DÜSSELDORF. Vor der schrittweisen Öffnung der nordrhein-westfälischen Schulen in der kommenden Woche hat das Schulministerium die Schulen über die notwendigen Hygienevorgaben informiert – per Mail am Samstag. Die zentrale Regel dabei lautet: Abstand halten. Die GEW hat unterdessen eine Petition gestartet. „Gesundheitsschutz statt Hauruckverfahren – Schulöffnungen brauchen Vorbereitungszeit!“, so fordert die Gewerkschaft. Auch die Kommunen lehnen eine Schulöffnung in dieser Woche ab. Die Landesregierung pocht jedoch darauf.
«Die Einhaltung des Infektionsschutzes war, ist und bleibt die Grundvoraussetzung, um erste und vorsichtige Schritte aus der durch das Coronavirus bedingten Ausnahmesituation zu unternehmen», sagte der Staatssekretär für Schule und Bildung, Mathias Richter. Eine Info-Mail mit den Vorgaben sei am Samstag an die Schulen verschickt worden, hieß es aus dem Ministerium. Darin heißt es: Die Lerngruppen müssen so aufgebaut werden, dass zwischen den Schülern untereinander und den Lehrern der Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann. Außerdem sollen Namenslisten erstellt werden, um Kontakte im Fall einer Infektion nachverfolgen zu können.
Vorgaben sehen ausreichende Waschbecken in den Schulen vor
Darin heißt es außerdem: Schüler oder Lehrer mit Symptomen sollen von Unterricht sowie Prüfungen ausgeschlossen werden. Es sei außerdem darauf zu achten, dass Trinkflaschen oder Gläser nicht gemeinsam genutzt würden. Außerdem sehen die Vorgaben ausreichende Waschbecken und Seifenspender vor, damit Hände regelmäßig gewaschen werden können. Darüber hinaus wird die generelle Corona-Etikette – also Niesen und Husten in den Ellbogen und aufs Händeschütteln verzichten – empfohlen. Auf eine generelle Maskenpflicht in Schulen verzichtet das Land. Als Grundlage hatte das Schulministerium ein Gutachtern von Wissenschaftlern unter anderem der Uni Bonn beauftragt.
Das Schulpersonal hat nun bis Mittwoch Zeit, die Maßnahmen umzusetzen. Für einige Tausend Schüler gilt ab Donnerstag in Nordrhein-Westfalen wieder die Schulpflicht. Dazu gehören nach Angaben des Schulministeriums Schüler in Abschlussklassen an weiterführenden Schulen, Förderschulen und Berufskollegs, die vor Prüfungen stehen. Dies konkretisierte das Schulministerium am Wochenende in einer Mail an alle Schulen. Eine Ausnahme bilden die Abiturienten: Sie können die Schule ab Donnerstag freiwillig besuchen.
Schüler mit Vorerkrankungen können befreit werden
Zuvor hatte es Unklarheiten bei einigen Betroffenen geben. Schüler mit Vorerkrankungen können nach Rücksprache von der Schulpflicht befreit werden. Durch diese Regelung finde für maximal zehn Prozent der Schüler ab Donnerstag in NRW wieder verpflichtender Unterricht statt, hieß es am Sonntag aus dem Schulministerium.
«Mit der Schulmail der schwarz-gelben Landesregierung ist klar: Für Zehntausende Schülerinnen und Schüler in NRW gilt ab Donnerstag die Verpflichtung zum Unterrichtsbesuch», stellten Sigrid Beer, die bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, und Felix Banaszak, Vorsitzender der Grünen NRW, fest und kritisierten: «Die mit schmerzhaften Einschnitten erzielten Erfolge in Bezug auf die Reproduktionszahl des Virus werden fahrlässig aufs Spiel gesetzt.» Außerdem gehe die Fixierung auf Prüfung am pädagogisch Notwendigen vorbei, vielmehr solle die Krisenbewältigung für Eltern und Schüler im Vordergrund stehen.
Städtetag: Schulöffnungen verschieben
Der Städtetag hatte angesichts der wegen Corona notwendigen Hygienemaßnahmen das Land aufgefordert, die Schulen frühestens ab dem 27. April wieder zu öffnen. «Bereits ab dem 23. April zu starten, stellt die kommunalen Schulträger vor erhebliche Probleme», kritisierte der Städtetags-Vorsitzende und Hammer Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann. «Die Schulen müssen grundgereinigt werden, die hygienischen Voraussetzungen für den Schutz vor Infektionen geschaffen, Räume vorbereitet und der Schülerverkehr organisiert werden.» Dafür brauche man mindestens den Vorlauf von einer Arbeitswoche.
