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KMK verabschiedet ein Papier gegen den Lehrermangel, das mehr Fragen aufwirft als Antworten liefert

BERLIN. Der Lehrermangel wächst sich in Deutschlands Schulen aus, ohne dass ein Ende absehbar wäre. Die Kultusministerkonferenz hat dazu nun eine gemeinsame Erklärung verabschiedet. „Die Bundesländer sind sich der großen Herausforderung sehr bewusst und werden künftig in zunehmendem Maße konzertiert handeln“, sagt dazu die amtierende KMK-Präsidentin, Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD). „Dabei müssen wir auch offen sein für neue Wege.“ Die GEW und der VBE können in dem Papier keine konkreten Lösungen erkennen.

Und jetzt? Foto: Shutterstock

„Der aktuelle akute Lehrkräftebedarf ist Teil eines derzeit den Arbeitsmarkt in Deutschland insgesamt betreffenden Fachkräftemangels und hat vor allem demografische Ursachen”, behauptet die KMK in ihrer gemeinsamen Erklärung – und ignoriert damit Kritiker, die den Kultusministern vorwerfen, jahrelang zu wenige Lehrkräfte für den absehbaren Bedarf eingestellt zu haben (News4teachers berichtete).

Weiter heißt es: „Nicht erst seit der Stellungnahme der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz ist deutlich geworden, dass dieses Problem die Rahmenbedingungen von Schule in allen Bundesländern noch die nächsten Jahre prägen wird.” In der Stellungnahme hatten Bildungsforscher unter anderem angeregt, Klassen zu vergrößern, Hybrid-Unterricht einzuführen und die Teilzeitmöglichkeiten für Lehrkräfte einzuschränken. Darauf geht das Papier nicht ein – außer: Man wolle die Vorschläge prüfen.

Der Lehrermangel als Herausforderung für die Kultusminister? Die sprechen lieber von einer „gesamtgesellschaftlichen Aufgabe”. Diese könne „grundsätzlich nur solidarisch und in Kooperation zwischen den Ländern bewältigt werden. Die Länder bekräftigen daher ihre bisherige enge Zusammenarbeit”, so heißt es – ungeachtet der Tatsache, dass Bayern bereits angekündigt hat, Lehrkräfte aus anderen Bundesländern abwerben zu wollen (News4teachers berichtete). Der Streit darüber ist keineswegs beigelegt.

Insgeamt zwölf Punkte (siehe unten) hat die KMK verabredet – dabei allerdings nichts Konkretes. Die Attraktivität des Lehrerberufs soll zum Beispiel erhöht werden. Wie, das bleibt offen. Die Lehramtsstudiengänge sollen weiter „bedarfsbezogen” entwickelt werden. Was bedeutet das? Keine Angabe. „Die Länder qualifizieren die sog. Quer- oder Seiteneinsteiger/-innen angemessen” – welche Standards gelten denn dabei? Das wird ebenfalls nicht erläutert.

„An vielen Schulen brennt es lichterloh: Unterricht fällt aus, Kinder haben Lernlücken, Lehrkräfte arbeiten seit Jahren am Limit – und oft darüber hinaus“

Die vereinbarten Maßnahmen können aus Sicht der GEW nur ein Anfang sein. „Im Wesentlichen hat sich die KMK auf Prüfaufträge verständigt”, meint die GEW-Vorsitzende Maike Finnern. „Diese reichen nicht aus, um schnelle Lösungen zu finden. Es ist ein erster, längst überfälliger Schritt, dass die KMK gemeinsam agiert. Viele weitere müssen folgen“, erklärt sie – und betont: „An vielen Schulen brennt es lichterloh: Unterricht fällt aus, Kinder haben Lernlücken, Lehrkräfte arbeiten seit Jahren am Limit – und oft darüber hinaus. Der gravierende Fachkräftemangel kann nicht von den Beschäftigten aufgefangen werden, es braucht ein Maßnahmenbündel zur Unterstützung der Schulen und aller Beteiligten.“

Auch der VBE sieht den Katalog kritisch. „Gute Ideen und wohlfeile Versprechen haben wir in der Vergangenheit schon oft gehört. Entscheidend ist, dass die verantwortlichen Stellen schnellstmöglich ins Handeln kommen“, sagt der Bundesvorsitzende Gerhard Brand. Insbesondere mit Blick auf die Entlastung des pädagogischen Personals von Organisations- und Verwaltungsaufgaben, beispielsweise durch den Einsatz multiprofessioneller Teams, bleibe die Vereinbarung vage.

