HANNOVER. «Die strengen Sicherheitsauflagen wirken, Kitas und Schulen sind sichere Orte», so behauptet das niedersächsische Kultusministerium – und legt relativierende Zahlen vor, die das belegen sollen. Eine wissenschaftliche Übersicht von Inzidenzen zeigt allerdings auf: Niedersachsen ist nach Nordrhein-Westfalen mittlerweile das von Corona-Neuinfektionen unter Schülerinnen und Schülern am stärksten betroffene Bundesland.
In den Schulen des Landes seien seit Schuljahresbeginn in der Vorwoche mit Stand Freitag (10.9.) 369 Schülerinnen und Schüler sowie 40 Beschäftigte des Schulpersonals durch PCR-Tests positiv auf das Corona-Virus getestet worden – behauptet das Kultusministerium Niedersachsen. Aus den Kindertagesstätten und Kinderpflegeeinrichtungen wurden laut Meldeportal 82 infizierte Kinder und 32 infizierte Fachkräfte gemeldet. «Damit lässt sich insgesamt feststellen, dass sich das Infektionsniveau in niedersächsischen Kitas und Schulen derzeit auf einem erfreulich niedrigen Level bewegt», erklärte der Sprecher des Kultusministeriums, Sebastian Schumacher, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Bei den Zahlen könne es zwar zu Doppelungen oder Meldeausfällen kommen. Schumacher verwies aber zur grundsätzlichen Einordnung auf die Größenordnungen bei Schulen und Kitas. Insgesamt gebe es an den 3000 niedersächsischen Schulen 1,1 Millionen Schüler sowie 100.000 Personen im Schulpersonal. An den 5500 Kindertages- und Kindertagespflegeeinrichtungen würden in Niedersachsen 356 000 Kinder betreut. Die Zahl der Fachkräfte liege dort bei 80.000.
«Damit Kitas und Schulen sicher bleiben, appellieren wir dringend an ungeimpfte Eltern, sich nun zügig immunisieren zu lassen»
Was der Sprecher verschweigt: Etliche Städte und Landkreise in Niedersachsen weisen unter Fünf- bis 14-jährigen Schülerinnen und Schülern Inzidenzen über 200, die Stadt Salzgitter sogar eine Inzidenz von 559 auf. Sebastian Mohr, Physiker und Statistiker in einer Wissenschaftler-Gruppe um die Max-Planck-Forscherin Viola Priesemann, hat eine Übersichtskarte mit Inzidenzen in den Städten und Kreisen in Deutschland veröffentlicht, die sich auch nach Alter spezifizieren lässt – Niedersachsen ist danach (Stand: 12. September) das nach Nordrhein-Westfalen am stärksten von Corona-Infektionen unter Kindern und Jugendlichen betroffene Bundesland. Über einer Inzidenz von 200 liegen in der Altersgruppe zum Beispiel die Region Hannover (260), der Landkreis Celle (242) und der Landkreis Peine (270).
«Kitas und Schulen sind sichere Orte», so behauptet Ministeriumssprecher Schumacher trotzdem. «Damit dies so bleibt, appellieren wir dringend an ungeimpfte Eltern, sich nun zügig immunisieren zu lassen.» Erwachsene, die sich impfen ließen, leisteten auch einen entscheidenden Beitrag zum Schutz der Kinder und zum Offenhalten von Kitas und Schulen.
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