BERLIN. 20 der größten Elternverbände in Deutschland haben in einem gemeinsamen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert, dass in Schulen die AHA-Regeln eingehalten werden können. Dafür seien umgehend kleinere Lerngruppen zu planen und Möglichkeiten vorzusehen, den Schulbetrieb auf „Hybrid-Unterricht im Schichtbetrieb“ umzustellen. Die Elternsprecher äußern „größte Bedenken gegen die aktuellen Entscheidungen (..), wie der Gesundheitsschutz in unseren Schulen zu erfolgen hat, weil dadurch unsere Kinder und damit auch die Gesamtbevölkerung unverantwortlich gefährdet werden“.
Elternverbände schlagen Alarm. „Die für die Schulöffnungen erarbeiteten Hygienemaßnahmen der Bundesländer sind – dies zeigen die vergangenen Wochen – nicht ausreichend geeignet, einen Infektionsschutz für die Schulgemeinschaft zu sichern“, so heißt es in einem gemeinsamen Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), den 20 Elternverbände aus ganz Deutschland unterzeichnet haben – darunter der Bundeselternrat sowie der mitgliederstärkste Elternverband in Deutschland, die Landeselternschaft der Gymnasien NRW.
50.000 Schüler plux X Lehrer sind geschätzt derzeit in Quarantäne
„Die Zahl der mit SARS-CoV-2-Infizierten in Deutschland nimmt dramatisch zu. Dies trifft vor allem auch unsere Schulen. Viele tausend Lernende haben sich mit SARs-CoV-2 infiziert – ebenso eine größere Anzahl an Lehrenden und andere pädagogische Fachkräfte und weiteres Schulpersonal. Aktuell gehen wir von mindestens 50.000 Lernenden und einer zusätzlichen großen Anzahl von Lehrenden aus, die in Quarantäne sind“, so heißt es in dem Schreiben. „Zudem zeigt sich zunehmend, dass die jeweilige Schulklasse oder Jahrgangstufe nicht vollständig in Quarantäne gehen muss, sondern oftmals nur die jeweiligen Sitznachbarn der infizierten Person. Die Gesundheitsämter entscheiden vielerorts uneinheitlich. Das wird in jenen Schulen besonders deutlich, in denen Lehrende und Lernende aus verschiedenen Kommunen zusammenkommen, in denen unterschiedliche Regelungen gelten. Dies führt zu einer großen Verunsicherung in den Schulgemeinschaften und belastet den Schulfrieden.“
Kultusminister behaupten, es kommt zu keinen Ansteckungen in Schulen
Die Verantwortung werde stetig zwischen Ländern und kommunalen Schulträgern sowie Gesundheitsämtern hin und her geschoben. „Einige Kultusministerien/Bildungsministerien behaupten, es würde zu keinen Ansteckungen in den Schulen kommen; Schulen seien ‚sichere Orte‘. Die Ministerien lassen die Ansteckungswege jedoch nicht durch wissenschaftliche Sequenzanalysen untersuchen. Weil es in vielen Fällen nicht zur Testung der gesamten Kohorten kommt, können symptomfreie Ansteckungen überhaupt nicht verfolgt bzw. nachgewiesen werden.“ Die Elternvertreter wundern sich nach eigenem Bekunden „über die beharrliche Ausblendungshaltung der BildungsministerInnen bezüglich der Erkenntnisse, wie denen von Prof. Dr. Christian Drosten, zur Ansteckung und Erkrankung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen an SARS-CoV-2“.
Die Schulen seien dem Infektionsgeschehen derzeit mit den bisher ergriffenen Maßnahmen ohne ausreichenden Schutz ausgeliefert. „Die AHA-Regeln müssen konsequent in Schulen angewandt werden können insbesondere mit Rücksicht auf die besonders Schutzbedürftigen“, so heißt es.
