SAARLAND. Das Saarland will als erstes Bundesland in Deutschland die Schulbücher abschaffen und durch digitale Lernmedien ersetzen – und zwar bereits ab Januar, wie die Landeselternvertretung Gymnasien weiß. Sie schlägt angesichts des Stands im Digitalisierungsprozess Alarm: Es drohe ein Desaster. „In der Praxis funktioniert an den Schulen vieles schlecht bis gar nicht.“
„Grundsätzlich befürworten sie alle: Die Digitalisierung der Schulen. Doch es funzt nicht“ – meint die Landeselternvertretung (LEV) Gymnasien Saarland. „Niemand ist sauer, wenn beim Betreten von Neuland Fehler passieren. Diese Fehler dann aber zu verschweigen oder gar noch als Erfolg zu verkaufen, wie es die Bildungsministerin tut, ist schwer nachvollziehbar und erschüttert jede Bemühung der Elternseite um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.“
Mit Bildungsministerin gemeint ist die SPD-Politikerin Christine Streichert-Clivot. Sie hat angekündigt, dass „bis zum Schuljahr 2022/23“ im Saarland alle Schüler ab Klassenstufe 3 sowie alle Lehrkräfte mit Tablets und digitalen Bildungsmedien ausgestattet sein sollen. „Mit dem neuen System wollen wir Schritt für Schritt die bestehende Schulbuchausleihe ablösen. Der Einsatz digitaler Technik und digitaler Medien ist dabei kein Selbstzweck. Es geht darum, ein Mehr an eigenständigem und individualisiertem Lernen zu ermöglichen und unsere Kinder und Jugendlichen fit zu machen, damit sie sich sicher und selbstbestimmt in der digitalen Welt bewegen können”, erklärte Streichert-Clivot.bei der Vorstellung des Vorhabens im vergangenen Jahr.
„Festzustellen ist, dass der Digitalisierungsprozess dem anfänglich gesetzten Zeitplan im ‚Hybridjahr‘ gnadenlos hinterherhink”
„Eine wichtige Rolle spielt dabei die landeseigene Bildungscloud Online-Schule Saarland. Im neu eingerichteten ‚digitalen Schulbuchregal‘ stehen digitale, mit interaktiven und audiovisuellen Inhalten angereicherte Schulbücher für die Kernfächer zur Verfügung, die auch offline genutzt werden können“, so heißt es beim Bildungsministerium. Das hat Elternvertreter zu einem gemeinsamen Arbeitskreis „digitale Medienausleihe“ eingeladen, um die Einführung fachlich zu begleiten.
Die LEV Gymnasien ist beteiligt und meint nun: „Festzustellen ist, dass der Digitalisierungsprozess dem anfänglich gesetzten Zeitplan im ‚Hybridjahr‘ gnadenlos hinterherhinkt. Es gibt immer noch Schulen, bei denen weder die Tablets vollumfänglich vorhanden sind noch der Zugang ins Internet oder der Zugriff auf das digitale Bücherregal funktionieren.“ Ungeklärt sei ebenfalls, welche Kosten den Erziehungsberechtigten zukünftig entstehen und wie die Haftung bei Schaden an den Leihgeräten geregelt sein wird.
„Die Lehrerschulung sowie die Aushändigung von Lehrertablets liegen ebenfalls nicht im vormals genannten Zeitplan”
„Wir benennen immer wieder die Baustellen der digitalen Medienausleihe, sehen aber zum derzeitigen Entwicklungsstand, dass viele der Fragen und Probleme nicht gelöst sind“, sagt LEV-Vorsitzende Katja Oltmanns. „In der Praxis funktioniert an den Schulen vieles schlecht bis gar nicht. Die Lehrerschulung sowie die Aushändigung von Lehrertablets liegen ebenfalls nicht im vormals genannten Zeitplan.”
Dass jetzt im Januar 2023 Streichert-Clivot die Entscheidung fällen wolle, die Schulbücher endgültig abzuschaffen und Unterrichtsmaterialen nur noch über die Tablets zur Verfügung zu stellen, hält die Elternvertretung beim derzeitigen Projektfortschritt für fatal. Alle anwesenden Elternvertreter haben sich deutlich beim letzten Arbeitstreffen für eine Verlängerung der Hybrid- oder ‚Testphase‘ ausgesprochen. „Die Akzeptanz der digitalen Medienausleihe entsteht durch funktionierende Prozesse und einem erkennbaren Mehrwert beim Lernen und Lehren“, so Oltmanns. „Aufgrund von fehlenden Finanzen, Schnelligkeit vor Qualität zu stellen, wäre falsch. So droht die Digitalisierung der Schulen an die Wand gefahren zu werden.“ News4teachers
