Virologe Streeck warnt vor zu früher Öffnung der Schulen: „Wir schaffen womöglich einen Multiplikator für das Virus“

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BERLIN. Der renommierte Virologe Hendrik Streeck hat zur Vorsicht bei der möglichen Wiederaufnahme des Schulunterrichts nach den Osterferien gemahnt. «Wenn wir die Schulen zu früh wieder öffnen, schaffen wir womöglich einen Multiplikator für das Virus, der dann wieder gefährlich sein kann», sagte der Direktor des Bonner Instituts für Virologie der «WAZ».  Auch Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller warnt vor einer zu raschen Rückkehr zum normalen Alltag. Baden-Württemberg bereitet die Schulen auf einen schrittweisen Einstieg vor.

Das Coronavirus – hier eine 3D-Illustration – wirbelt das Schuljahr durcheinander. Illustration: Shutterstock

Streeck sagte, er könne der Politik derzeit noch keinen fundierten Rat geben, ob der angepeilte Beginn des Schulbetriebs nach den Osterferien am 20. April realistisch sei. «Es ist nicht leicht, das Risiko zu berechnen», sagte Streeck. Vor allem fehlten sichere Erkenntnisse, «wie oft Kinder ihre Eltern und Großeltern unbemerkt anstecken». Streeck untersucht derzeit im Auftrag der NRW-Landesregierung, wie sich das Coronavirus im besonders betroffenen Kreis Heinsberg ausgebreitet hat. Als Mitglied im «Expertenrat Corona» berät er die nordrhein-westfälische Regierung in der Krise.

„Die Hälfte der Klasse vormittags, die andere Hälfte nachmittags“

„Es wird keinen Tag X geben, an dem die Krise überwunden ist, und alles wird wie vorher“, sagt Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) gegenüber dem „Spiegel“. „Wir werden Schritt für Schritt Lockerungen zulassen, vielleicht für bestimmte Gruppen oder Unternehmensbereiche, auch Reisebeschränkungen könnten gelockert werden. Doch so weit sind wir noch nicht.“ Konkrete Überlegungen stellte Müller für Schulen und Kindergärten in der Hauptstadt an. Es gebe verschiedene Ideen: „Zum Beispiel, dass in Schulen zunächst nicht die gesamte Klasse gemeinsam unterrichtet wird, sondern vielleicht die eine Hälfte der Klasse vormittags und die andere nachmittags“, so Müller. „Wir werden noch lange mit Abstands- und Hygieneregeln leben müssen.“

Müller stellte aber auch klar, dass Berlin gemeinsam mit den anderen Ländern und der Bundesregierung entscheiden werde, was ab wann gelockert werden könne. „Die konkrete Umsetzung wird dann sicher länderspezifisch angepasst, so wie wir es zuletzt auch gehandhabt haben.“

Unterricht kann wohl nur schrittweise wieder anlaufen

Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann geht ebenfalls davon aus, dass der Unterricht nach den Osterferien wohl nur schrittweise wieder beginnen kann. «Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, dass wir direkt nach den Osterferien wieder von null auf hundert starten», sagte die CDU-Politikerin bereits in der vergangenen Woche (News4teachers berichtete). Denkbar sei vielmehr, dass zunächst nur einige Klassen in die Schulen zurückkämen, um die Abstands- und Hygienevorschriften einzuhalten. So könnten an den Grundschulen an einigen Tagen die Klassen eins und zwei kommen, an den anderen die Klassen drei und vier. Denkbar sei auch, dass die Abschlussklassen zurückkämen, um sich auf ihre Prüfungen vorzubereiten.

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In einem Brief an die Schulen und Kitas im Land erklärte sie, ihr Haus prüfe eine eingeschränkte Wiederaufnahme des Schulbetriebs nach den Osterferien in Stufen. «Wir bereiten uns auf verschiedene Szenarien vor», schreibt sie. Und bekräftigt. «Sicher wird nicht alles auf Knopfdruck wieder anlaufen, wie es am 16. März enden musste.»

