DORTMUND. In Dortmund soll eine Realschule in eine Gesamtschule umgewandelt werden, weil die Nachfrage nach Gesamtschul-Plätzen das Angebot in der Stadt seit Jahren überschreitet. „Die Bildungsmissstände in manchen Ländern werden noch verschärft, indem man Realschulen zugunsten von Gemeinschaftsschulen auflöst. Der Vorwand, dadurch soziale Unterschiede auszugleichen, ist so hanebüchen wie arrogant“, sagt Waltraud Eder, selbst Realschul-Leiterin – und Bundesvorsitzende der Bundesinitiative Differenziertes Schulwesen.
Aus der Johann-Gutenberg-Realschule in Dortmund-Wellinghofen soll eine Gesamtschule werden: Wenn es nach den Plänen der Stadtverwaltung geht, soll die neue Schule im Schuljahr 2023/2024 ihren Betrieb aufnehmen. Zuvor muss allerdings noch der Stadtrat entscheiden. Auch die zuständige Bezirksregierung Arnsberg muss zustimmen.
Damit die neue Gesamtschule an den Start gehen kann, soll die bisherige Realschule in ihrer aktuellen Form zum Ende des Schuljahres im Juni des nächsten Jahres aufgelöst werden. Die Schüler und Schülerinnen dürfen natürlich bleiben, bis sie mit der Schule fertig seien, versichert die Verwaltung. Ihre Begründung für das Vorhaben: Gesamtschulen würden immer beliebter. In den letzten Jahren hätten jährlich rund 100 Kinder abgewiesen werden müssen, weil Plätze an Gesamtschulen fehlten.
Trotzdem regt sich Widerstand – und zwar grundsätzlicher Natur. Waltraud Eder, die auch Vorstandsmitglied des Deutschen Realschullehrerverbandes (VDR) ist, findet es nach eigenem Bekunden schier unerträglich, dass „hervorragende Realschulen geopfert werden, um Bildungsideologen freie Hand zu lassen“.
„Was in Bundesländern, in denen das Schulsystem mit differenzierten Schularten aufgelöst wurde, passiert ist, ist schier unerträglich”
Die Realschulen leisteten ausgezeichnete Arbeit. „Dass Eltern mit ihren Kindern an die Gemeinschaftsschulen strömen, liegt in Nordrhein-Westfalen in erster Linie an der Tatsache, dass viele Gemeinschaftsschulen ihre Türen zur Anmeldung früher öffnen dürfen als Schulen der reinen Schularten. Welche Möglichkeit einer guten Bildung hätten denn die Eltern sonst, als der Gleichmacherei zu folgen?“, möchte Eder wissen. Durch die Abschaffung von Schularten wären die Eltern noch mehr gezwungen, auf Einheitsschulsysteme auszuweichen, um überhaupt einen Schulplatz für ihr Kind zu sichern.
Welche Folgen diese Zusammenlegungen haben, könne man in anderen Bundesländern beobachten – und damit einen Verfall von Qualität, besonders in den Abschlüssen, vorhersagen. „Was in Bundesländern, in denen das Schulsystem mit differenzierten Schularten aufgelöst wurde, passiert ist, ist schier unerträglich. Ein Vergehen an den Kindern!“, meint die Vorsitzende des Interessenverbands.
Zudem kämen immer mehr Länder auf die vermeintlich gute Idee, die Lehrerausbildung zu vereinheitlichen, so wie Hamburg es gerade plant. Lehrkräfte, die ohne große Fachlichkeit und Sachwissen auf allen Niveaustufen unterrichten sollen, könnten höchstens als Lückenfüller an Schulen mit Lehrermangel arbeiten. Es brauche jedoch hoch qualifizierte und differenziert ausgebildete Lehrkräfte, so Eder. „Was wir brauchen, ist ein Bildungssystem, das wieder auf Leistung und Qualität setzen darf und dabei die Talente der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt und sie bestmöglich fördert und auch fordert!“, meint Waltraud Eder.
Was für sie zunächst mal bedeutet: die Johann-Gutenberg-Realschule als solche zu erhalten. News4teachers
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