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Energiekrise: Umweltbundesamt rät, mobile Luftfilter in belüftbaren Klassenräumen auszuschalten

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BERLIN. Der Luftfilter-Skandal dreht eine neue Pirouette: Das Umweltbundesamt (UBA) ruft in der Energiekrise dazu auf, die Nutzung mobiler Luftfilter in Schulen auf «das Nötigste» zu beschränken – heißt: die Geräte in Klassenräumen, in denen sich Fenster öffnen lassen, auszuschalten. Dabei hatte Heinz-Jörn Moriske, Direktor im UBA noch im Juli 2021 eingeräumt, dass mobile Luftfilter «natürlich» gegen Corona-Viren helfen – woraufhin immerhin die vier Bundesländer Hamburg, Bremen, Berlin und Bayern nennenswerte Summen in die Geräte investierten. Jetzt bezeichnet Moriske mobile Luftfilter nur noch als «Add on», eine verzichtbare Zusatzmaßnahme also.

Luftfilter ausschalten (trotz dadurch erhöhter Infektionsgefahr) – rät das Umweltbundesamt (Symbolbild). Foto: Shutterstock

«Im Zuge der Energieeinspardiskussion ist zu beachten, dass mobile Luftreiniger beim Betreiben nicht unerhebliche Mengen an Strom verbrauchen und auch von daher der Einsatz auf hygienisch notwendige Situationen begrenzt bleiben sollte», sagt Moriske nun. Als «sinnvoll» bezeichnet er den Einsatz der Geräte lediglich in Klassenräumen, in denen Fenster nur gekippt werden können.

Eine mögliche Senkung der Raumtemperatur auf 19 Grad zu Energiesparzwecken dürfe nicht dazu führen, dass das für die Dauer der Corona-Pandemie vom Amt empfohlene Lüftungsverhalten geändert oder gar minimiert werde, meint der UBA-Direktor. «Ein vermehrter Einsatz mobiler Luftreiniger anstelle des Lüftens bei geringerer Raumtemperatur bietet keinen Ersatz, da Luftreiniger keine Schadstoffe inklusive Kohlendioxid aus dem Innenraum abführen und nicht zum Lüftungserfolg beitragen.»

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Dabei vermischt Moriske – um die Öffentlichkeit irrezuführen? – zwei Themen, nämlich die Ansteckungsgefahr durch möglicherweise virenbelastete Aerosole und die von Corona unabhängige CO2-Belastung verbrauchter Atemluft. Das Problem dabei: Die häufige Lüftung in der Pandemie hat während der vergangenen beiden Jahre im Herbst und Winter dazu geführt, dass Schüler und Lehrkräfte zumeist in unterkühlten Klassenräumen arbeiten mussten. Die aktuelle Wortmeldung ist eine weitere Pirouette in der sich immer wieder wandelnden Argumentation des UBA zu mobilen Luftfiltern in Schulen.

«Natürlich helfen mobile Luftfilter gegen Viren, wenn es sich um geprüfte Geräte handelt und sie richtig im Klassenraum aufgestellt sind»

Derzeit gilt: Das UBA rät dazu, alle zwanzig Minuten zu lüften – sowie in den Pausen durchzulüften. Wo sich Fenster weit öffnen lassen oder ein Luftaustausch durch fest installierte Raumluftanlagen gewährleistet ist, sind nach Ansicht des UBA mobile Luftreiniger nicht notwendig. Diese Meinung vertritt das UBA allerdings erst seit August 2021, als das Bundeswirtschaftsministerium ein entsprechendes Förderprogramm auflegte, das auf 200 Millionen Euro begrenzt war. Zuvor – im Juli 2021 – hatte Moriske noch erklärt: «Natürlich helfen mobile Luftfilter gegen Viren, wenn es sich um geprüfte Geräte handelt und sie richtig im Klassenraum aufgestellt sind», wie er in einem Interview mit dem «Handelsblatt» sagte.

Alle Klassenräume in Deutschland mit mobilen Luftfiltern auszustatten, hätte allerdings 1,5 Milliarden Euro gekostet. Weil das offenbar der Bundesregierung zu viel Geld war, musste eine Begründung her, warum deutlich weniger auch genug ist. Das Alibi für die Begrenzung der Fördersumme lieferte das UBA: Infrage kämen die Virenfilter nur für jene etwa 15 bis 25 Prozent der Klassen- und Kita-Räume, die nicht gut zu belüften seien, befand Moriske im August 2021 (ohne auf den Widerspruch zu seiner Erklärung nur einen Monat zuvor einzugehen).

Und siehe da: Plötzlich passten Finanzen und vermeintlicher Bedarf in etwa zusammen. Tatsächlich wurde das Förderprogramm des Bundes dann auf «Räume mit eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit» beschränkt – obwohl es absurderweise solche Räume in Schulen praktisch gar nicht geben darf (eben weil sich ohne zu öffnende Fenster die Atemluft nicht erneuern lässt). Die absehbare Folge: Das Programm des Bundes floppte; lediglich 20 Prozent der Fördersumme wurde von den Ländern abgerufen. Nach wie vor gibt es in den meisten Klassenräumen in Deutschland keine mobilen Luftfilter.

Warum das UBA dazu mal dies, mal das erzählt, lässt sich mit sich wandelnden wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht erklären

Als Moriske im Juli 2021 einräumte, dass mobile Luftfilter in Klassenräumen wirken, wies er die Darstellung zurück, das UBA habe monatelang vom Einsatz mobiler Luftfilter in Schulen abgeraten. Recherchen von News4teachers belegen allerdings, dass das UBA sehr wohl seit dem Sommer vergangenen Jahres vom Einsatz von Luftfiltern abgeraten hat – sehr zum Gefallen der meisten Kultusminister, die ihren Landesregierungen die Investition ersparen wollen. «Die IRK (gemeint ist die lnnenraumlufthygienekommission des UBA, d. Red.) hält den Einsatz von mobilen Luftreinigern in Klassenräumen (…) für nicht geeignet, da sie das aktive Lüften nicht ersetzen, sondern allenfalls in Einzelfällen flankieren können», so heißt es nämlich in einer Pressemitteilung des UBA mit Datum vom 13. August 2020.

Beantwortet wird damit eine Frage, die gar nicht gestellt worden war: Niemand wollte wissen, ob mobile Luftreiniger das Lüften ersetzen. Das können die Geräte logischerweise nicht, weil sie über keine Verbindung nach außen verfügen und deshalb keine Frischluft zuführen können. Interessant war (und ist) vielmehr, ob mobile Luftreiniger Corona-verseuchte Aerosole aus der Atemluft filtern können – und damit das Fensterlüften wirkungsvoll ergänzen.

Warum das UBA dazu mal dies, mal das erzählt, lässt sich mit sich wandelnden wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht erklären: Studien, die die Wirkung der Geräte belegen, existieren schon seit 2020 – wurden aber geflissentlich ignoriert. News4teachers / mit Material der dpa

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