DÜSSELDORF. In der fünften Folge von „Schulschwatz! Der News4teachers-Bildungstalk“ sprechen News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek und Professorin Ines Oldenburg von der Universität Oldenburg mit einem besonderen Gast: dem Lehramtsstudenten Christian Herold. In seinem Studiengang (Grundschul-Lehramt) ist er ein Exot: als einer von ganz wenigen Männern unter Frauen. Andrej Priboschek und Ines Oldenburg möchten herausfinden, was ihn dazu bewogen hat, Grundschullehrer zu werden – und stoßen dabei auf eine Vita, die nicht für die Berufswahl zu prädestinieren scheint.
„Ich komme aus einem Männerberuf“, berichtet Christian Herold. „Ich war 14 Jahre lang Soldat bei der Bundeswehr. Im Umgang mit meinen Geschwistern und Neffen, die jetzt alle im Grundschulalter sind, habe ich schon früh meine Leidenschaft fürs Unterrichten entdeckt. Mir machen das Zusammensein mit Grundschulkindern und die Vermittlung von Inhalten Freude und deshalb habe ich mich bewusst für den Lehrerberuf entschieden.“ Es spielte für ihn keine Rolle, dass er als Mann im Studiengang Grundschullehramt eine Besonderheit sein würde. Das fiel ihm ohnehin erst in der zweiten Studienwoche auf: als er im Seminar für Sachunterricht saß und feststellte, dass sich unter 80 Studierenden nur drei Männer befanden.
Nicht nur im Studium sind die Männer eine Rarität. Christian Herold erlebt das auch im schulischen Alltag. An der Grundschule, an der er zur Zeit ein Praktikum absolviert, gibt es nur zwei männliche Lehrkräfte. Im Klassenzimmer bemerkt man mitunter schon einen Unterschied, ob die Lehrkraft männlich oder weiblich ist – meint Herold. „Mir sagen Kolleginnen, dass es in ihrer Klasse viel ruhiger ist, wenn dort ein Mann unterrichtet“, berichtet er schmunzelnd.
„Die Vielfalt der Geschlechter sollte sich nicht nur im Klassenzimmer, sondern auch im Lehrerkollegium widerspiegeln“
In der Vergangenheit sah das Geschlechterverhältnis kaum anders aus. Ines Oldenburg berichtet, dass es in ihren Referendariatszeiten vor über 25 Jahren nur einen männlichen Kollegen gab. Als sie einige Jahre später selbst Leiterin einer Grundschule war, gab es dort vorübergehend einen Lehrer, aber eben nur vorübergehend. Das Kollegium war ansonsten weiblich. „Wenn es einen Mann an einer Grundschule gab, dann war er meistens Schulleiter“, sagt Ines Oldenburg. „Er hat dann vielleicht einige Stunden Werkunterricht gegeben, war aber am Unterrichtsgeschehen sonst kaum beteiligt.“ Leider zeichne sich hier keine Trendwende ab.
