Ifo-Institut: Ukrainische Kinder haben gute Chancen im deutschen Schulsystem – aber…

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Unter Verweis auf Daten aus der Pisa-Studie sieht das Ifo-Institut für Kinder aus der Ukraine relativ gute Chancen im deutschen Schulsystem – trotz erwartbar großer Schwierigkeiten bei der Integration. «Das Kompetenzniveau ukrainischer Schulkinder liegt zwar unter dem deutscher Kinder, aber deutlich über dem Niveau von Kindern aus EU-Ländern wie Rumänien und Bulgarien, aus denen bereits zahlreiche Kinder erfolgreich in das deutsche Schulsystem integriert wurden», erläuterte Ifo-Bildungsexperte Lukas Mergele am Mittwoch in München.

Das Foto zeigt laut Bilderdienst Shutterstock eine zerstörte Schule im ukrainischen Tschernihiv, offensichtlich einen Naturwissenschaftsraum. Foto: Shutterstock / drop of light

Eine Auswertung der Pisa-Studie, der internationalen Schulleistungsstudie der OECD, aus dem Jahr 2018 zeige, dass 18 Prozent der Schulkinder in der Ukraine hohe Kompetenzen im Lesen haben. In Deutschland sind es zwar 33 Prozent, doch in Rumänien und Bulgarien schneiden die Schülerinnen und Schüler mit 10 beziehungsweie 11 Prozent deutlich schwächer ab. Ein geringes Leseniveau haben den Angaben zufolge in der Ukraine ein Viertel, in Deutschland ein Fünftel der Kinder. In Rumänien hingegen seien es 41 Prozent, in Bulgarien mit 47 Prozent gar knapp die Hälfte aller Kinder. «In den Fächern Mathematik und Naturwissenschaften treten ähnliche Unterschiede auf», hieß es in der Mitteilung.

Heißt konkret: Im direkten Vergleich mit Deutschland weist die Ukraine laut Bericht in der Mathematik noch deutlichere Defizite auf als beim Lesen, da mehr Schulkinder nicht das Mindestniveau an Mathematikkompetenz zeigen. Mit 15,6 Prozent ist der Anteil ukrainischer Schülerinnen und Schler unter Niveau 1 mehr als doppelt so hoch wie der von 7,6 Prozent in Deutschland. Auch der Anteil der Kinder mit Niveau 1 ist mit 20,3 Prozent deutlich höher in der Ukraine als mit 13,5 Prozent in Deutschland.

Das deutsche Bildungssystem muss sich darauf einstellen, die hohe Zahl an geflüchteten Schulkindern längerfristig mit Bildung zu versorgen

Auf der anderen Seite stellen die Wissenschaflter fest, dass die Schulen in Deutschland nicht auf die Herausforderung eingestellt sind. «Akuter Lehrermangel in Deutschland ist auch aktuell die potenziell größte Hürde für die Bildungsintegration.» Fazit der Forscher: «Zusammenfassend ist zu betonen, dass die Ausgangslage für geflüchtete Schulkinder aus der Ukraine sehr schwierig ist.» Die Lernrückstände im Vergleich zu deutschen Schulkindern dürften sich durch Krieg und Flucht vermutlich noch verstärkt haben.

«Es bleibt offen, wie langfristig die Integrationsbestrebungen ausgerichtet sein sollten, aber die aktuelle Lage in der Ukraine und die bereits massive Zerstörung an Bildungseinrichtungen und Ressourcen lassen darauf schließen, dass eine schnelle Rückkehr in den ukrainischen Schulalltag unmöglich sein wird. Das bereits vor der Krise von Personalmangel belastete deutsche Bildungssystem muss sich also darauf einstellen, die hohe Zahl an geflüchteten Schulkindern längerfristig mit Bildung zu versorgen, und könnte deshalb die geflüchteten ukrainischen Lehrkräfte schnellstmöglich
einbinden», so heißt es.

«Die geflüchteten ukrainischen Schulkinder sollten schnellstmöglich mit Bildung versorgt werden, um weitere Lernlücken zu vermeiden, die durch den Krieg entstanden sind», forderte Mergele. Welche Maßnahmen sinnvoll sind, hängt der Studie zufolge davon ab, ob die Kinder kurz- oder langfristig in Deutschland bleiben. «Bleiben sie nur kurz, kann eine Teilnahme an ukrainischem Unterricht online und mit Unterstützung durch ukrainische Lehrkräfte gewährleistet werden. Bleiben sie länger, verbessern sich die Integrationschancen erheblich, wenn die Kinder Deutsch lernen.»

