Modellprojekt: Außerschulische Unterstützung durch „Digital Streetwork“

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BAYERN. Beim Projekt „Digital Streetwork“ geht Bayern innovative Wege. Um jungen Menschen und ihren Lebenswelten besser gerecht zu werden, sind Streetworker:innen jetzt auch auf Gaming- und Social Media-Plattformen erreichbar. Die Anonymität der Online-Welt senkt die Hemmschwelle für Kontaktaufnahme und Gespräche. Außerdem funktioniert die digitale Kommunikation unkompliziert und ohne Termine. Ein Angebot, das von Beginn an stark nachgefragt wurde.

Ein Projekt mit Vorbildfunktion für andere Bundesländer: In Bayern unterstützen Streetworker*innen Jugendliche in schwierigen Situationen über digitale Medien. Foto: Shutterstock

Das Projekt startete während der Pandemie-Kontaktbeschränkungen im September 2021: Als sich öffentliche Orte und Straßen wieder leerten, verlagerte sich der Treffpunkt vieler
Jugendlicher noch stärker als bisher ins Netz. Eine Entwicklung, die der Bayerische Jugendring (BJR) mit seinem Beratungsangebot mitging: Das Konzept, junge Menschen von 14 bis 27 Jahren in digitalen Lebenswelten zu erreichen, ging von Anfang an auf.
Heute sind 14 Streetworker:innen u.a. auf Discord, Instagram, Twitch, WhatsApp, TikTok,
Reddit mit ihren persönlichen Profilen präsent. Da jeder persönliche Account ein Profilbild zeigt, ist sofort erkennbar, dass keine Behörde, sondern ein Mensch hinter dem Account steckt.

Zugleich haben Beratungssuchende die Möglichkeit, sich in Chats anonym und kostenlos
auszutauschen. Das gilt auch für den Onlinedienst Discord, der Gespräche in geschlossenen
digitalen Räumen ermöglicht. Bis heute ist es der meistgenutzte Kanal des Projekts. Ziel ist, eine vertrauliche Basis zur Kommunikation und Information zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört, dass die Streetworker:innen der Schweigepflicht unterliegen.

So funktioniert die Beratung

Der Erstkontakt erfolgt in der Regel von Seiten der Streetworker:innen. Sie sind präsent;
manchmal nur, um zu plaudern. Aber sie sprechen auch gezielt an, wenn etwas geäußert wird, das Beratungsbedarf signalisiert. Die Themen sind vielfältig: Oft geht es um die psychische Gesundheit, um Zukunftsängste, soziale Isolation, Fragen der Sexualität, um allgemeine Lebensbewältigung, auch um handfeste juristische Fragen. Vor allem die Corona-Maßnahmen mit Kontaktsperren und monatelangem Distanz-Unterricht an Schulen und Universitäten haben zu einem erhöhten Beratungsbedarf bei jungen Menschen geführt, die sich einsam und niedergeschlagen fühlen.

Die digitalen Unterstützer sind keine Fachberatung, begleiten online und telefonisch jedoch zu Stellen, die weiterhelfen können. Ihr Wissen über Unterstützungsangebote in der analogen Welt gehört ebenso zum Handwerkszeug, wie ihr persönliches Netzwerk. So können sie zum Beispiel bei Problemen, die juristische Fragen aufwerfen, an eine anonyme und kostenlose juristische Erstberatung durch eine Rechtsanwältin vermitteln.

Erste Erfolge in kurzer Zeit

Im Laufe des Projekts hat eine Vielzahl von Kontakten, Beratungsgesprächen und persönlichen Treffen stattgefunden. In den ersten drei Monaten des Jahres 2022 kamen rund 2.500 Erstkontakte zustande, von denen rund 1.000 Personen intensiver unterstützt und 250 in Einzelfallhilfe betreut wurden. Zudem konnten in 27 Kontakten Beratungssuchende schneller und effizienter als bisher zu Hilfseinrichtungen und jugendrelevanten Organisationen weitervermittelt werden. Durch Kooperationen mit Institutionen und sozialen Einrichtungen vor Ort wird das Beratungsangebot für junge Menschen permanent verbessert. Das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis begleitet das Projekt wissenschaftlich und berät die Digitalen Streetworker:innen zu allen medialen Themen und Fragestellungen.

BJR-Präsident Matthias Fack ist überzeugt, dass das Modellprojekt „einen Sprung in die
Zukunft“ darstellt: „Wer die Lebenswelten junger Menschen kennt und akzeptiert, muss mit
seinen Hilfsangeboten auch online präsent sein. In Zusammenarbeit mit den etablierten
Strukturen der analogen Welt trägt Digital Streetwork zu einer umfassenderen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei. Deshalb bin ich der Bayerischen Staatsregierung sehr dankbar, dass Jugendministerin Ulrike Scharf uns bei dieser Pionierarbeit von Anfang an finanziell und ideell unterstützt hat. Ich gehe davon aus, dass wir mit unserem Projekt eine zeitgemäße Ergänzung der klassischen Streetwork als aufsuchende Arbeit entwickeln, die in Zukunft aus der Jugendhilfe und Jugendarbeit nicht mehr wegzudenken sein wird.“

Unterstützung durch Bayerisches Jugendministerium

„Digital Streetwork“ ist ein Baustein des vom Ministerrat beschlossenen Konzepts zur außerschulischen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie und wird als Bestandteil des Bayerischen Aktionsplans Jugend durch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales für die Projektlaufzeit bis Ende 2022 mit bis zu 3,5 Mio. Euro gefördert. Nach einer Zwischenevaluation durch das Bayerische Jugendministerium wird entschieden, ob „Digital Streetwork“ auch in Zukunft weitergeführt wird. Bisher ist das Angebot in seinem umfassenden Ansatz deutschlandweit erstmalig und einzigartig.