Das Land entgegnete darauf, man habe die Schulträger und kommunalen Spitzenverbände bereits Mitte der letzten Woche über die anstehenden ersten Schritte und nötigen Maßnahmen informiert, damit diese ausreichend Zeit zur Umsetzung gehabt hätten. News4teachers / mit Material der dpa
KÖLN. Mehr als 15.000 Menschen haben bis Sonntagmorgen eine kurzfristig von der GEW Köln initiierte Petition unterschrieben, die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung eine Verschiebung der angekündigten Schulöffnung in der kommenden Woche fordert. Wörtlich heißt es dazu:
„Sehr geehrte Frau Ministerin Gebauer, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet, sehr geehrte Landesregierung NRW,
wir richten uns mit diesem offenen Brief an Sie, um Ihnen mitzuteilen, dass wir entsetzt darüber sind, dass die Landesregierung mit der Entscheidung zur Schulöffnung kommende Woche die Gesundheit der Lehrkräfte, der Schüler*innen sowie deren Familien fahrlässig gefährdet. Dieser Schnellschuss ist verantwortungslos, weil die Durchführung des Unterrichts unter Bedingungen, die den Notwendigkeiten des Infektionsschutzes genügen, nicht möglich ist. Ohne Rücksicht auf die zahlreichen mahnenden Worte aus Schul-, Schüler*innen- und Elternorganisationen sowie Gewerkschaften sollen nun im Hauruckverfahren Öffnungen stattfinden, welche jedoch wesentlich mehr Vorbereitungszeit benötigen, denn: Der Gesundheitsschutz der Schüler*innen und Lehrkräfte muss oberste Priorität haben!
Nachdem bereits die Schulschließungen völlig unvorbereitet per Mail verkündet wurden, wird nun ebenso kurzfristig am späten Abend des 15. April per Schulmail mitgeteilt, dass ab dem 20. April in den Schulen „organisatorische Maßnahmen“ getroffen werden sollen, um Schüler*innen, die vor Abschlussprüfungen stehen, ab dem 23. April Unterrichtsbesuche vor Ort zu ermöglichen. Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern sind verunsichert und äußerst besorgt darüber, dass die nötigen Maßnahmen zum Infektionsschutz in so kurzer Zeit unmöglich umzusetzen sind.
Ein breites Bündnis aus Schul- und Elternorganisationen sowie dem DGB und der Gewerkschaft Erziehung & Wissenschaft (GEW) hatte am 14. April darauf hingewiesen, dass der stufenweise Einstieg für alle Beteiligten leistbar sein müsse: ‘Zur Vorbereitung benötigen sie mindestens eine volle Woche Zeit’, erläuterte Behrend Heeren, Vorsitzender der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule (GGG NRW) und langjähriger Leiter einer Gesamtschule. Auch der Städte- und Gemeindebund spricht in seiner Stellungnahme vom 15. April von Vorlaufzeiten von „mindestens einer Woche“. ‘Besteht das Land auf einer Öffnung am Montag nach den Osterferien, wird ein reibungsloser Ablauf kaum möglich sein’, so der Städte- und Gemeindebund weiter.
Verantwortung wird auf Schulen und Lehrkräfte abgewälzt
Derzeit gibt es viele ungeklärte Fragen, die in nur drei Tagen Vorbereitungszeit unmöglich zu beantworten sind. Dazu zählen beispielsweise:
Es gibt keine einheitlichen Hygienestandards an den Schulen oder Aussagen zur Notwendigkeit und Verfügbarkeit von Ressourcen wie Masken, Desinfektionsmitteln oder Tests.
- Wie sollen die Abstandsregeln während des Unterrichts, der Toilettengänge oder der Pausen eingehalten werden?
- Wie sollen in so kurzer Zeit neue Raumkonzepte entstehen, um die nötigen Maßnahmen zum Infektionsschutz wie ausreichend Abstand und kleine Lerngruppen so schnell umzusetzen?
- Wie wird mit Schüler*innen und Lehrkräften verfahren, die der Risikogruppe angehören? Wo bleibt hier die Chancengleichheit in der Bildung für betroffene Schüler*innen?
- Wie soll sich die Logistik innerhalb von nur drei Tagen darauf vorbereiten, verlässlich zu funktionieren – angefangen bei der Organisation von gesundheitlich unbedenklichen Schulbusfahrten über die Beschaffung von Schutzmaterialien wie Mund-Nasen-Masken, Desinfektionsmittel oder Seife bis hin zu zeitlich und nach Gruppen gestaffeltem Unterricht?
