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Virologen warnen vor Schnelltests, erachten sie trotzdem in Schulen für wichtig

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FRANKFURT/MAIN. Antigen-Schnelltests können nach Ansicht der Frankfurter Virologin Prof. Sandra Ciesek bei der Eindämmung der Pandemie helfen – einzelne Personen «freizutesten», hält sie jedoch für problematisch. Das deckt sich mit Erfahrungen aus Österreichs Schulen.

Schüler werden bald bundesweit verpflichtend schnellgestestet – der Unterricht ist deshalb aber nicht sicher. Foto: Shutterstock

«Die seit einigen Wochen in großem Umfang in den Ländern angebotenen Testmöglichkeiten sind ein Baustein der Corona-Strategie und tragen in erheblichem Maße zum Infektionsschutz und zur Eindämmung der Pandemie bei», so meint die Kultusministerkonferenz (und erklärt das in einem Beschluss vom 8. April). Einzelne Kultusminister geben sich entsprechend euphorisch. «Selbsttests sind eine große Chance für die gesamte Schulfamilie: Sie sorgen für mehr Sicherheit und eröffnen die Perspektive für mehr Präsenzunterricht», so erklärte beispielsweise Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (CSU).

«Für die individuelle Diagnose sind Antigentests ungeeignet. Da werden Ihnen zu viele durchrutschen»

Im Interview der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» warnt nun Prof. Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt, vor zu großen Erwarungen. «Gefährlich» findet Ciesek, wenn man mit einem negativem Schnelltest ohne weitere Schutzmaßnahmen ins Restaurant oder ins Theater geht. «Da werden Ihnen zu viele durchrutschen», sagte sie im Interview. Und betont: «Für die individuelle Diagnose sind Antigentests ungeeignet. Wenn Sie aber Gruppen regelmäßig testen, die immer wieder zusammenkommen und sich nicht optimal an Hygieneregeln halten können, dann werden Sie nicht alle, aber viele Infektionsketten unterbrechen.»

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Das zeigt auch die Erfahrung an Österreichs Schulen, wo bereits seit Februar Schnelltests im Einsatz sind. In der Alpenrebpublik wird jeder Schüler zweimal in der Woche getestet (wie es mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes bald auch deutschlandweit vorgeschrieben wird).

Wie die sogenannte “Gurgelstudie” – eine großangelegte Studie, bei der stichprobenartig im Anschluss an Schnelltests diesselben Schüler nochmal mit PCR-Tests untersucht werden – zeigt, werden im Schnelltest-Verfahren drei von vier Infektionen unter Schulkindern bis 14 Jahren übersehen. Bei den Lehrkräften wird rund die Hälfte der Infektionen übersehen. Immerhin 40 Prozent der unentdeckten Fälle seien ansteckend gewesen, schätzt Studienleiter Prof. Michael Wagner, Mikrobiologe an der Universität Wien, gegenüber dem “Spiegel”.

Inzwischen sei klar: Tests mögen zwar die Dunkelziffer ausleuchten, sie können Schüler und Lehrer aber nicht vor Infektionen schützen. Wagners Bilanz, geäußert gegenüber dem ORF: „Das klingt vielleicht zunächst schlecht, ist aber viel mehr als ohne Test. Viele, die extrem ansteckend gewesen wären, findet er.“

„Die Schnelltests schlagen erst am Tag eins nach Symptom-Beginn an, da ist man aber schon drei Tage lang infektiös“

Das deckt sich mit der Einschätzung des Chef-Virologen der Berliner Charité, Prof. Christian Drosten. Er warnte unlängst davor (News4teachers berichtete), dass Antigen-Schnelltests in den ersten Tagen einer Infektion wohl noch weniger zuverlässig sind als gedacht. Zwischen 40 Prozent und 60 Prozent der Infektionen würden deshalb bei Schnelltests übersehen, erklärt er in der letzten Folge seines Podcasts im NDR. „Die Schnelltests schlagen erst am Tag eins nach Symptom-Beginn an, da ist man aber schon drei Tage lang infektiös“, sagt Drosten. „Wenn man davon ausgeht, dass eine infizierte Person in der Regel acht Tage lang ansteckend ist, heißt das: An fünf von acht Tagen entdecke ich mit dem Antigentest eine Infektion, an drei Tagen werde ich sie übersehen.“

In Schulen sei der Einsatz von Antigen-Schnelltests trotzdem sinnvol, so Drosten.  „Selbst wenn bei einer Testung nicht alle Infektionen entdeckt werden, bei der nächsten Testung nach zwei oder drei Tagen werden die Infektionen dann nachgewiesen. In Clustern ist solch ein geringer zeitverzögerter Effekt kein Problem“, meinte der Virologe. Dann ließen sich Infektionen in einem Cluster aufspüren, um schnell mit Quarantäne-Maßnahmen reagieren zu können.

Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Der Unterricht ist nicht deshalb sicher, weil die teilnehmenden Schüler zuvor mit negativem Ergebnis schnellgetestet wurden. News4teachers / mit Material der dpa

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