Es empfehle sich, Kinder im Alter bis zu etwa zwölf Jahren direkt in Regelklassen aufzunehmen, begleitet von sprachlichen und weiteren Unterstützungsmaßnahmen. Ältere Kinder können in zeitlich begrenzten Willkommensklassen Sprachgrundlagen aufbauen, um danach im Regelunterricht auch schwierigen Inhalten folgen zu können. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zum vollständigen Bericht des ifo-Instituts.

Die Zahl ukrainischer Schüler in Deutschland überschreitet die 150.000er Marke

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Neugierig
1 Jahr zuvor

Ich kann das so nicht bestätigen. Ich habe einen 9jährigen Ukrainer in Mathe unterrichtet und er war im Stoff bedeutend weiter als seine Altersgenossen in meiner Klasse. Da es ein Einzelfall sein kann möchte ich nicht widersprechen, jedoch darauf hinweisen, dass eine Pauschalisierung eventuell kontraproduktiv ist. Allerdings waren alle Kinder die unsere Schule aufgenommen hat enorm auffällig im Verhalten. Ob Kriegstraumata o.ä. hier gehört eine begleitende Traumatherapie her.

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Neugierig

Meine Schülerin hat zuerst den Anschein erweckt, es könne nichts, die Rechenverfahren saßen dann doch, aber das Kind hat gezählt und konnte das 1×1 nicht (4.Klasse). Auch bei uns sind einige Kinder auffällig.

Der Hinweis, es brauche zusätzliche Förderung, ist ein schöner Wunsch. Was möchte die Wirtschaft denn für die zusätzlich einzustellenden Kräfte ausgeben? Woher kommen sie, wenn nicht einmal genug Lehrkräfte für den Unterricht nach Pflichtstundentafel zur Verfügung stehen?

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Neugierig

Bei uns:

Erster Monat – Ukrainer kreuzbrav und froh, hier zu sein. Mathematik, NW überhaupt: Viele besser als unsere SuS.

Stand heute: Erste Klagen über „Gleichgültigkeit“ gg. manchen Lehrkräften, Unterrichtsbesuch eher Nebensache. „Unsere“ Problemkinder und Möchtegerngangster machen um ukrainische Kinder große Bögen. (Finde ich witzig)

Meine Erfahrungen:
1) Jenseits der Sprachbarriere für mich positiv. Aber man merkt eben auch: Die verstehen sehr schnell, wie es „hier“ läuft. War zu erwarten.

2) Einige Gespräche mit ukrainischen Lehrkräften: Sie sind überrascht und verstehen zum Teil nicht (ich zitiere nach Übersetzerapp) „warum Kinder in deutschen Schulen so respektlos sind“, „warum sollen Kinder mit schwerem Lernen (Lernschwierigkeiten) sich in deutschen Schulen anstrengen?“

3) UKR-Lehrkräfte : Sehr motiviert, hohe Forderungshaltung gg. SuS, sehr bemüht fachlich gut zu arbeiten, höflich, lernen unglaublich schnell Deutsch/Englisch.

DerDip
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

Interessante Beobachtungen. Daraus schließe ich, dass sowohl die Schüler als auch Lehrkräfte aus der Ukraine eine bessere Arbeitshaltung aufweisen (im Vergleich zu den Schülern und Lehrern bei uns).

Interessant wäre nun die Klärung der Frage, warum die Schüler bei Pisa in der Ukraine schlechter abschneiden als bei uns. Wird bei Pisa evtl etwas nicht richtig verglichen? Oder kommen zu uns evtl tendenziell die Ukrainer aus dem sozioökonomisch besser gestelltem Milieu? Das würde mich wirklich interessieren.

Stromdoktor
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerDip

In der Schule meiner Tochter (Gymnasium, 5 – 13. Klasse, 1.200 Schüler) wurde ein Aufnahmestopp verfügt. Grund: „problematisches Verhalten“ (O-Ton). Es geht da um eine niedrige zweistellige Anzahl ukrainischer Kinder.

Woher weiß ich das?

Eintrag im Protokoll der Elternratssitzung zum TOP: „Bericht des Schulleiters“. Verteilt via Mail über die Elternvertreter.

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Stromdoktor

Galt der Aufnahmestopp auch für syrische und afghanische Kinder?

Stromdoktor
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ist / war explizit eingegrenzt – falls Ihnen diese Information hilft.

Doppel A15
1 Jahr zuvor
Antwortet  Stromdoktor

Und die kommen damit durch? Das veranlassen ich dann bei uns auch.

