. DEN besten Lehrer gibt es eh nicht.
Vielleicht endet die Seite ja wie spickmich.

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Ach übrigens: die Feedback-Kultur im Netz ist ja für ihre Seriosität bekannt. Die Kommentare sind immer so empathisch und zurückhaltend sowie höchst konstruktiv verfasst.