Pädagogische Qualität unter der Lupe: Montessori-Anerkennung erstmals vergeben

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REGENSBURG. Nicht überall, wo Montessori draufsteht, ist auch Montessori drin. Eine neue Qualitätsoffensive des Montessori Bundesverbands Deutschland für Schulen und Kitas will das jetzt ändern. Unlängst erhielten zwei Einrichtungen  erstmals die sogenannte QR-Anerkennung für eine hohe Qualität der Montessori-Pädagogik, die auf den offiziellen Standards des Verbandes fußt. Wir haben mit beiden Leiterinnen über den Montessori Qualitätsrahmen und das Besondere an ihren Kinderhäusern gesprochen.

Freut sich über die Anerkennung: Sarah Dewolf, Leiterin des Montessori Kinderhauses Orangerie in Regensburg. Foto: privat

Montessori Kinderhäuser unterscheiden sich grundlegend von anderen Kitas. Es gibt keinen morgendlichen Stuhlkreis oder andere festgelegte Angebote. Statt mit Puppen oder Spielzeug beschäftigen sich die Kinder mit Entwicklungsmaterialien, die die italienische Reformpädagogin Maria Montessori vor etwa einhundert Jahren entwickelt hat. „Diese Materialien sind besonders für die junge Hand geeignet“, erläutert Sarah Dewolf, Leiterin des Montessori Kinderhauses Orangerie in Regensburg. „Sie fördern die Kinder in ihrer Selbstständigkeit. Mit Hilfe dieser Enwicklungsmaterialien können bereits Kinder im Alter von 3-6 Jahren in den Bereichen Mathematik, Sprache oder Welterkundung tätig sein. Kinder lieben zum Beispiel große Zahlen und rechnen mit Hilfe des Materials, welches sie ,begreifen‘ lässt, in allen Grundrechenarten.“

Überhaupt sei ein hohes Maß an kindlicher Selbstständigkeit eines der Ziele in der Montessori-Pädagogik. Das Motto: „Hilf mir, es selbst zu tun“. Deshalb helfen die Kinder in der Orangerie bei den alltäglichen Dingen wie der Zubereitung von Frühstück ganz selbstverständlich mit oder beteiligen sich beim Ernten der selbst angebauten Pflanzen im Garten, so die Pädagogin weiter. „Wir trauen unseren Kindern sehr viel zu und zeigen Demut gegenüber ihren Entwicklungsprozessen“, betont auch Martina Hetznegger, Leiterin des Regensburger Montessori Kinderhauses Landshuter Straße. „Wir möchten, dass sie möglichst viel selbst ausprobieren.“

Beobachtung als wichtiges Element der Pädagogik

Die Erzieher*innen sehen sich als Begleiter*innen der Kinder, die sie in ihrer Entwicklung beobachten und bei Bedarf unterstützen. „Alle Erzieher*innen in der Orangerie haben das nationale oder internationale Montessori-Diplom“, erläutert Sarah Dewolf. „Das Beobachten der Kinder in ihrem alltäglichen Tun ist ein zentraler Bestandteil dieser Pädagogik. Somit sitzen wir nicht nur da und schauen den Kindern zu, sondern bringen auch gleich unser Fachwissen mit ein und machen uns Gedanken darüber, was der nächste Schritt in der Entwicklung des Kindes sein könnte.“

„Wir möchten, dass sie möglichst viel selbst probieren“: Martina Hetznegger, Leiterin des Regensburger Montessori Kinderhauses Landshuter Straße: Foto: privat

Im Montessori Kinderhaus findet zunächst viel in Einzelarbeit statt. Entsprechend der Entwicklungsbedürfnisse des Kindes wandelt sich die Einzelarbeit dann allmählich in Kleingruppenaktivitäten. „Wir nehmen die Kinder so an, wie sie sind. Nicht alle Kinder müssen zur gleichen Zeit das Gleiche machen“, erklärt Martina Hetznegger. „Jedes Kind entscheidet selbst, was es gerade braucht, und wir bieten dem Kind je nach seiner sensiblen Phase das entsprechende Montessori-Material an. Unter sensiblen Phasen versteht man ein bestimmtes Zeitfenster, in dem die Kinder sehr empfänglich sind und mit einer Leichtigkeit bestimmte Dinge lernen.“

Entwicklungsarbeit für herausragende Qualität

Der Name Montessori ist in Deutschland allerdings nicht geschützt. Somit kann theoretisch jede Einrichtung den Begriff „Montessori-Pädagogik“ nutzen. Dem möchte der Montessori Bundesverband Deutschland mit klaren, bundesweit geltenden Leitlinien, entgegenwirken. Seit 2022 gibt es daher einen Qualitätsrahmen, an dem sich Montessori-Kitas und -Schulen orientieren können, sowie ein Anerkennungsverfahren, um sich offiziell als Montessori-Einrichtung zertifizieren zu lassen. Mit der sogenannten Montessori Qualitätsmarke werden die Einrichtungen am Ende dieses Verfahrens für die gute Umsetzung der Montessori-Prinzipien ausgezeichnet. Sie verpflichten sich darüber hinaus freiwillig, die im Qualitätsrahmen festgelegten Standards einzuhalten, beziehungsweise sie schrittweise im Sinne der Einrichtungsentwicklung umzusetzen.