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„Darüber hinaus warnen wir in diesem Zusammenhang mit Nachdruck: Eine solche Entlastung darf niemals zum Anlass genommen werden, um die Deputate der Kolleginnen und Kollegen hoch zusetzten! Entlastungen bringen niemandem etwas, wenn damit durch die Hintertür neue Belastungen gerechtfertigt werden!“

Zur Frage nach der Absenkung des Ausbildungsniveaus, um mehr Menschen schneller ins Lehramt zu bringen, ergänzt Brand: „Wir bleiben dabei: Grundlegende Voraussetzung für eine Lehrtätigkeit ist ein Hochschulabschluss auf Masterniveau. Den Lehramtsbachelor, wie er bereits in Brandenburg in der Ausbildungspraxis angekommen ist, lehnen wir vehement ab.“ News4teachers

Im Wortlaut

Die KMK hat als „Reaktion auf den Lehrkräftebedarf” folgende Maßnahmen vereinbart:

1. Die Länder setzen sich dafür ein, die Attraktivität und die Wertschätzung des Lehrberufs in der Gesellschaft zu erhöhen.

2. Die Länder halten ausreichende Kapazitäten an den lehrkräftebildenden Hochschulen und für den Vorbereitungsdienst vor, die dem Bedarf im jeweiligen Land entsprechen und bekräftigen in diesem Zusammenhang noch einmal ihr in Artikel 37 der Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen niedergelegtes Prinzip, wonach es dem jeweiligen Land obliegt, für eine ausreichende Zahl von Lehrkräften für die eigene Unterrichtsversorgung zu sorgen.

3. Die Länder entwickeln gemeinsam mit ihren Hochschulen bedarfsbezogen die Lehramtsstudiengänge weiter.

4. Die Länder fordern den Bund auf, im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung in der GWK die Verhandlungen zur Weiterführung der Qualitätsoffensive Lehrerbildung aufzunehmen.

5. Die Länder streben eine weitere Vereinheitlichung der gemeinsamen Parameter für die Prognostik und Modellrechnung zur Ermittlung des Lehrkräftebedarfs und -angebots an.

6. Die Länder gewinnen durch Verbesserungen von Möglichkeiten beim Studiengangwechsel von einem fachwissenschaftlichen bzw. künstlerischen Studiengang in die Lehramtsstudiengänge und mit Sondermaßnahmen sog. Quer- oder Seiteneinsteiger/-innen aus anderen Studiengängen bzw. mit anderen Studienabschlüssen für den Einstieg in den Lehrberuf.

Die Länder prüfen die Möglichkeiten, die bestehende Öffnung für den Lehramtstyp 5 (Sek II Lehramt für die beruflichen Schulen) bundesweit temporär auf die allgemeinbildenden Lehrämter zu erweitern. Diese Öffnung ermöglicht es Studierenden, nach einem Einfach-Bachelorstudiengang eines Bedarfsfaches in den Master of Education einzutreten und fehlende Inhalte vollumfänglich nachzuholen. In diesem Zusammenhang ist auch die Möglichkeit der Öffnung für duale Studiengänge zu prüfen.

7. Die Länder qualifizieren die sog. Quer- oder Seiteneinsteiger/-innen angemessen. Ziel ist deren Einsatzfähigkeit als vollwertige Lehrkräfte. Zur Sicherung der Vergleichbarkeit der Grundqualifikation sowie der längerfristigen Mobilität auch dieses Personenkreises sind die Zusatzqualifikationen so auszugestalten, dass nach Möglichkeit die Qualifikation von anderen Ländern bei einem Landeswechsel anerkannt wird. Für die Qualifizierung werden die Länder daher gemeinsame Standards erarbeiten, die über die vorhandenen Vereinbarungen hinausgehen und diese, dort wo erforderlich, anpassen. Die Länder streben eine stärkere Öffnung der Hochschulen für die berufsbegleitende Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteigern an.

8. Über die bereits umgesetzten Verfahrensoptimierungen hinaus prüfen die Länder die Möglichkeit der (ggf. auch temporären) Beschäftigung von Lehrkräften mit nur einem Unterrichtsfach, die in anderen Staaten bereits üblich ist.

9. Die Länder prüfen Möglichkeiten, das Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Abschlüsse zu verbessern sowie internationale Bewerberinnen und Bewerber mit im Ausland erworbenen Abschlüssen schneller für den Schuldienst zu qualifizieren.

10. Die Länder werden insbesondere die Empfehlungen der SWK prüfen, die sich darauf konzentrieren, das Potenzial qualifizierter Lehrkräfte auszuschöpfen.

11. Die Länder setzen die Bemühungen zur Entlastung der Lehrkräfte von Organisations- und Verwaltungsaufgaben fort.

12. Die Länder danken der SWK für die zeitnahe Vorlage von Empfehlungen zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel. Sie sehen dem Gutachten der SWK mit weiteren Vorschlägen insbesondere im Bereich der Lehramtsstudiengänge entgegen und greifen die davon ausgehenden Impulse für die weiteren Diskussionen auf. Nach Vorliegen des Gutachtens wird die Wirksamkeit der hier verabredeten Maßnahmen und eine eventuell notwendige höhere Verbindlichkeit geprüft.

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