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Die ach so schrägen Lehrer: Wie ein ärgerliches „Spiegel“-Buch jedes Klischee bedient

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HAMBURG. Zwei „Spiegel“-Redakteurinnen haben im „Spiegel“-Verlag ein Buch über Lehrer veröffentlicht, das als lustig daherkommt. „Spiegel“-Leser hatten dafür Anekdoten geliefert, deren Wahrheitsgehalt niemand überprüft hat. Umso ärgerlicher, dass die Autorinnen trotzdem versuchen, eine ernsthafte Lehre aus den Schmonzetten zu ziehen – und über die Persönlichkeitsstruktur von Lehrern sinnieren. Das müssen sie wohl: Der „Spiegel“ möchte ja als ernstzunehmendes Medium gelten. Leider bedienen sie damit jedes Klischee.

Lehrer sind Freaks – diese Wahrheit vermittelt der “Spiegel”-Buchverlag. Foto: Shutterstock

Welche Lehrer werden es denn dieses Jahr sein? Eine spannende Frage, die Eltern und Schüler zu Beginn jedes Schuljahres umtreibt (weshalb das Buch verkaufstechnisch optimal genau jetzt erscheint). Die Lehrerin, die so gut erklären kann? Der Choleriker, der immer rumschreit? Oder der Skurrile, dessen Lehrmethoden ebenso eigenartig sind wie sein Verhalten? Einen Überblick über vermeintliche Lehrertypen geben die beiden „Spiegel“-Redakterinnen Lena Greiner und Carola Padtberg in ihrem neuen Buch. «Unser Mathelehrer unterrichtet von draußen – damit er dabei rauchen kann!» Schul-Anekdoten, die „Spiegel“-Leser ihnen zugetragen haben. Dazu hatte die Redaktion aufgerufen.

Geschildert werden jede Menge Schrullen von Lehrern

Das Gute daran: Alle können mitreden, denn schräge Lehrer hat jeder irgendwann getroffen. Noch besser (aus Sicht der Autorinnen): Auf ihren Wahrheitsgehalt konnten sie die Geschichten natürlich nicht überprüfen. So geht es um Pädagogen, die die Pausenbrote ihrer Schüler aufessen. Die seltsame Tänze verlangen: «Wir sollten wie Affen durch den Raum hüpfen und dabei “Wusch, wusch, wusch” rufen.» Oder die fiese Sprüche schwingen: «Sie haben Ihr Hirn auch nur, damit Sie das Stroh nicht in den Händen tragen müssen.» Dieser Physiklehrer machte es (angeblich) nicht besser: «Jetzt kommt mal die Petra an die Tafel und zeigt uns, wie man es NICHT macht.»

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Geschildert werden jede Menge Schrullen. Ein Geschichtslehrer, der im Unterricht gerne Eier pellt und unter dem Anzug noch die Schlafanzughose trägt. Eine Lehrerin, die sich zu Beginn der Stunde immer vor dem Spiegel im Klassenzimmer schminkt. Der Religionslehrer, bei dem die Kinder in einem Schuljahr fast alle James-Bond-Filme sehen. Und der nikotinsüchtige Mathelehrer, Titelgeber des Buches. Wenn er in der Klasse im Erdgeschoss war, habe er sich zum Unterrichten draußen vors Fenster gestellt, «um die ganze Zeit zu rauchen». Den Projektor habe er dazu nah ans Fenster geschoben, um darauf schreiben zu können. «Wurden wir zu unruhig, setzte er zu seinem beherzten Sprung ins Klassenzimmer an.»

Die Autorinnen listen auf, was Lehrern erlaubt ist

Das könnte einfach nur lustig sein, wenn die Autorinnen das Ganze als das nehmen würden, was es ist: eine Art Feuerzangenbowlen-Anekdotensammlung – ohne allzu großen Realitätsbezug. Stattdessen versuchen sie, eine ernsthafte Lehre aus den Erzählungen zu ziehen. Und hier wird es grenzwertig: Padtberg und Greiner listen auf, was Lehrern erlaubt ist und was nicht. Denn für Heranwachsende könne es traumatisierend sein, wenn Pädagogen Grenzen überschreiten, etwa durch Beleidigungen oder Demütigungen, dozieren sie. So lasse sich nur mit Sadismus das Verhalten des Lehrers erklären, der Schülern ein vollgerotztes Taschentuch auf ihren Tisch legte und sie aufforderte, das Ding in den Müll zu werfen – womit sie zweifellos Recht haben. Wenn die Geschichte denn stimmt.

Schwierig sei auch, wenn eine sexuelle Konnotation ins Spiel kommt. Eine Geografie-Lehrerin etwa soll den Begriff der Hügelkette erklärt haben, indem sie auf ihre Brüste zeigte. «Wir Pubertierenden wussten gar nicht, wo wir hingucken sollten», schrieb dazu einer ihrer (angeblichen) ehemaligen Schüler. Ein anderer Leser berichtete von einer peinlichen Technikpanne: Als während der Videokonferenz einer Berufsschulklasse plötzlich ein Porno eingeblendet wurde…

Die Autorinnen ziehen als Fazit aus ihrer Anekdotensammlung:  «Es könnte sein, dass einige Menschen auch Lehrer werden, weil sie wissen: Sobald sie es durchs Referendariat geschafft haben, können sie ungehemmt schrullig sein bis zur Pensionierung.» Es könnte allerdings auch sein, dass „Spiegel“-Redakteurinnen sich einfach nur auf Kosten von Lehrkräften profilieren möchten. Wer weiß das schon so genau.

Die Autorinnen haben 13 Typen von Lehrerinnen und Lehrern ausgemacht

Greiner und Padtberg kennen Lehrerinnen und Lehrer jedenfalls nach ihrer Leserbefragung genau – und haben 13 Typen ausgemacht, etwa Dr. Korrekt, den Kumpeltypen oder die Sensible. Und die «beste Lehrkraft der Welt». Ein Ehrentitel, den man sich nach Ansicht der Journalistinnnen nicht unbedingt durch Nachsicht, Witzereißen oder Kumpelhaftigkeit verdient. «Die Besten sind sogar eher streng, sie lassen sich nicht auf der Nase herumtanzen.» Sie punkteten vielmehr mit Fairness und einem guten Draht zu den Kindern und Jugendlichen, unabhängig von den Leistungen. Und vor allem: «Meistens haben diese Lehrer richtig Lust auf Unterricht. Und Lust, den Schülern beim Weiterkommen zu helfen, auch persönlich.» Die Regel ist das natürlich nicht – selbstverständlich nicht, wenn sich das Bild einer Berufsgruppe aus möglichst humoristischen Berichten speist.

Und wenn es dann doch wieder eine schlimme Lehrkraft ist, mit der sich der arme Schüler herumplagen muss? Nicht verzagen, raten ihm die Autorinnen. «Sich mit der Fülle an Charakteren auseinanderzusetzen, Schrullen und auch mal Ungerechtigkeiten zu erleben und zu erdulden, gehört zum Leben dazu», heißt es im Buch. «Wie unterschiedlich die Menschen sein werden, mit denen sie für den Rest ihres Lebens entweder klarkommen müssen oder aneinandergeraten werden. Schon deshalb ist das Lehrerkabinett eine prima Vorbereitung aufs Leben.» Na, dann ist ja alles halb so schlimm. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

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