Die Elternverbände fordern darüber hinaus unter anderem …
- … „einen ländereinheitlichen verbindlichen Stufenplan, der bei steigenden Infektionszahlen zu abgestuften Hygienesicherheitsmaßnahmen vor Ort führt, die Vermeidung in den Vordergrund stellt und die Einhaltung der AHA-Regelungen berücksichtigt.“
- … „die Planung umgehender Verkleinerung der Lerngruppen, so dass das Einhalten der AHA-Regeln des RKI durch die Lernenden an den Arbeitsplätzen möglich ist. Wir fordern die Möglichkeit des Hybridunterrichts im Schichtbetrieb – mit Sicherung der Betreuung – mit größtmöglicher digitaler Unterstützung unter Berücksichtigung von Minderheiten, die einen erhöhten Bedarf haben.“
- … „die Möglichkeit der sofortigen Ausweitung des digitalen Unterrichts in der SEK II, vergleichbar mit den Hochschulen, dort, wo die Voraussetzungen schon gegeben sind, sowie die Möglichkeit einer kurzen täglichen Präsenzzeit für Minderheiten mit einem erhöhtem Bedarf an pädagogischer Unterstützung.“
- … „die Anerkennung, dass wir uns in einem noch langanhaltenden Krisenmodus befinden, der allen Lehrenden in Schule viel abverlangt. Daher sollten Lehrkräfte freiwillig ihr Stundendeputat erhöhen dürfen, was dann eine flexible Ausgestaltung und eine Verkleinerung der Lerngruppen ermöglicht.“
- … „den Einbau von Raumluftfilteranlagen mit Hepafilter der Stufe H 13-14 in Klassenräumen und Mensen, wo die Belüftung schwierig ist.“
- …. „bei stark steigenden Infektionszahlen oder bei Risikogruppen die Ausdehnung einer Maskenpflicht auch für die Klassenräume – mit Ausnahme der Lernenden und Lehrenden, denen aus Gesundheitsgründen oder aufgrund einer Behinderung ein Tragen der Maske nicht möglich ist. Wir fordern die Bereitstellung hochwertiger Masken (FFP2) für alle Personen mit einem erhöhten Risiko. Wir setzen dabei voraus, dass wissenschaftlich überprüft erwiesen ist, dass der Nutzen der Masken die damit einhergehende Belastung überwiegt.“
- … „Transparenz und genaue tägliche Angaben der Infektionszahlen an Schulen insgesamt und im Einzelfall für die Schulgemeinde sowie eine dann erfolgende Testung der gesamten betroffenen Kohorte.“
- … „ein gemeinsames Abstimmen und Handeln von Politik, Lernenden, Eltern und Lehrenden auf allen Ebenen, um hier zielgerichtet kommunizieren zu können und gemeinsam Problemlösungen zur Eindämmung des Virus zu erreichen, die zu einer großen Akzeptanz führen.“
Da Bildungspolitik Ländersache ist, seien Einwände und Bedenken gegen die momentane Beschulung im Regelbetrieb unter Hygieneauflagen mit entsprechenden Verbesserungsvorschlägen bereits in zahlreichen Briefen an die einzelnen Landesbildungsminister herangetragen worden – ohne damit erkennbare Reaktionen erreichen zu können. „Aufgrund der wieder aktuell hohen Bedrohungslage durch SARS-CoV-2 sehen wir nur die Möglichkeit, eine zentrale Steuerung der Maßnahmen an Schulen durch die Bundesregierung einzufordern und/oder die Länder erneut zu einem einheitlich verantwortungsvollen Handeln aufzufordern, um einen kompletten Lockdown zu verhindern.“ News4teachers
Unterzeichnet wird der Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, der in Kopie auch an Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), an KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (SPD) sowie an die Kultusminister der Länder ging, von:
Stephan Wassmuth (Vorsitzender) Bundeselternrat, Lohfelden
Petra Müller (BER-Mitglied) Landeselternbeirat Rheinland Pfalz
Andrea Lausberg-Reichardt (BER-Mitglied) LEK NRW
Stefanie Krüger-Peters (BER-Mitglied) LEK NRW
Reiner Schladweiler Landeselternsprecher RLP Regionalelternsprecher Regionalelternbeirat Trier
Stjepan Bonic Stellvertretender Landeselternsprecher RLP
Uwe Geisler (Sprecher) ARGE-SEB Mainz
Erol Celik (Vorsitzender) Elternnetzwerk NRW Integration miteinander e.V.
Dr. Aysun Aydemir (Vorsitzende) Föderation Türkischer Elternvereine e.V. (FÖTEV NRW)
Michael Mittelstaedt (Vorsitzender) Landeselternbeirat Baden-Württemberg (LEB BW)
Bernd Kochanek (Vorsitzender) Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen e.V. (GLGL e.V) Roland Schiefelbein (Vorstand) Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule– Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V. (GGG NRW e.V.)
Stefan Kreis (Vorsitzender) GesamtLandesElternVertretung Saarland (GLEV)
Romy Suhr (Vorsitzende) die Inklusiven e.V Andrea Honecker (Vorsitzende) Katholische Elternschaft Deutschlands (KED) im Erzbistum Köln e.V.
Anke Staar (Vorsitzende) Landeselternkonferenz NRW (LEK NRW)
Tanja Speckenbach (Vorsitzende) Landeselternschaft der Förderschulen mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung e.V.
Jutta Löchner (Vorsitzende) Landeselternschaft der Gymnasien e.V.
Eva Thoms (Vorsitzende) Mittendrin e.V.
Klaus Amoneit (Vorsitzender) Progressiver Eltern- und Erzieherverband NRW e.V.
Cindy-Patricia Heine (Vorsitzende) Landeselternbeirat Niedersachsen
Dr. Irene Schütze, Mainz
Prof. Dr. Markus Scholz, Leipzig
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