„Wir in Regensburg wollen zeigen, dass bei uns wirklich Montessori drinsteckt“, sagt Sarah Dewolf. „Unsere Pädagog*innen sind alle entsprechend ausgebildet und unsere Vorbereitete Umgebung mit den Entwicklungsmaterialien entspricht den Vorgaben aus dem Montessori Curriculum. Wir setzen die Prinzipien der Montessori-Pädagogik zu 100 Prozent um. Deshalb war es uns ein Anliegen, die Montessori Qualitätsmarke zu erhalten. Das ist auch ein wichtiges Signal für die Eltern, die Öffentlichkeit und die Fachwelt, dass bei uns in Regensburg in den beiden Kinderhäusern Montessori-Pädagogik tatsächlich gelebt wird.“

Welche Aspekte werden begutachtet?

Beide Montessori Kinderhäuser haben das Verfahren zur QR-Anerkennung als eine Art Reflektion für ihre eigene Arbeitsweise genutzt. Anhand eines Fragebogens wurde ermittelt, wie der Tagesablauf in der Montessori-Einrichtung aussieht und wie die Erzieher*innen verschiedenste Situationen mit den Kindern meistern. Auch die Gestaltung der Vorbereiteten Umgebung wurde auf den Prüfstand gestellt. Ein Kriterium bei der Begutachtung ist beispielsweise, ob das Entwicklungsmaterial angemessen für die Entwicklungsbedürfnisse der Kinder ausgewählt und bereitgestellt wurde. Die Elternarbeit spielte ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie nimmt in der Arbeit der beiden Kinderhäuser einen zentralen Stellenwert ein, da sich die Eltern mit zehn Arbeitsstunden im Jahr aktiv am Kinderhausleben beteiligen. Die Beobachtung der Kinder und die dazugehörige Dokumentation waren ein weiterer Aspekt bei der Begutachtung der pädagogischen Qualität. Es standen also einige Themen auf der Agenda der Teams in den beiden Regensburger Kinderhäusern. Sarah Dewolf und Martina Hetznegger standen die ganze Zeit des Prozesses über im Austausch miteinander und freuen sich nun über das Resultat dieser wertvollen Entwicklungsarbeit.

„Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir in Regensburg nun zu den ersten Einrichtungen bundesweit gehören, die den Montessori Qualitätsrahmen erfüllen. Das spiegelt unsere Arbeit in vollem Umfang wieder. Es ist sozusagen der Lohn für unser Engagement“, sind sich die beiden Kinderhaus-Leitungen einig.

Wie geht es nach der QR-Anerkennung weiter?

Sarah Dewolf und Martina Hetznegger möchten gern Multiplikator*innen für die Montessori-Pädagogik sein und mit gutem Beispiel vorangehen. Gerne würden die beiden noch mehrere Montessori Kinderhäuser in Regensburg aufbauen. Auch die Vernetzung unter den Montessori-Pädagog*innen sei wichtig, betonen sie. Und je mehr Montessori-Einrichtungen das Audit der QR-Anerkennung durchlaufen haben, desto mehr Möglichkeiten gebe es für Montessori-Pädagog*innen in der Ausbildung, in einer zertifizierten Einrichtung zu hospitieren.

„In einem Montessori Kinderhaus gibt es nie Stillstand“, sagt Martina Hetznegger. „Es gibt immer Dinge, die man weiterentwickeln oder verändern kann. Das kann sowohl in der pädagogischen Arbeit als auch in der Aus- und Fortbildung des Personals sein. Das Verfahren zur QR-Anerkennung bietet eine gute Möglichkeit, zu prüfen, wo wir momentan stehen und wo wir zukünftig hin möchten. In der Landshuter Straße haben wir gerade dieses Jahr unser Schutzkonzept überarbeitet. Für die nächsten Jahre haben wir kleinere Ziele, wie zum Beispiel unser Beobachtungssystem zu überarbeiten. Also es gibt immer wieder neue Aufgaben und Herausforderungen zu meistern.“

„Wir können andere Einrichtungen nur ermutigen, sich ebenfalls auf den Weg zu machen, das Audit zur QR-Anerkennung zu durchlaufen und sich zertifizieren zu lassen“, fügt Sarah Dewolf hinzu. „Unsere Erfahrungen teilen wir gerne und unterstützen die Kolleg*innen auch im Verfahren.“

Dies ist eine Pressemitteilung von Montessori Deutschland.

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