BERLIN. In Anbetracht des massiven Fachkräftemangels im Schulbereich fordert die Berliner GEW ein Paket von kurz- und langfristigen Maßnahmen sowie die zeitnahe Einberufung eines Rundes Tisches zum Thema – unter Beteiligung aller relevanter Akteure aus dem Bildungs- und Hochschulbereich. „Die sehr hohe Belastung und Arbeitsverdichtung führen derzeit dazu, dass viele Lehrkräfte und Erzieher*innen in Erwägung ziehen, den Job an den Nagel zu hängen oder noch mehr auf Teilzeit zu gehen. Die Pädagog*innen gesund im Dienst zu halten, muss deshalb oberste politische Priorität haben“, fordert GEW-Landesvorsitzender Tom Erdmann.
Aus Sicht der GEW gibt es einige Stellschrauben, die die Situation akut abmildern könnten und ohne zusätzliches pädagogisches Personal auskommen. „Pädagog*innen sollten durch nichtpädagogisches Personal von administrativen Aufgaben entlastet werden. Wir brauchen auch endlich flächendeckend schulische Konten, damit sich Lehrkräfte vor und nach Schulausflüge nicht mit Buchhaltung befassen müssen, sondern ihre pädagogische Arbeit in den Vordergrund steht.“, so Erdmann „Gleichzeitig braucht es gute und solide ausfinanzierte Coaching-Angebote und Supervision für pädagogisches Personal. Schulleitungen sollten dies proaktiv unterstützen.“
“Kürzungen an der Stundentafel dürfen auf keinen Fall zu zusätzlichen Belastungen der Lehrkräfte oder Erzieher*innen führen“
Auch bei den Schulgebäuden ließe sich einiges machen. „Schulen müssen saubere Lern- und Arbeitsorte sein. Es braucht solide bezirkliche Lösungen für die Schulreinigung. Zudem sollte das gesamte Personal gut ausgestattete Arbeitsplätze an den Schulen erhalten“, meint Erdmann.
Der Gewerkschafter fordert außerdem, dass Veränderungen in der Schulorganisation sozial ausgleichend ausgerichtet sein sollten: „Förderstunden sind der Schlüssel für die Inklusion und dürfen nicht weiter gekürzt werden. Kürzungen an der Stundentafel dürfen auf keinen Fall zu Arbeitsverdichtungen oder zusätzlichen Belastungen der Lehrkräfte oder Erzieher*innen führen.“
Weiterer Punkt: Die Senatsbildungsverwaltung müsse dringend eine familienbewusste Personalpolitik umsetzen. „Damit junge Eltern nach der Elternzeit nahtlos in die Beschäftigung zurückkehren können, brauchen sie einen Kita-Platz. Die Senatsbildungsverwaltung sollte deshalb für die Beschäftigten an Schulen Kooperationsverträge mit Kindertagesstätten abschließen“, betont die Gesamtfrauenvertreterin Elke Gabriel. Zudem müsse die Übernahme von Leitungsaufgaben auch für Teilzeitbeschäftigte über Jobsharing-Modelle ermöglicht werden. Der Koalitionsvertrag setze sich als Mindestziel die gleiche Teilhabe und Parität von Frauen in allen beruflichen Bereichen. In Bezug auf die konkrete Umsetzung fordert Gabriel: „Für Grundschulen und für die Förderzentren sind wie an den Oberschulen Funktionsstellen einzurichten, damit mehr Aufstiegschancen für Frauen ermöglicht werden.“
Auch beim Berufseinstieg sieht die GEW Handlungsbedarf. „Es kann nicht sein, dass neu eingestellte Lehrkräfte einen Nachteil haben, wenn sie nicht verbeamtet werden können oder wollen. Noch immer wirbt die Senatsbildungsverwaltung mit der Bezahlung nach Stufe 5 für voll ausgebildete angestellte Lehrkräfte, obwohl diese Zulage ab 2023 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht weitergeführt wird. Der Frust darüber ist vor allem bei Quereinsteiger*innen groß, die erst nach Ende 2022 ihre berufsbegleitende Ausbildung beenden. Wir brauchen einen fairen Ausgleich für angestellte Lehrkräfte!“ sagt Martina Regulin, neben Erdmann Vorsitzende der GEW Berlin.
“Zu prüfen ist, ob der Quereinstieg in den Berliner Schuldienst für weitere Studienfächer geöffnet wird“
In Bezug auf Einstellung, Entfristung und Weiterqualifizierung seien weitere Maßnahmen erforderlich. Regulin fasst die GEW-Forderungen folgendermaßen zusammen: „Alle als Lehrkräfte eingestellten Personen müssen zeitnah Angebote zur Weiterqualifikation mit dem Ziel der vollen Lehrbefähigung erhalten. Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung sind nach einem Jahr befristeter Beschäftigung und bei Vorliegen eines wissenschaftlichen Hochschulabschlusses unbefristet weiter zu beschäftigen. Die Aufnahme eines Studiums in den Quereinstiegs-Masterstudiengängen muss durch Anrechnungsstunden gefördert werden. Zu prüfen ist, ob der Quereinstieg in den Berliner Schuldienst für weitere Studienfächer geöffnet wird.“
Längerfristig müssen aus Sicht der GEW zusätzliche Ressourcen ins System. So müssten unter anderem Entlastungskontingente zum Ausgleich für die Wahrnehmung von unteilbaren Aufgaben für Teilzeitbeschäftigte geschaffen und tarifliche Regelungen zu Klassengrößen mit einem Stufenplan zur Reduzierung getroffen werden. News4teachers / mit Material der dpa
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