Website-Icon News4teachers

Wenn der Imam und der Rabbi gemeinsam in der Schule auftreten – gegen Antisemitismus

Anzeige

BERLIN. Judenfeindliche Sprüche oder abfällige Bemerkungen gegenüber Israel gibt es auch an vielen Schulen. Imame und Rabbiner sollen in Berliner Schulen für gegenseitigen Respekt und Toleranz werben. Ein Besuch.

“Du Jude” ist heute wieder ein Schimpfwort in vielen Schulen. Foto: Shutterstock

Ender Cetin und Elias Dray haben sich demonstrativ nebeneinander zu den 20 Schülerinnen und Schülern in den Stuhlkreis gesetzt. Der Imam und der Rabbiner sind am Montagvormittag zu Besuch in der Gemeinschaftsschule Friedenau. Beide tragen dunkle Hose und schwarzes Sakko, beide haben einen dunklen Bart. «Wer von uns ist der Imam und wer der Rabbiner?», fragt Cetin zum Auftakt in die Klasse. Die Antwort fällt den Jugendlichen leicht – sie erkennen Rabbiner Elias Dray an seiner Kippa. Und dabei sind sie schon mitten im Thema.

Schüler sprechen mit den Gästen über Antisemitismus – und Respekt

Yussuf, Emily, Julia, Ava, Emre und ihre Mitschüler, fast alle zwischen 12 und 14 Jahre alt, reden mit den beiden ungewöhnlichen Gästen über Unterschiede und Gemeinsamkeiten, über Vorurteile, Antisemitismus und gegenseitigen Respekt.

Anzeige

Cetin und Dray machen mit beim Projekt «meet2respect» des Vereins Leadership Berlin – Netzwerk Verantwortung. Dabei geht jeweils ein Tandem aus Imam und Rabbiner auf Unterrichtsbesuch, rund 160 Mal in diesem Jahr. Nach dem Wunsch der Bildungsverwaltung soll die Zahl noch steigen. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hat angekündigt, die Maßnahmen gegen Antisemitismus an Schulen auszuweiten, «meet2respect» ist dabei ein wichtiger Baustein.

Um das Konzept vorzustellen, hatte die Senatorin nicht zufällig die Gemeinschaftsschule Friedenau ausgewählt. Sie geriet 2017 in die Schlagzeilen, als dort ein 14-jähriger Junge als Jude gemobbt und angegriffen wurde. Seine Eltern warfen der Schule vor, zu spät auf die Beleidigungen und Angriffe durch türkisch- und arabischstämmige Schüler reagiert zu haben.

Für viele Schüler ist der gemeinsame Auftritt ein Kulturschock

«Wir müssen in Deutschland immer wieder erleben, dass antisemitische Vorfälle auftauchen», sagt Scheeres. Auch was an Hetze in sozialen Netzwerken zu lesen sei, finde sie erschreckend. Ender Cetin kann das bestätigen: «Wir kriegen mit, dass es an vielen Schulen antisemitische Vorurteile gibt», sagt er. Die Erfahrungen im Rahmen des Projekts seien aber positiv. Erst sei es ein Kulturschock: «Ein Imam mit einem Rabbiner, das hört sich wie ein Witz an.» Aber dann öffneten sich die Schüler. «Wir ergänzen uns ganz oft und spielen uns den Ball zu.»

In der Gemeinschaftsschule Friedenau ist das nicht schwer. Ender Cetin und Elias Dray reden mit den Jugendlichen auch über Vorurteile, die diese selbst erlebt haben. «Ich wurde gemobbt, weil ich Ausländerin bin», erzählt eine Teenagerin.

«Kann man als Muslim mit einem Juden oder Christen befreundet sein?», will Cetin wissen. «Religion ist nicht immer alles», sagt einer der Jugendlichen. Und kann man als Muslim auch in die Kirche gehen? «Nein», vermutet ein Schüler. «Klar, darf man da rein», entgegnet ein anderer. Er selbst habe schon in einer Kirche und einer Synagoge gebetet, ergänzt Cetin. Manchmal fallen die Antworten nachdenklich aus, aggressiv wird die Stimmung nie, peinliche Pausen gibt es keine.

«In vielen Klassen, in die wir gehen, haben die Schüler noch nie einen Juden kennengelernt», sagt Rabbiner Dray. Das sei für ihn eine Motivation gewesen, sich bei dem Projekt zu engagieren: «Wenn man persönlich jemanden trifft, kann man Vorurteile abbauen.» Dray sieht die Entwicklung positiv: «In Berlin wird wirklich was getan», sagt er. «Wir würden uns freuen, wenn andere Länder das Projekt übernehmen würden.»

Antisemitismus gibt es in fast allen Schulen

«Das Problem Antisemitismus ist in fast allen Schulen vorhanden», betont Aycan Demirel von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA). Das Konzept finde er deshalb gut. Die Zusammenarbeit von Imamen und Rabbinern sei eine starke symbolische Botschaft. Einzelne Unterrichtsbesuche reichten aber nicht, wenn man langfristig etwas verändern wolle. «Gegen Diskriminierung ist permanentes Engagement nötig. Dafür braucht man einen langen Atem.»

Aus Sicht der Bildungsverwaltung ist das «meet2respect»-Projekt nur eine Maßnahme von mehreren. Insgesamt soll dabei verstärkt mit außerschulischen Bildungsträgern zusammengearbeitet werden – die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus gehört auch dazu. Von Andreas Heimann, dpa

Neue Arbeitsgruppe für Kampf gegen Antisemitismus an Schulen

Anzeige
Die mobile Version verlassen