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Schulen sind sicher? Wie wäre es mal mit der Wahrheit, Kultusminister?

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Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.

BERLIN. Politiker empören sich – zu Recht – über Corona-Leugner, die sich am Wochenende in Leipzig versammelten und mit ihrem Verhalten die Gefahr für ihre Mitmenschen noch verschärfen. Allerdings liefern die Kultusminister den Verschwörungsgläubigen auch reichlich Stoff: Eine Pandemie, die in Schulen einen Normalbetrieb praktisch ohne Einschränkungen zulässt, kann so schlimm nicht sein, oder? Tatsächlich verliert die Erzählung von den angeblich „sicheren Schulen“ immer mehr an Glaubwürdigkeit. Die Fassade bröckelt.

Kinder und Jugendliche sind praktisch nicht ansteckend – darauf baut die Politik der weiten Schulöffnungen. Foto: Shutterstock

„Jeden Tag sterben Menschen am Coronavirus. Wer diese Gefahr leugnet, stellt sich gegen den übergroßen Teil unserer Gesellschaft, der sich an Regeln hält, um sich und alle anderen zu schützen“, sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) heute. Sie bezog sich damit auf die Corona-Leugner, die am Samstag ohne Masken oder Mindestabstand durch Leipzig zogen, um gegen die Pandemie-Maßnahmen der Bundesregierung zu protestieren. Sie hätte aber genauso gut die Kultusminister meinen können.

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Immer wieder veröffentlichen die 16 Kultusministerien – unter dem Druck der Öffentlichkeit – Zahlen zum Infektionsgeschehen unter Schülern und Lehrern, allerdings nur sporadisch und punktuell. Und: Stets werden diese Zahlen relativiert.

“Zwei Schulen sind geschlossen, das entspricht einem Anteil von 0,04 Prozent der Schulen im Land”

Beispiel Nordrhein-Westfalen: „An 98,4 Prozent der Schulen in NRW fand vergangene Woche laut Schulministerium Präsenzunterricht für alle Klassen statt“, so meldete die Deutsche Presseagentur unter Berufung auf das Schulministerium am 4. November. Am gleichen Tag hieß es im baden-württembergischen Kultusministerium: „Zwei Schulen sind vollständig geschlossen, das entspricht einem Anteil von 0,04 Prozent der etwa 4500 Schulen mit ihren rund 67.500 Klassen im Land. Vor den Herbstferien waren es noch 15 geschlossene Schulen – und damit 0,3 Prozent aller Schulen.“ Ähnliches war am vergangenen Freitag aus Rheinland-Pfalz zu hören: „Laut Bildungsministerium sind 766 der 521.000 Schülerinnen und Schüler im Land mit dem Coronavirus infiziert. Dazu kommen 116 der rund 41.000 Lehrkräfte.

Wenn es allerdings darum geht, die Corona-Situation in Deutschland darzustellen – um etwa die derzeitigen Schließungen von Restaurants und Freizeiteinrichtungen zu rechtfertigen –, dann spielen Vergleichswerte hingegen keine Rolle. „In Deutschland sind erstmals mehr als 20.000 neue Infektionen mit dem Coronavirus innerhalb eines einzigen Tages registriert worden“, so hieß es am vergangenen Freitag. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wäre es bei seinem Auftritt im Bundestag am gleichen Tag nicht im Traum eingefallen, die Zahl mit der Zahl 83.170.000 ins Verhältnis zu setzen, der Zahl der Menschen in Deutschland nämlich. Herausgekommen wäre ebenfalls ein Promillewert.

Warum auch? Wir alle wissen: Die Steigerungsraten sind es, die die Entwicklung so bedrohlich machen. Zudem gibt es eine hohe Dunkelziffer von Infizierten, die in keiner offiziellen Statistik auftauchen – gerade unter jungen Menschen, die bei Ansteckungen seltener Symptome entwickeln.

„Infektionen werden oftmals von außen in die Schulen getragen”

Das wissen auch die Kultusminister. Trotzdem behaupten sie weiterhin, die Schulen seien sicher – trotz deutlich steigender Infektionszahlen unter Schülern und Lehrern. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin und KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (SPD) schrieb zum Ende der Herbstferien in einem Brief an alle Lehrer ihres Landes. „Infektionen werden oftmals von außen in die Schulen getragen, Schulen sind nicht die Treiber der Pandemie.“ Nur in einem einzigen Fall sei eine Infektion in einer Schule bestätigt worden.