- Wie soll in Zeiten des Lehrkräftemangels (auch hinsichtlich der weiteren Öffnung ab dem 4. Mai 2020) der Ausfall der Lehrkräfte aus Risikogruppen abgefangen werden ohne die einsatzfähigen Kolleg*innen zu überlasten?
Statt verantwortungsbewusst vorzugehen, wälzt die Landesregierung die Verantwortung für einen sicheren Unterricht auf die Schulen, Lehrkräfte und Kommunen ab. Sie schließt den Großteil der Schüler*innen vorerst aus dem Unterricht aus und mutet einem kleineren Teil sowie den Lehrkräften Unterrichtsbedingungen zu, unter denen ein Schutz ihrer Gesundheit nicht gewährleistet ist. Wir sagen an dieser Stelle ganz entschieden: Stoppen Sie die verfrühten Schulöffnungen! Alle Schüler*innen haben ein Recht auf Bildung! Alle Schüler*innen und Lehrkräfte haben ein Recht auf unversehrte Gesundheit!
Keine Schulöffnungen die gesamte nächste Woche!
Wir fordern daher von der Landesregierung NRW: Keine Schulöffnungen die gesamte nächste Woche! Der Gesundheitsschutz der Schüler*innen und Lehrkräfte muss an erster Stelle stehen! Geben Sie den Schulen ausreichend Vorbereitungszeit, so dass die Durchführung des Unterrichts unter Bedingungen, die den Notwendigkeiten des Infektionsschutzes genügen, möglich ist!
Wir fordern, die Schulen erst zu öffnen, wenn folgende Maßnahmen zuverlässig sichergestellt und umgesetzt sind:
- landesweit geltende Hygienekonzepte in Abstimmung mit Schulaufsicht und Schulträger und unter Verantwortung des lokalen Gesundheitsamtes
- Sicherstellung der Maßnahmen des Gesundheitsschutzes für Lehrkräfte und Schüler*innen, insbesondere ausreichend Mund-Nasen-Schutzmasken, Corona-Testmöglichkeiten, Desinfektionsmittel, Seife, Toilettenpapier und Abtrockentücher
- Konzepte zur Sicherung des Gesundheitsschutzes während Pausenzeiten und Toilettengängen
- Entwicklung von Raumkonzepten, um die erforderlichen Mindestabstände einhalten zu können, kleine Lerngruppen sowie zeitlich und nach Gruppen gestaffelten Unterricht zu ermöglichen
- Sicherstellung der Einhaltung des Mindestabstands auch in Lehrer*innenkonferenzen
Konzepte zur Sicherstellung von gesundheitlich unbedenklichen Schulbusfahrten unter Maßnahmen des Infektionsschutzes - Anpassung der Reinigungspläne: Türklinken, Tischoberflächen, Waschbecken, Toiletten sowie anderweitig oft benutzte Oberflächen sollten mindestens 2 Mal am Tag gereinigt werden!
- Sicherstellung der Chancengleichheit für Schüler*innen, die einer Risikogruppe angehören und aufgrund dessen am Unterricht vor Ort nicht teilnehmen können sowie für Schüler*innen, deren Unterricht noch nicht wieder startet
- Aussetzen der schriftlichen Abschlussprüfungen für das Schuljahr 2019/2020, Ermittlung der Abschlussnote aus den Vorleistungen und bundesweite Anerkennung der Abschlüsse
- kein Einsatz von Beschäftigten, die selbst einer Risikogruppe angehören oder in deren unmittelbarem häuslichen Umfeld Personen aus einer Risikogruppe leben
- zur Verbesserung der Personalsituation in Zeiten, wo Lehrkräftemangel und coronabedingte Ausfälle aufeinandertreffen: sofortige Eröffnung der Ausschreibungsverfahren für unbefristete Stellen entsprechend des Stellenbedarfs, besondere Berücksichtigung aller bisher abgewiesener Lehramtsbewerber*innen mit abgeschlossenem Vorbereitungsdienst und von früher mit Fristverträgen beschäftigten Lehrkräften, die im Moment keine Anstellung im Schuldienst haben sowie die sofortige Entfristung aller Zeitverträge
- demokratische Mitbestimmung: Einbeziehung der Mitarbeitervertretungen in Form von Lehrerräten, Personalräten und Gewerkschaften sowie von Eltern- und Schülervertretungen in den Prozess der Vorbereitungen.“
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.
Empörung über Schulöffnungen ohne ausreichende Vorbereitung – „Herr Laschet, treten Sie ab!“