Informationen zum Projekt unter www.digital-streetwork-bayern.de
Informationen zum Bayerischen Aktionsplan Jugend: www.bjr.de/aktionsplan-jugend

Dies ist eine Pressemdlung des Bayerische Jugendring K.d.ö.R.

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Alx
1 Jahr zuvor

„Da jeder persönliche Account ein Profilbild zeigt, ist sofort erkennbar, dass keine Behörde, sondern ein Mensch hinter dem Account steckt“

Nun ja, der Mensch steckt aber schon irgendwie in einer Behörde.
Also wird eher nur suggeriert, dass keine Behörde dahinter steckt.

Riesenzwerg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alx

🙂 🙂

Genau DAS wollte ich auch schreiben! 🙂

Generell finde ich – als nicht-digital-Fan – diesen Ansatz gut und vielversprechend. Hemmschwellen und formale Barrieren sind sehr gering.

Ich frage mich jedoch, wie es mit denen weiter geht, die nicht betreut werden (können). Knapp die Hälfte wurde nicht vermittel. Oder verstehe ich das falsch?

Unklar ist mir, nach welchen Kriterien die digital Streetworker Kontakt zu den Kids und Jugendlichen aufnehmen. Der Erstkontakt geht ja nach obegen Angaben nicht von den Kids aus.

Unklar ist mir auch, wie es sein kann, dass sich so viele Kids zurückmelden – trotz des Fotos, wo doch jede(r) inzwischen wissen sollte, dass das auch in ganz gefaked sein kann und durchaus von Kriminellen missbraucht werden kann.

Ist die Netz“Gläubigkeit“ und das Vertrauen so groß oder ist es die Not der Betroffenen, die so hoch ist, dass sie sich dann melden und letzlich vor einer Person, die sie mit Foto angeschrieben hat, „blank ziehen“?

Unklar ist mir irgendwie auch, wieso das 3,5 Mio kostet…. innerhalb eines sooo kurzen Zeitraums…. ?!

Die „Home“Streetworker sind keine Beratungsfachkräfte, sondern Vermitter:innen. Wird also die Folgeberatung bzw. -therapie bezahlt? Da müssen doch die Eltern ihr Einverständnis geben!

So gut die Idee ist – und so gut sie offenbar angenommen wird – bei mir bleibt ein diffuses Gefühl von Missbrauchsmöglichkeiten….

Alx
1 Jahr zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Ich habe deren Arbeit schon auf Reddit gesehen.
Die stellen sich dort als Streetworker vor und geben tatsächlich sinnvolle Tipps und nennen Anlaufstellen.
Prinzipiell eine gute Sache.

Jonas Lutz
1 Jahr zuvor
Antwortet  Alx

Hallo Alx, hallo Riesenzwerg,

ich koordiniere das Projekt Digital Streetwork und möchte gerne kurz auf die aufgeworfenen Fragen eingehen.

Die Streetworker:innen sind natürlich nicht nur über ihre Profilbilder verifizierbar, sondern auch über ihre Profilinhalte. Dort befinden sich Verlinkungen auf ihre Profilseiten von Projektwebsite wie auch der Websites der Anstellungsträger. Zusätzlich sind dort auch personenbezogene Kontaktinformationen, wie beispielsweise Telefonnummern oder E-Mail-Adressen hinterlegt, über die im Zweifelsfall eine Verifizierung ebenso möglich ist.

Wie in der Pressemitteilung dargestellt, ist die Themenbandbreite, mit der sich junge Menschen an die Streetworker:innen wenden, groß. Eine intensivere Unterstützung oder gar eine Weitervermittlung ist nicht immer notwendig. Die Streetworker:innen haben einen pädagogischen Berufshintergrund und können viele Fragestellungen, die an sie herangetragen werden, selbst beantworten. Eine Weitervermittlung findet nur in den Fällen statt, bei denen es für eine Beratung einer spezialisierten Fachstelle bedarf. Im Rahmen des Vermittlungsprozesses werden alle Vorschriften des SGB VIII eingehalten.

Ich hoffe ich konnte Ihre/Eure Fragestellungen beantworten und stehe für weitere Rückfragen zur Verfügung.

Viele Grüße,

Jonas Lutz

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Jonas Lutz

Und was geschieht mit Ihren Cookie-Daten, z.B. von dem im Artikel genannten Link Wissen Sie das überhaupt?

Jonas Lutz
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Hallo Carsten60,

danke für Ihren Kommentar. Könnten Sie ihre Frage noch einmal konkretisieren?

Viele Grüße,
Jonas Lutz