Website-Icon News4teachers

Verantwortung den Eltern zurückgeben? Mütter wehren sich: „Schule ignoriert den gesellschaftlichen Wandel!“

Anzeige

DÜSSELDORF. Die Diskussion um den Leistungsabsturz der Schülerinnen und Schüler in Deutschland schlägt Wellen. Müssen Eltern wieder stärker in die Verantwortung für den Lernerfolg ihrer Kinder genommen werden – wie eine Lehrerin auf News4teachers forderte? (Hier geht’s hin). Der Gastkommentar hat viele Reaktionen hervorgerufen, darunter auch Widerspruch von Elternseite. Exemplarisch veröffentlichen wir hier noch einmal zwei Beiträge von Müttern, die auf wesentliche Aspekte hinweisen, die ihrer Meinung nach bislang in der Debatte untergegangen sind: den gesellschaftlichen Wandel – und die Corona-Krise.

Immer mehr Frauen sind erwerbstätig – hat die Schule zu wenig darauf reagiert? Illustration: Shutterstock

Eine Mutter schreibt:

„Als eine von den schrecklichen Eltern, die der Meinung sind, dass das die Schule richten muss, möchte ich nun auch meinen Senf dazu geben.

Anzeige

Unser Grundproblem ist, dass keine Schule definiert hat, was genau Elternaufgabe und was Aufgabe der Schule ist. Ich hatte meine beiden Mädels in der Grundschule in einer Freien Schule, weil ich mich nicht in der Lage sah, mich neben einem 70%-Job noch um Hausaufgabenhäuschen zu kümmern, insbesondere, weil meine beiden Mädels keinerlei Bock hatten, irgendwie mit Mama zu lernen. Meine Große hat außerdem eine Legasthenie und ihr totales Unverständnis und ihre grässlichen Fehler waren unerträglich. Ich weiß schon, warum ich KEIN Lehrer geworden bin.

“Eltern sind mit den traditionellen Aufgaben, die Schule seit jeher für den Erfolg verlangt hat, überfordert”

Ich verstehe, warum Lehrer, die dazu ausgebildet werden, Wissen zu vermitteln, damit überfordert sind, auch noch Coach, Organisator und Erzieher zu sein. Aber vielleicht sollte die Schule auch langsam begreifen, dass die Eltern damit überfordert sind, Vollzeit zu arbeiten, ein Homemade-Lunch jeden Morgen mitsamt Turnbeutel mitzugeben (schließlich kenne ich den Stundenplan auswendig), die Kinder dann mit einem Homemade-Mittagessen zu empfangen und sich dann auch noch mit ihnen hinzusetzen und Diktate zu üben. Meine Mutter hat das noch gemacht, aber sie war Hausfrau.

Es ist hier ein gesellschaftlicher Wandel eingetreten, den die Schule geflissentlich ignoriert hat. Entsprechend haben wir Lehrer, die nicht zu Erziehern ausgebildet wurden, die sich auch nicht in dieser Rolle sehen und auf der anderen Seite Eltern, die mit den traditionellen Aufgaben, die Schule seit jeher für den Erfolg verlangt hat, überfordert sind. Dazwischen stehen Schüler, die – wenn lernschwach – eben nicht Hauptschule und Lehre, sondern selbstverständlich Abitur machen sollen. Die das mit ausreichender Förderung vielleicht auch schaffen können, aber wer liefert diese Förderung? Und es setzt das ganze System auch noch unter Druck.

Ich habe stets gesagt, Schule bleibt in der Schule, was ich mir leisten konnte, weil wir stets Schulen gewählt haben, in denen es keine Hausaufgaben gab. Und ich denke, dass davon alle profitieren. Die Eltern, weil sie den Stress nicht auch noch haben. Und die Lehrer, weil sich Eltern viel weniger in ihre Arbeit einmischen, wenn sie nicht so intensiv involviert sind. Voraussetzung dafür ist aber zusätzliches Personal in Form von Kinderpflegern und Erziehern, die dafür sorgen, dass die Organisation stimmt. Und eine schulische Struktur, die klar und übersichtlich ist.“

Einordnung der Redaktion: Die Beschäftigungsquote in Deutschland ist in den vergangenen beiden Jahrzehnten deutlich angestiegen. Sie kletterte von 65 Prozent 2006 auf mittlerweile knapp 80 Prozent. „Besonders die Erwerbsbeteiligung von Frauen nahm in den vergangenen Jahren kontinuierlich zu“, so meldete Statista, das Statistische Bundesamt. 2007 lag sie noch bei 67 Prozent – mittlerweile bei 76 Prozent.