Stromdoktor
1 Jahr zuvor
Antwortet  Doppel A15

Ich weiß weder, was dahintersteckt, noch kann ich sagen, ob eine solche Entscheidung dauerhaft Bestand haben kann.

Was ich weiß: Je größer der (politische) Einfluss und Widerstand der Eltern ist, desto wahrscheinlicher sind solche Entscheidungen (dauerhaft) durchsetzbar.

Insgesamt würde ich die Herausforderungen aufgrund der sehr geringen Schülerzahlen als zu bewältigen einschätzen – im Vergleich zu anderen Schulen und Schulformen.

Wie viele Kommentatoren allerdings schon zu Recht angemerkt haben…ich habe keine Ahnung von Schule…

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Stromdoktor

Zitat: Grund: „problematisches Verhalten“ (O-Ton).

Ich kann mir sehr genau vorstellen, was das ist und wie es entsteht. (Abseits von Traumatisierung usw.)

Polemische Übertreibung folgt:

Lassen Sie mich raten… es betrifft ganz besonders ukrainische Jungs in der Pubertät und Standartschüler aka „Markenartikel-Malte“ (Typus passive-aggressive Petze mit verbalem Großgetue gg. armen Kindern, aber nur im Tiktok dicke Arme, Mutter Karen ist im Elternbeirat“) sowie „Gangsta-*****“ (Typus: Macht auf krasse Unterschicht, „Deutschrapp“ und „Johnny ziehen“, läuft aber weg und weint, wenn Drohung mit „Brüdaz“ nichts nach sich zieht als eine „Respektschelle“ extra).

Kommt das so ungefähr hin?

Last edited 1 Jahr zuvor by 447
447
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerDip

Hmmh, PISA und Co., VERA, wie der ganze Quatsch auch heisst… ich bin da sehr, sehr skeptisch.

„Kompetenzen“ oder „Können, weil gelernt“ – kleiner, aber dann doch riesengroßer Unterschied.

Milieu – gute Frage, bei uns alles dabei, nach Autos der Eltern zu urteilen würde ich sagen, dass das ganze nicht so sehr von unserer Verteilung abweicht. Echte Oberschicht/Korruptos nur ein Kind.

Ich würde eher sagen es ist eine Frage der WERTEhaltung, mithin der nationalen Identität:
Wenn (in der Tendenz, wie üblich gibt es zu allem Ausnahmen) das Wertegerüst so aussieht:
„Bildung ist total wichtig und Lehrern gehorcht man, sonst kann ich im schlimmsten Fall später hungern oder mich wortwörtlich ins Grab arbeiten bei Minusgraden ohne Arbeitsschutz – das ganze hier ist ausserdem nur ne Chance, denn Korruption und faktisch kaum existierende staatliche Strukturen muss ich mit MEINEM Wissen, MEINEM Leistungsvermögen kompensieren! Und egal ob Mann oder Frau, ich muss meine zukünftigen Kinder ernähren können, sonst bin ich gesellschaftlicher Bodensatz und werde (echt) diskriminiert!“
… dann prägt diese Grundhaltung logischerweise auch die Kinder massiv.
Das ist m. M. n. nichts bewusstes, sondern eben einfach innere Haltung, Lebensgefühl. Und dann will man eben das wirklich wichtige Zeug können: Alles, was mit Maschinen und E-Technik zu tun hat, Mathe, MINT, Computer, NÜTZLICHE Fremdsprachen (Englisch, Spanisch), solche Dinge.

Das gleiche gilt für die sozialen Werte:
Man ist (aus Not wie auch Gewohnheit) stolz auf seine Identität, mucken (((deutsche))) Möchtegernmobber auf wird eben hingelangt, nix Blick senken oder so.

Familie steht hoch im Kurs, Ausbildung und Arbeit sind essentiell. Sofern übersetzbar wollen die Jungen, aber auch Mädchen genau wissen: Was verdient man? Was sind gute Berufe? Wo kann man selbstständig werden? Wie wird man Ingineur, Arzt, Lehrer, Programmierer in Deutschland? Was muss man dazu in der Schule erreichen? Kann man als Ukrainer Polizist, Soldat, Pilot werden? Welches Zeugnis braucht man dafür?

Bei den Lehrkräften genauso: Da sind 23jährige Frauen verheiratet, Studium BA fertig – wo gibt es Wohnungen, kann man Beamter werden, was braucht die Schule noch?
Wo bei uns noch rumgedatet wird oder „Lebenszweifel“ bestehen, da ziehen die mit 23, 25 usw. voll durch.

