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Karliczek stellt Leitlinie vor, die einen „möglichst sicheren, geregelten und kontinuierlichen Schulbetrieb“ gewährleisten soll

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BERLIN. „Wenn es das Infektionsgeschehen zulässt und die Entscheidung getroffen wird, die Schulen wieder zu öffnen, ist es notwendig, dass die Verantwortlichen vor Ort wissen, was zu tun ist“, sagt Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Sie hat heute eine unter 40 Fachgesellschaften abgestimmte Leitlinie vorgestellt, die Handlungsempfehlungen dafür liefert. Der Anspruch ist hoch: Die Ratschläge sollen einen „möglichst sicheren, geregelten und kontinuierlichen Schulbetrieb“ gewährleisten.

“Große Hilfestellung für den Schulbetrieb in den nächsten Wochen und Monaten”: Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Foto: obs/Bundesministerium für Bildung und Forschung/BMBF/Hans-Joachim Rickel

Lässt sich über wissenschaftliche Erkenntnisse sinnvoll abstimmen? Genau das versucht eine neue Leitlinie von 40 wissenschaftlichen und medizinischen Fachgesellschaften, die – gefördert vom Bundesbildungsministerium – einen „möglichst sicheren, geregelten und kontinuierlichen Schulbetrieb“ gewährleisten soll. Federführend waren vier medizinische Verbände beteiligt: die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie, die Deutsche Gesellschaft für Public Health, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin sowie die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie. Das Prinzip der darin enthaltenen Empfehlungen: Die einbezogenen Experten sollten sich möglichst im Konsens darüber einigen. Entsprechend vage fallen die Hinweise aus.

„Das Thema der Schulschließungen wird in der Leitlinie ausdrücklich nicht behandelt”

„Bei mäßigem Infektionsgeschehen sollte eine Kohortierung von Klassen/Jahrgängen erfolgen“, so heißt es in dem Papier beispielsweise. „Bei hohem Infektionsgeschehen soll zusätzlich zur Kohortierung von Klassen/Jahrgängen eine gestaffelte Öffnung nach Jahrgängen und/oder eine Halbierung der Klassen erfolgen. Bei sehr hohem Infektionsgeschehen sollen alle Maßnahmen umgesetzt werden.“ Was ein „hohes“ oder ein „sehr hohes“ Infektionsgeschehen ist, lässt die Leitlinie offen. Ohnehin vermeiden die Experten Festlegungen in brisanten Punkten: „Das Thema der Schulschließungen wird in der Leitlinie ausdrücklich nicht behandelt. Auch das Thema Testen wurde (…) ausgeklammert“, so heißt es in den Erläuterungen.

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Weitere Empfehlungen dagegen: „Ab hohem Infektionsgeschehen soll ein medizinischer Mund-Nasen-Schutz zum Einsatz kommen.“ Und: Maßnahmen zum Infektionsschutz (Maskentragen, Reduktion des Personenaufkommens) sollen auf Schulwegen im öffentlichen Personennahverkehr und in Schulbussen umgesetzt werden.“ Dazu wird ausgeführt: „Eine Reduktion der Anzahl von Personen im ÖPNV kann auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden, u.a. Wechselunterricht oder gestaffelte Öffnung, versetzter Unterrichtsstart, Erhöhung der Taktung und der Verfügbarkeit der Verkehrsmittel.“

Darüber hinaus heißt es in der Leitlinie: „Bei Schüler*innen, bei denen kein Risikokontakt bekannt ist und die mindestens eines der folgenden Symptome aufweisen, soll ein erhöhtes Risiko für das Bestehen einer Infektion mit SARS-CoV-2angenommen werden (solange nach ärztlichem Urteil keine andere Erklärung vorliegt): Fieber > 38,0 °C, reduzierter Allgemeinzustand, trockener Husten (mehr als gelegentlich und nicht durch eine Grunderkrankung erklärt), ausgeprägte gastrointestinale Symptome (anhaltende erhebliche Bauchschmerzen mit oder ohne Durchfall und Erbrechen), Störung des Geruchs- und/oder Geschmackssinns (Hypo- oder Anosmie bzw. Hypo- oder Ageusie).“ Schüler mit entsprechenden Symptomen sollten bis 48 Stunden nach Abklingen nicht am Präsenzunterricht teilnehmen.

Woher nehmen medizinische Fachgesellschaften die Expertise, Lüftungsmaßnahmen in Klassenräumen zu beurteilen?

Zum Thema Lüften: „Es soll regelmäßig und ausreichend gelüftet werden. Korrektes Lüften erfolgt mittels Querlüftung bei weit geöffneten Fenstern alle 20 Minuten für 3-5 Minuten, im Sommer alle 10-20 Minuten, außerdem nach jeder Unterrichtsstunde über die gesamte Pausenzeit. Der Betrieb einer geeigneten Lüftungs- oder Raumlufttechnischen Anlage ist als gleichwertig anzusehen.“ Und wie steht es mit dem Einsatz mobiler Luftreiniger in Schulen? Der könne „als ergänzende Maßnahme zum Lüften zur Aerosolreduktion erwogen werden, wenn grundsätzlich eine ausreichende Lüftung gewährleistet werden kann“.

Woher medizinische Fachgesellschaften die Expertise nehmen, Lüftungsmaßnahmen zu beurteilen, bleibt offen. Die Deutsche Physikalische Gesellschaft warnt hingegen aktuell davor, sich im Schulbetrieb allein auf offene Fenster zu verlassen. Der Einsatz technischer Geräte zur Belüftung ist nach Ansicht dieser Fachgesellschaft (deren Mitglieder zum Thema tatsächlich auch forschen) jeder Art passiver Lüftung durch bloßes Öffnen von Fenster und Türen weit überlegen, da bei der technischen Belüftung der in kontrollierter Art und Weise geschieht. Allerdings war die Deutsche Physikalische Gesellschaft nicht in die Leitlinie einbezogen.

„Die neue Leitlinie ist aus meiner Sicht eine große Hilfestellung für den Schulbetrieb in den nächsten Wochen und Monaten, wobei natürlich die jeweiligen Schulverantwortlichen gemeinsam mit den Gesundheitsämtern die Entscheidungen treffen müssen“, meint Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die das Papier heute vorstellte. „Der große Wert besteht bei der Leitlinie auch darin, dass die Sichtweisen der verschiedenen Fachrichtungen zusammengetragen und untereinander abgestimmt wurden.“ Man kann allerdings gerade darin auch die große Schwäche des Papiers sehen. News4teachers

Hier lässt sich die Kurzfassung der Leitlinie herunterladen.

Karliczeks Leitlinien für Schulen: Politisches Wunschdenken – nicht Stand der Wissenschaft

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