Parallel dazu stieg der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die im Ganztag betreut wurden. Mittlerweile (Stand: Schuljahr 2015/2016) besuchen rund 3,5 Millionen Kinder, das sind fast die Hälfte der Schüler in Deutschland (47,9 Prozent), eine Ganztagsschule – die meisten davon eine „offene Ganztagsgrundschule“. Im Schuljahr 2002/2003 waren es lediglich nicht mal zehn Prozent der Schüler (9,8 Prozent) gewesen.

Allerdings lässt die Ganztagsbetreuung vielerorts zu wünschen übrig, wie die neue KMK-Präsidentin, Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) unlängst feststellte. Sie möchte die Qualitätsverbesserung des Ganztags zu einem der Schwerpunkte ihrer KMK-Präsidentschaft machen (News4teachers berichtete).

Eine weitere Mutter schreibt:

„Liebe Lehrerin, ich bin es leid, so etwas zu lesen. Haben wir die Pandemie schon wieder vergessen, bevor sie vorbei ist?

Ich habe vier Kinder. Zwei sind bereits Schulkinder. Mein Sohn war in der vierten Klasse der Grundschule, als die Pandemie über uns hereinbrach. Seine Lehrerin hat sich weggeduckt und wurde bis zum Ende des Schuljahres nur noch zwei Mal auf dem Fahrrad gesehen, um Hausaufgaben zu verteilen. Wir Eltern forderten Videokonferenzen, damit die Schüler*innen nicht den Kontakt zueinander verlieren und Fragen zu den Hausaufgaben stellen konnten. Das hat sie abgelehnt. Sie hatte Angst davor gefilmt zu werden. Das Video könnte ja auf Youtube hochgeladen werden.

“Wie können Sie erwarten, dass die Kinder nach der langen Zeit der Pandemie plötzlich wieder voll funktionsfähig in den Klassen sitzen?”

Nun ist es aber so, dass von den Kindern erwartet wird, dass diese nach der Pandemie zu ihrer alten Leistung zurückfinden, ohne Ihnen bei der Bewältigung der Ergebnisse Unterstützung zukommen zu lassen? (…)

Da möchte ich gern von der Lehrerin wissen, warum Kinder kein Recht auf (seelische) Heilung haben? Wie können Sie erwarten, dass die Kinder wieder voll funktionsfähig in den Klassen sitzen? Sie machen es sich zu einfach, Ihre Verantwortung an die Eltern abzuschieben. Die Kommunikation zwischen Schulen und Elternhäusern hat während der Pandemie kaum stattgefunden. Jedenfalls in unserem Landkreis nicht. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf hätten theoretisch einen Anspruch auf eine Stunde Unterricht in der Schule gehabt. Dies wurde den Betroffenen von den Schulen jedoch nicht angeboten. (…) Noch nie hat die deutsche Schulbildung so versagt wie in der Pandemie!“ News4teachers

Leserposts

News4teachers ist mit im Schnitt mehr als einer Million Lesern monatlich Deutschlands größtes Nachrichtenmagazin für die Bildung – und es versteht sich auch als Diskussionsmedium. Wir freuen uns über jeden Leserbeitrag, der dazu beiträgt, unterschiedliche Perspektiven zu den Themen unserer Beiträge darzustellen.

Für die Veröffentlichung gelten ein paar Regeln, die sich im Grundsatz nicht von denen unterscheiden, die im normalen menschlichen Miteinander gelten – hier sind sie nachzulesen. Besonders interessante Posts  – wie den oben stehenden – veröffentlichen wir dann gerne auch als Gastbeitrag im redaktionellen Teil von News4teachers. Jeder und jede, der oder die sich für die Bildung engagiert, ist herzlich eingeladen, sich (auch anoynm) an den Debatten zu beteiligen. Jeder Beitrag auf News4teachers ist frei zur Diskussion. Natürlich auch dieser.

„Endlich wieder Verantwortung an die Eltern abgeben“ – was eine Lehrerin im Streit um die Grundschulen meint

Von wegen faul: Wie viel ein Lehrer wirklich arbeitet (wenn’s gut läuft) – ein News4teachers-Leserkommentar

Krankenwelle in Kitas und Schulen: „Und die K…- Pfützen der kleinen Fiebermäuse dürfen wir am Ende auch noch aufwischen“

Anzeige
Die mobile Version verlassen