Interessanter Randaspekt: Ganz viele russische Kinder (und teils Russlanddeutsche) helfen den ukrainischen Kindern als Paten – bisher NULL Vorfälle, und wir haben viele Russen.

Interessanterweise ist also genau das, was man erwarten könnte (Schulhofkrieg RUS-Kinder vs. UKR-Kinder) nicht nur NICHT eingetreten, sondern das Gegenteil ist der Fall!
Warum das so ist… keine Ahnung!

Last edited 1 Jahr zuvor by 447
nurmalso
1 Jahr zuvor
Antwortet  Neugierig

Ich denke nicht, dass es ein Einzelfall ist. In Mathe sind die ukrainischen SuS unseren im Schnitt 2 Jahre voraus. Jedenfalls die ca. 20, die ich letztes Jahr im DaZ-Unterricht hatte (Klasse 5-10, Gesamtschule). Ausnahme waren Förder-SuS eines Kinderheims. Ebenso ganz weit vorne in Mathe eine bulgarische Schülerin, die erst in Klasse 8 kam.

Ron
1 Jahr zuvor
Antwortet  nurmalso

Den Vorsprung werden sie schnell einbüßen. Dafür wird der hiesige Unterricht schon sorgen.

Doppel A15
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Schön, dass ein LKW- Fahrer (erinnere ich mich recht?) so eine Expertise hat. Danke Ihnen!

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Ich glaube nicht – weil die Wurzeln des Vorsprungs nicht unbedingt im Unterricht liegen, siehe oben.

Roxanne
1 Jahr zuvor

Natürlich sind die Osteuropäer nur gut für harte Arbeit in Deutschland, und die Flüchtlinge sind alle prima! Aha! Die Zukunft wird aber es anders zeigen! Habt ihr vergessen, das die rumänische Schulsystem einer der beste in Europa war und dass auch heutzutage profitiert euch von unsere Informatikern, Ingineure, Bauer, Handwerker, Altersheims Pflege, Ärzte!!! SCHADE!
Also Sie können was mit eure PISA Studien machen, die sind absolut wertlos und Lügen!

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Roxanne

Welches rumänische Schulsystem meinen Sie? Spontan würde ich behaupten, dass das nur das vor dem Zusammenbruch des Ostblocks sein kann. Damals war das DDR-System auch besser als das der BRD. Aber nur unter der Voraussetzung, dass Sie den politischen Aspekt rausrechnen. Das dürfte in Rumänien genauso gegolten haben.

potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Dann könnte man doch einfach das DDR-Schulsystem wieder übernehmen, nur das politische weglassen und alles wäre wieder super.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

Kann man nicht machen, da man dann mehrere heilige Kühe der PC auf einmal schlachten würde… und zwar so, dass es jeder sieht. (Egal ob DDR- oder Alt-BRD-Schulsystem)

Gabriele
1 Jahr zuvor
Antwortet  447

ad „Alt-BRD-Schulsystem“:

Siehe mein Kommentar zu Einlassungen von Georg

Gabriele
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Lieber Georg,

wahrscheinlich sind Sie sich nicht bewusst, dass Sie den Sprachgebrauch der DDR (!) über unsere Bundesrepublik Deutschland verwenden: die (feindliche) „BRD“ war damals Klassenkampfbegriff!!

Es mag eine geschickte Abkürzung sein, doch nicht nur für mich ist diese Bezeichnung auch heute noch mit diesem historischen Kontext dermaßen aufgeladen, negativ besetzt, dass er mir niemals (!) über die Lippen kommen würde, wenn ich über unseren (!) Staat spreche.

Auch in Schülerarbeiten oder Klausuren habe ich diesen Sprachgebrauch nie geduldet, immer angestrichen, verbessert (+Randbemerkung).

Ebenso in einem Tafelbild, Tabelle o. Ä. in einer Lehrprobe oder in Hefteinträgen ein absolutes No-Go! Also „Verbot“ bzw. Tabu!

Trotz bzw. gerade wegen (!) der Wiedervereinigung verbietet sich Geschichtsvergessenheit!!!

Gegen unbedarfte, leichtfertige Nachlässigkeit oder gar tendenzielle Geschichtsklitterung!
Demokratisches Bewusstsein ist vielmehr angesagt!

Das sind wir all den damaligen FreiheitskämpferInnen in den neuen Bundesländern einfach schuldig!

Eingedenk all der mutigen BürgerInnen, die unter Lebensgefahr (!!) für die Freiheitsrechte und Demokratie auf die Straße gingen!