Schulöffnungen: „Wir müssen Prioritäten setzen“

Ob und wie man wieder mit dem Schul- und Kitabetrieb starte, könne aber noch nicht zuverlässig gesagt werden. Die Lage mit dem Virus sei weiter dynamisch, und der Schutz der Gesundheit stehe über allem, sagte Eisenmann. Man wolle gleich nach Ostern mitteilten, ob ab 20. April ein Wiedereinstieg in Stufen an den Schulen und Kitas möglich ist und wie er konkret aussehen soll. Man werde noch Hinweise geben, welche Abstandsregeln und Hygienebestimmungen dann zu beachten seien und welche Einschränkungen im Schul- und Kitabetrieb gelten. «Vieles wird weiter nicht möglich sein, wir müssen Prioritäten setzen.»

Am 14. April wollen sich der Bund und die Länder über die Frage abstimmen, ob und wie der Schulbetrieb nach den Osterferien wieder anlaufen kann (News4teachers berichtete). News4teachers / mit  Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Normalbetrieb ist auch nach den Osterferien nicht in Sicht: Die Schulen werden – bestenfalls – schrittweise zum Leben erweckt

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10 Kommentare
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dickebank
3 Jahre zuvor

… und der Schulbus, der die Kinder der Frühschicht nach Hause bringt, sammelt die Kinder den anchmittagsschicht im gleichen „Atemzug ein“, da er ansonsten die Strecke ja zweimal hinter einander fahren müsste. Dann treffen sich die Virenüberträger nicht in der Schule sondern auf dem Schulweg – ist doch eine super Idee – oder habe ich etwas übersehen?

AvL
3 Jahre zuvor

Wenn sie das Dashboard des RKI Robert-Koch-Institut aufrufen und sich die Landkreise ansehen, so werden sie bemerken, dass jetzt schon einige Landkreise darunter sind, bei denen in den vergangenen Tagen keine neuen SARS-COVIT-19 Fälle an die zuständigen Gesundheitsämter gemeldet wurden.
Allerdings werden bei weitem nicht alle Personen mit Symptomen von den zuständigen Hausärzten zu den Teststellen für COVID der Kreise für Rachenabstriche und PCR-Test(Polymerase-Kettenteste) geschickt, auch wenn diese entsprechende Symptome, wie Brustschmerzen beim Einatmen, Reizhusten, Temperaturerhöhungen und eine allgemeine Abgeschlagenheit haben.
Hinzu kommen noch die 30 % der Infizierten, die keinerlei Symptome aufweisen und als Überträger fungieren.
Es ist also schwierig, den Zeitpunkt festzulegen, aber wahrscheinlich läuft es darauf hinaus, dass die Schulen schrittweise wieder geöffnet werden, wenn die Zeitdauer der Verdoppelung der Neuerkrankungen auf 14 Tage angestiegen ist.
Und somit ist es zwingend erforderlich, dass die Risikogruppen innerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit zumindest mit FFP 3- Masken ausgestattet werden.
Dieses Virus wird sich nicht bremsen lassen, die Büchse der Pandora wurde geöffnet, in China auf Grund befremdlicher Ernährungsweisen billigend in Kauf genommen.
Das Virus lässt sich nicht mehr aufhalten, einzig die Geschwindigkeit seiner Ausbreitung lässt sich durch die derzeitigen Maßnahmen verlangsamen und begrenzt kontrollieren, bis ein großer Teil der Bevölkerung eine Immunität entwickelt hat oder ein Impfstoff entwickelt wurde.
Die Risikogruppen werden aber weiter abgeschirmt werden müssen, das heißt alle Personen über 70 Jahre und die Personen mit COPD, Asthma, KHK, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, chronischer Niereninsuffizienz.
Sie sehen an dieser Aufzählung, dass da eine sehr große Personengruppe zusammenkommt, die in der Zahl wohl mehr als 20 % der Bevölkerung Deutschlands ausmachen wird.
Hinzu kommt noch der Umstand, dass zur Zeit gar nicht genügend Schutzmaterialien für die Pflegekräfte, Ärzte, Lebensmittelverkäufer, Lehrer und andere Berufsgruppen sowie die Risikogruppen zur Verfügung stehen.
Da muss inländisch dringend dran gearbeitet werden, damit eigene inländische Kapazitäten in der Produktion zur Verfügung stehen. Entsprechende Risikopläne liegen in den Schubladen des RKI und an diesen wird man sich orientieren.

Emil
3 Jahre zuvor

Wenn alle Lehrer ab 60 und diejenigen mit Vorerkrankungen zusätzlich zum eh vorhandenen Lehrermangel ausfallen, dann wird das nichts. Von einer zweiten Schicht am Nachmittag braucht man erst gar nicht zu träumen…..

