BERLIN. Immer mehr Berichte über Corona-Ausbrüche in Kitas und Grundschulen, zunehmend auch mit Mutationen, sorgen für Verunsicherung unter Erziehern, Lehrern und Eltern – umso mehr, seit Kitas und Grundschulen in zehn Bundesländern Anfang der Woche wieder weiter geöffnet wurden. Der VBE fordert, das Infektionsgeschehen in den Bildungseinrichtungen zu überwachen. Tatsächlich geschieht das nach wie vor nicht systematisch.
„Wir freuen uns, den Erzieherinnen und Erziehern mit den Tests direkt in den Einrichtungen ein niederschwelliges Angebot machen zu können“, so sagt Bernd Leidig (SPD), Sozialdezernent im rheinland-pfälzischen Frankenthal, einem Bericht der „Rheinpfalz“ zufolge. Die „engmaschige Kontrolle“ der rund 250 Erzieherinnen und Erzieher in den 19 städtischen Kindertagesstätten – sie können sich ab Donnerstag einmal pro Woche per Schnelltest auf eine mögliche Infektion mit dem Coronavirus untersuchen lassen – soll helfen, Infektionsketten in den Kitas schnell zu unterbrechen und Neuinfektionen zu verhindern. Bereits in der vergangenen Woche waren mobile Testteams in Kitas unterwegs.
In ganz Deutschland häufen sich die Meldungen von Ausbrüchen in Kitas und Grundschulen
Das scheint nötig zu sein. Zwar liegt die Inzidenz aktuell bei 59,5 (und damit ziemlich genau im Bundesdurchschnitt). Betroffen vom Infektionsgeschehen sind aber vor allem die Bildungseinrichtungen im Ort. Kaum hat der Schulbetrieb in Rheinland-Pfalz wieder begonnen, kam es tags drauf einer Frankenthaler Grundschule zu einem Corona-Fall. Ein Drittklässler wurde positiv getestet. Fünf Kinder der gleichen Klasse wurden als Kontaktpersonen der Kategorie 1 eingestuft und müssen deshalb ebenfalls in Quarantäne. Aufgrund der Begegnung mit anderen Kindern der 4. Klassenstufe beim Mittagessen in der Mensa wurden weitere zehn Kinder, vier Lehrkräfte und drei Mensakräfte als Kontaktpersonen der Kategorie 2 eingestuft. Für die Betroffenen bietet das Gesundheitsamt eine Reihentestung in der Schule an.
Die Bedeutung der mobilen Testteams zeige auch der aktuelle Fall in einer der Kitas im Stadtgebiet, heißt es in der Lokalpresse: Insgeamt sechs Mitarbeiterinnen wurden positiv auf das Corona-Virus getestet, bei vier davon wurden Mutationen nachgewiesen. Bei der ersten Testung aller Kontaktpersonen der Infizierten seien auch zwei Ansteckungen bei Kindern der Einrichtung entdeckt worden, hieß es am Mittwoch. Eine zweite Reihentestung finde an diesem Donnerstag für alle Kontaktpersonen der Kategorie 1 statt.
Der Fall scheint exemplarisch zu sein. In ganz Deutschland häufen sich die Meldungen von Ausbrüchen in Kitas und Grundschulen. In zehn Bundesländern wurden die Bildungseinrichtungen zum Wochenbeginn geöffnet; sie waren vielerorts im Lockdown nicht komplett geschlossen gewesen. Berichte aus den letzten beiden Tagen:
- Seppenrade (Nordrhein-Westfalen): Fünf Erzieherinnen und mindestens zwei Kinder einer Kita haben sich mit dem Coronavirus infiziert.
- Laatzen (Niedersachsen) erlebt derzeit den größten Anstieg an Corona-Infektionen seit Monaten. Fünf Schulen, drei Kitas und zwei Pflegeheime sind betroffen. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 158,6.
- Heidelberg: Corona-Fälle in drei Kitas. Insgesamt gab es in drei Einrichtungen je eine Infektion. Ein Kind soll mit einer Corona-Mutation infiziert sein.
- An mindestens 56 Schulen und Kindergärten in Thüringen gibt es aktuelle Corona-Infektionen. Das geht aus einer Aufstellung des Thüringer Bildungsministeriums mit Stand vom Donnerstag hervor. Der Aufstellung zufolge sind 26 Schulen von einer oder mehr bestätigten Corona-Infektionen betroffen, und zwar Grundschulen, Gemeinschaftsschulen, Gymnasien, Regelschulen und berufsbildende Schulen. Bei den Kitas gibt es an 30 Einrichtungen Infektionen.
- Ende Januar hatte sich im Landkreis Stade (Niedersachsen) der erste Fall der in Großbritannien entdeckten Corona-Mutation B 1.1.17 bestätigt. Seitdem werden immer mehr Fälle der britischen Variante nachgewiesen – aktuell an einer Grundschule in Buxtehude.
- Dresden meldet neue Corona-Fälle: An zwei Kitas und einem Hort müssen zusätzlich mehr als 50 Kinder und Erzieher in Quarantäne. Insgesamt knapp 500 Dresdner Pädagogen und Kinder stecken in Quarantäne, weil es an 20 Bildungseinrichtungen in der Stadt Infektionen gab.
- Erst am Montag hat an vielen bayerischen Schulen wieder der Präsenzunterricht begonnen. Jetzt mussten die ersten Kinder in Unterfranken in Quarantäne. Betroffen sind zwei Schulen im Landkreis Main-Spessart.
- Nach zahlreichen Corona-Neuinfektionen im hessischen Freiensteinau (Inzidenz: 480!) zieht der zuständige Vogelsbergkreis Konsequenzen und schließt die Grundschule und den Kindergarten in der Gemeinde. “Wir müssen die Infektionsketten unterbrechen”, so heißt es.
- Die erste Duisburger Kita wurde nach dem Neustart schon wieder geschlossen. In zwei weiteren musste jeweils eine Gruppe in Quarantäne geschickt werden. Die Inzidenz in der Stadt steigt weiter. Die Mutationen nehmen zu.
Mit Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts plädiert der Verband Bildung und Erziehung (VBE) für eine lückenlose Erfassung aktueller Corona-Fälle an Schulen. „Es muss streng kontrolliert werden, was die Öffnungen der Schulen für eine Auswirkung auf das Infektionsgeschehen haben“, fordert der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft, Udo Beckmann, gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Transparenz zu schaffen, kann in dieser Situation nur hilfreich sein.“ Damit würde das Vertrauen der Lehrkräfte und Eltern zurückgewonnen, die sich und die Schülerinnen und Schüler momentan nicht ausreichend geschützt sehen.
Auch unter Erzieherinnen und Erziehern wachsen die Ängste. „Die Beschäftigten machen sich große Sorgen um ihre eigene Gesundheit und die ihrer Familien“ – nicht zuletzt aufgrund der Ausbreitung der Mutationen, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretärin im Landesbezirk Niedersachsen/Bremen, Katja Wingelewski. „Sie haben verständlicherweise Angst vor einer Ansteckung.“ News4teachers
