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Zahl der Sitzenbleiber steigt drastisch an (vor allem in einem Bundesland)

WIESBADEN. Nach veränderten Versetzungsregelungen im ersten Schuljahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie haben im Schuljahr 2021/2022 wieder deutlich mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland eine Klassenstufe wiederholt. Insgesamt betraf dies 155.800 Schülerinnen und Schüler, die entweder freiwillig wiederholten oder im Schuljahr zuvor nicht versetzt worden waren. Das waren 62.700 oder 67 Prozent mehr als im Schuljahr 2020/2021, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Ein Bundesland ragt heraus.

Sitzenbleiben – sinnvolle pädagogische Maßnahme oder teurer Unfug? Foto: Shutterstock

Damit stieg die Quote der Wiederholerinnen und Wiederholer bundesweit von 1,4 Prozent im Schuljahr 2020/2021 auf 2,4 Prozent im vergangenen Schuljahr. Der Anteil war auch etwas höher als im Schuljahr 2019/2020 (Quote: 2,3 Prozent), als die coronabedingten Versetzungsregeln noch nicht zum Tragen gekommen waren. Seinerzeit waren 12.200 Schülerinne und Schüler (8 %) weniger als im vergangenen Schuljahr nicht versetzt worden.

Aufgrund von Unterrichtsausfällen, Wechsel- und Distanzunterricht wurden im Zuge der Pandemie in vielen Bundesländern besondere Regeln in Hinblick auf die Versetzung eingeführt. So wurde die Versetzung vielfach nicht mehr an die schulischen Leistungen geknüpft.

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Die Mehrzahl der Sitzenbleiber ist männlich – und: Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind enorm

Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen (58 Prozent), die im Schuljahr 2021/2022 die Klassenstufe wiederholten, waren männlich. Entsprechend fällt auch die Quote der Wiederholerinnen und Wiederholer je nach Geschlecht unterschiedlich aus: Zuletzt waren 2,8 Prozent der männlichen Schüler Wiederholer, bei den Schülerinnen betrug der Anteil 2,1 Prozent.

In 15 der 16 Bundesländer nahm der Anteil der Wiederholerinnen und Wiederholer an der Schülerschaft im Vergleich zum Schuljahr 2020/2021 zu. Einzige Ausnahme war Bremen, wo die Quote von 1,7 Prozent auf 1,5 Prozent zurückging. Am höchsten war der Anteil der Wiederholerinnen und Wiederholer mit 5 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern – 5.800 Kinder und Jugendliche wiederholten hier die Klasse. Am niedrigsten war die Quote in Berlin mit 1,2 Prozent (3.700 Wiederholerinnen und Wiederholer). Die Versetzung wird in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt.

In Mecklenburg-Vorpommern fiel der Zuwachs an Sitzenbleibern auch im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit besonders deutlich aus. Im Schuljahr 2019/2020 hatte Bayern mit einer Quote von 3,8 Prozent noch vor Mecklenburg-Vorpommern (3,1) gelegen.

Nach Angaben von Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) waren im Schuljahr 2020/2021 in Absprache mit dem «Bündnis für Gute Schule» alle Versetzungsbestimmungen außer Kraft gesetzt worden. «Das war natürlich richtig, weil keiner Schülerin und keinem Schüler durch die Auswirkungen der Pandemie und die langwierigen Schulschließungen unverschuldet ein Nachteil entstehen sollte», betonte die Ministerin.

«Folgerichtig können die Kinder und Jugendlichen, die die Leistungen nicht erbringen, nicht versetzt werden»

Allerdings hätten damit auch Schüler, die schon vor der Pandemie Schwierigkeit hatten, das Klassenziel erreicht, die sonst nicht versetzt worden wären. Bei diesen Kindern und Jugendlichen hätten sich die bestehenden Defizite nun häufig noch verstärkt, weil sie dem Leistungsniveau in der höheren Jahrgangsstufe nicht entsprechen konnten. Die Ausnahmeregelungen würden nun aber nicht mehr gelten. «Folgerichtig können die Kinder und Jugendlichen, die die Leistungen nicht erbringen, nicht versetzt werden», argumentierte Oldenburg. Sie müssten in der bisherigen Klassenstufe so gefördert werden, dass sie das Klassenziel erreichen.

Die Opposition im Schweriner Landtag nahm die jetzt veröffentlichten Daten zum Anlass, die Bildungspolitik von Rot-Rot erneut zu kritisieren. «Mecklenburg-Vorpommern verharrt nicht mehr nur im Stillstand, inzwischen geht es abwärts», konstatierte der CDU-Abgeordnete Torsten Renz. Er warf Oldenburg vor, die bedenklichen Entwicklungen auszublenden und unzureichend zu reagieren. «Die Bildungsministerin sollte jetzt endlich die rosarote Brille abnehmen», mahnte er. News4teachers / mit Material der dpa

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