„Die Schulen sind sichere Orte“, befand auch die nordrhein-westfälische Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) unlängst: „Schulen sind keine Hotspots und es gab auch kein unkontrolliertes Infektionsgeschehen.“ Im Gegenteil, so Gebauer: „Die strengen Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen werden eingehalten und wirken.“ Dass das Robert-Koch-Institut sehr viel strengere Schutzmaßnahmen für Schüler und Lehrer im aktuellen Infektionsgeschehen empfiehlt – und sehr wohl eine große Zahl von Ausbrüchen an Schulen bestätigte -, wird dabei geflissentlich verschwiegen.

Zunehmend bröckelt die Front der Realitätsverweigerer allerdings. „Gerade in den kommenden drei Wochen gilt es, möglichst viele Maßnahmen konsequent umzusetzen, damit wir das Infektionsgeschehen eindämmen und die Zahl der Neuinfektionen senken können“, erklärte ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums am Wochenende und betonte: Die Maskenpflicht auch im Unterricht der Grundschulen diene der Eingrenzung eines möglichen, von den Schülern ausgehenden Infektionsgeschehens, da infizierte Kinder häufig keine Symptome aufwiesen und so unerkannt das Coronavirus verbreiten könnten. Das ist wissenschaftlich fundiert, hat aber noch kein Kultusminister in Deutschland so vertreten.

“Das in Schulen bestehende Infektionsrisiko nehmen wir in Kauf”

Noch deutlicher wurde der Saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU). „Wir lassen Schulen und Kitas offen. Das dort bestehende Infektionsrisiko nehmen wir in Kauf, weil die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen nicht abermals unter einem Lockdown leiden darf und weil wir die Eltern nicht nochmal solchen Belastungen aussetzen wollen wie im März/April“, so twitterte er in der vergangenen Woche. Das ist ehrlich – und stellt die meisten der 16 Kultusminister endgültig als Märchenerzähler bloß. Die Schulen sind keineswegs sicher; das Risiko von Infektionen erscheint den Landesregierungen lediglich hinnehmbar in Abwägung gegenüber den möglichen politischen und wirtschaftlichen Folgen, die Schulschließungen hätten. Böse ließe sich entgegen: Es ist ja nicht ihr persönliches Infektionsrisiko.

Wie sagte Lambrecht nochmal? „Jeden Tag sterben Menschen am Coronavirus. Wer diese Gefahr leugnet, stellt sich gegen den übergroßen Teil unserer Gesellschaft, der sich an Regeln hält, um sich und alle anderen zu schützen.“ Das gilt auch für Kultusminister. News4teachers

Der Autor

Der Journalist und Sozialwissenschaftler Andrej Priboschek beschäftigt sich seit 25 Jahren professionell mit dem Thema Bildung. Er ist Gründer und Leiter der Agentur für Bildungsjournalismus – eine auf den Bildungsbereich spezialisierte Kommunikationsagentur, die für renommierte Verlage sowie in eigener Verantwortung Medien im Bereich Bildung produziert und für ausgewählte Kunden Content Marketing, PR und Öffentlichkeitsarbeit betreibt. Andrej Priboschek leitete sieben Jahre lang die Öffentlichkeitsarbeit des Schulministeriums von Nordrhein-Westfalen.

News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek, Gründer und Leiter der Agentur für Bildungsjournalismus. Foto: Tina Umlauf

In eigener verlegerischer Verantwortung bringt die Agentur für Bildungsjournalismus tagesaktuell News4teachers heraus, die reichweitenstärkste Nachrichtenseite zur Bildung im deutschsprachigen Raum mit (nach Google Analytics) im Schnitt mehr als einer Million Lesern monatlich und einer starken Präsenz in den Sozialen Medien und auf Google. Die Redaktion von News4teachers besteht aus Lehrern und qualifizierten Journalisten. Neben News4teachers produziert die Agentur für Bildungsjournalismus die Zeitschriften „Schulmanager“ und „Kitaleitung“ (Wolters Kluwer) sowie „Die Grundschule“ (Westermann Verlag). Die Agentur für Bildungsjournalismus ist Mitglied im didacta-Verband der Bildungswirtschaft.

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