Emil
3 Jahre zuvor
Antwortet  Emil

Nochmal zur Verdeutlichung:
Die Besetzungsquote in der Grundschule liegt unter 100%.
Zieht man davon Alle über 60 sowie alle Vorerkrankten ab, bleibt eine unbekannte Besetzungsquote.
Davon ab gehen mit nahezu 100%iger Wahrscheinlichkeit ab: alle Schwangeren, viele ‚Teilzeit in Elternzeit Lehrer‘, die nämlich Babys unter einem Jahr zu Hause haben.
Davon ab geht die normale Krankheitsquote (Magen Darm, etc.), die liegt irgendwas um 6%, soviel ich weiß.

Mit den restlichen Lehrern dürfte man vielerorts noch nicht einmal mehr 1 Lehrer pro Klasse haben – wohlgemerkt sind das 30 Kinder.
Von kleinen Gruppen, Unterricht in zwei Schichten und ähnlichem Quatsch sollten sich daher alle ganz schnell verabschieden.

In der Grundschule und vermutlich auch den Haupt- und Realschulen.

Georg
3 Jahre zuvor
Antwortet  Emil

Je nach Fach dürfte die Besetzung an den Gymnasien auch sehr dünn werden. Auch dort arbeiten Frauen mit kleinen Kindern in Teilzeit. Die überproportional vertretenden Männer arbeiten auch noch überproportional häufiger in Vollzeit, weshalb das Gymnasium mit etwas gutem Willen und Überstunden noch organisiert werden kann.

Heinz
3 Jahre zuvor
Antwortet  Emil

Nochmal: Kinder und auch teilweise viele Jugendliche in der Pubertät werden keine Abstandsregel einhalten, egal wie toll die Politik sich das gedacht hat.

OlleSchachtel
3 Jahre zuvor

Ich frage mich wie es rein organisatorisch gehen soll. Wir haben über 500 Grundschüler an unserer Schule. Nur die Hälfte morgens wären 250 Kinder. 12–14 pro Klassenzimmer (Wahrung des Abstandes) sind 20 Klassenzimmer (mehrere Gebäude). Toiletten werden dann wieder gemeinsam genutzt?? Pausenzeiten?? Wie halte ich kleine Kinder davon b miteinander zu spielen nach so langer Zeit der Trennung? Schutzmasken, die dann mit den Händen auf und abgezogen werden?….
Von 40 Kollegen kommen eventuell nur 25-30 weil der erst Ü 60 ist oder chronisch krank? Das ganze in zwei Schichten (als 7:30-10:00 und 11:00- 13:30???) Dann ohne Pause?
Händewaschen an zu kleinen, veralteten Wachbecken mit Drehhahn??? Wer desinfiziert in der Pause?
Was ist mit den Kindern die nicht in die Schule kommen ( chronisch Kranke, Coronaerkrankte, allgemein erkrankte??) Darf ich die dann am Nachmittag weiter mit Homeschooling beschäftigen?
Es werden wieder einmal Entscheidungen gefällt von der Politik, ohne das ein aktiver Lehrer anwesend ist.
Ich würde gerne wieder arbeiten, aber nicht 24 h im Dienst. Ich bin jetzt in den Osterferien im Notdienst und auf Abruf, bereite Digitales und nicht digitales Lernen für den weiteren Notstand vor und darf dann nochmal dreifach unterrichten.
Mal sehen wie lange das bei uns gut geht???

Thomas Bargander
3 Jahre zuvor

Ich würde die Schulen zu lassen.Wir bekommen Schularbeiten über Mail die meine Tochter super nachgeht.Denn wenn wir die Schulen und Kitas öffnen,geben wir den Virus weiteren Menschen und Kindern zum Opfer.

Grundschullehrer
3 Jahre zuvor
Antwortet  Thomas Bargander

Das sehe ich ebenso wie Sie. Der Schutz der Kinder sollte Vorrang haben.

Thomas Bargander
3 Jahre zuvor

Sorry aber wir sollten die Sommerferien vorziehen für die Kinder und Kitas,das mit notbetreuungen klappt doch prima hier in Berlin.Habe 3 Kinder hier im Alter von 5-12 Jahren hier im Haushalt und meine Frau arbeitet von 6-19.30 Uhr und klappt prima mit Kinder und mir,da meine Frau im Krankenhaus Arbeitet.