Woran könnte das liegen, fragt News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek. Die Antwort von Christian Herold ist eine Vermutung: Vielleicht liegt es am Gehalt, da man als Grundschullehrkraft über A12 bislang nicht hinauskam. An anderen Schulformen verdiente man mehr und die Aufstiegschancen waren größer. „Für mich hat das Gehalt bei meiner Entscheidung keine Rolle gespielt“, erläutert Christian Herold. „Ich habe in meinem Beruf bei der Bundeswehr schon in der Erwachsenenbildung gearbeitet und dabei habe ich gemerkt, wie viel Freude mir das Unterrichten bereitet.“
„Unsere Kinder sind viel zu sehr von Frauen umgeben, da in den meisten Fällen die Mutter in der Erziehung die entscheidende Rolle spielt”
Statistisch wird immer deutlicher, dass Mädchen in der Schule erfolgreicher sind: Sie sind im Abitur überrepräsentiert, unter Förderschüler*innen und Schulabbrecher*innen unterrepräsentiert. Ist es eine mögliche Ursache, dass Jungen im Lehrpersonal weniger männliche Vorbilder haben? Ines Oldenburg ist sich da nicht so sicher und warnt vor einer Pauschalisierung. Für das sozial-emotionale Verhalten mache es aber schon einen Unterschied, ob Jungen von weiblichen oder männlichen Lehrkräften unterrichtet werden, betont sie. „Die Vielfalt der Geschlechter sollte sich nicht nur im Klassenzimmer, sondern auch im Lehrerkollegium widerspiegeln“, ergänzt die Professorin. „Diese Vielfalt ist auch für die Mädchen sehr wichtig. Unsere Kinder sind viel zu sehr von Frauen umgeben, da in den meisten Fällen die Mutter in der Erziehung die entscheidende Rolle spielt. Ich begrüße jeden Mann, der sich ins Erziehungs- und Lerngeschehen einmischt.“
Ines Oldenburg ist überzeugt davon, dass mehr Männer an Deutschlands Schulen unterrichten sollten. Auch aus eigenem Interesse: Die Schule sei ein Ort der Begegnung, an dem man mit Menschen zu tun hat und ein unmittelbares Feedback für seine Arbeit erhält. Diese Tätigkeit ist vor allem eines: sinnstiftend. „Dem stimme ich voll und ganz zu“, pflichtet Christian Herold bei. „Gerade an der Grundschule erhält man von den Schülerinnen und Schülern ein offenes und ehrliches Feedback. Die Kinder wollen mitmachen, wenn der Unterricht gut ist und sie taktieren noch nicht wie vielleicht in den höheren Sekundarstufen, um der Lehrkraft zu gefallen.“
Die Bildungsmisere in Deutschland dämpfe keineswegs die Begeisterung der Lehramtsstudierenden für ihren zukünftigen Job, meint Ines Oldenburg. Dennoch müsse es Ihrer Meinung nach einige Reformen im Studiengang geben. Die Praxisferne des Studiums werde vielfach bemängelt. Außerdem muss es Ines Oldenburgs Ansicht zufolge im Lehramtsstudium Grundschule mehr sonderpädagogische Anteile mit einer Verpflichtung zur inklusiven Unterrichtsgestaltung geben. Auch mehr pädagogisch-psychologische Elemente sollten im Studium verankert werden. „Den angehenden Lehrkräften müssen konkrete Werkzeuge an die Hand gegeben werden, wie sie lesen, schreiben und rechnen vermitteln können“, erklärt Ines Oldenburg. „Natürlich ist die Wissenschaftlichkeit im Rahmen eines Studiums wichtig und das wissenschaftliche Denken müssen die Studierenden erlernen. Dennoch wäre eine stärkere Verzahnung von theoretischen und praktischen Anteilen im Lehramtsstudium begrüßenswert.“
Eine gute Idee wäre hier eventuell, das Lehramtsstudium als dualen Ausbildungsgang anzubieten. Dies würde auch Christian Herold befürworten, da er glaubt, dass dies zusätzliche Anreize für junge Leute schaffen würde, Lehrer zu werden und ihr Studium in der Regelzeit zu absolvieren, da die Notwendigkeit eines Nebenjobs entfallen würde. Auch Christian Herold bemängelt, dass im Studium oft der Praxisbezug fehlt. „Ich kann nicht jede Unterrichtsstunde minutiös vorbereiten, so wie ich es im Studium lerne. Wenn ich spontan Vertretungsunterricht halten muss, weil ein Kollege kurzfristig erkrankt ist, muss ich wissen, wie ich in der Kürze der Zeit eine sinnvolle Unterrichtsstunde vorbereiten kann.“
Ines Oldenburg fügt hinzu, dass die Dozent*innen an den Universitäten unbedingt eigene Erfahrungen im Schulunterricht gesammelt haben sollten. „Nur wer selbst einmal als Lehrkraft an einer Schule gearbeitet hat, kann den Studierenden das nötige Rüstzeug für den Schulalltag vermitteln.“ Das gilt aber für alle: Männer wie Frauen. Nina Odenius, Agentur für Bildungsjournalismus
Weitere Folgen:
Den Podcast finden Sie auch auf

