Schülerin in Edenkoben entführt und missbraucht: Das ist bisher bekannt

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EDENKOBEN. Er war erst zwei Monate aus dem Gefängnis draußen. In Edenkoben soll ein polizeibekannter Sexualstraftäter eine Zehnjährige mutmaßlich entführt und missbraucht haben. Wie konnte es dazu kommen?

Der mutamaßliche Tatort wird derzeit von der Polizei untersucht. (Symbolbild). Foto: Shutterstock

Es klingt wie ein wahrgewordener Alptraum: Ein zehnjähriges Mädchen wird auf dem Weg zur Schule in Edenkoben entführt und mutmaßlich missbraucht. Der Tatverdächtige: ein bekannter Sexualstraftäter. Auch einige Tage danach ist das Entsetzen groß. Am Donnerstagnachmittag informierten Polizei und Staatsanwaltschaft in einer Pressekonferenz über den neuesten Ermittlungsstand. Was bisher über den Fall bekannt ist.

Was genau ist am Montag in Edenkoben passiert?

Nach ersten Ermittlungen soll der 61-jährige Mann am Montagmorgen ein zehnjähriges Mädchen auf dem Schulweg in seinem Auto entführt und sie missbraucht haben. Die Schülerin wurde etwas mehr als eine Stunde später als vermisst gemeldet, die Polizei leitete daraufhin Suchmaßnahmen ein.

Rund zwei Stunden nach der mutmaßlichen Entführung konnten die Beamten den Mann nach einer Verfolgungsfahrt mit mehreren Unfällen stellen. Laut Polizei vergingen von der Vermisstenmeldung bis zum Auffinden des Autos etwa 30 Minuten. Das Mädchen soll auf dem Rücksitz des Autos gewesen sein. Der 61-Jährige räumte laut Polizei ein, «sich des Mädchens bemächtigt» zu haben. Er sitzt nun wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Untersuchungshaft.

Was ist über die Vorgeschichte des Tatverdächtigen bekannt?

Nach Angaben der Polizei und der Staatsanwaltschaft hat der Mann bereits in der Vergangenheit Sexualstraftaten begangen. Der Mann sei schon dreimal wegen Sexualdelikten verurteilt worden, sagte Hubert Ströber, Leitender Oberstaatsanwalt von der Staatsanwaltschaft Frankenthal am Donnerstag. Die letzte der Taten habe der Mann 2008 begangen. Dabei sei es nach ersten Erkenntnissen um Vorwürfe des sexuellen Kindesmissbrauchs gegangen.

Der 61-Jährige war schließlich am 14. Juli dieses Jahres aus dem Gefängnis freigekommen, wo er zuletzt wegen Verstößen gegen Weisungen seiner sogenannten Führungsaufsicht gesessen hatte. Nach seiner Entlassung wurde er erneut unter Führungsaufsicht gestellt. Diese ist laut Staatsanwaltschaft «ein Instrument, um eine gewisse Überwachung und Kontrolle der verurteilten Person zu gewährleisten». Aufgrund seiner Vorgeschichte und früherer psychologischer Gutachten habe sich die Gefahr einer erneuten Straffälligkeit ergeben.

Welche Maßnahmen haben die Behörden nach der Entlassung ergriffen?

Bereits vor der Entlassung des 61-Jährigen berieten die Behörden im April über den Fall. Hier sei ein Kontakt- und Aufenthaltsverbot beantragt worden. Außerdem habe es eine sogenannte Gefährderansprache gegeben. Bei der Polizei Neustadt wurde für Hinweise eine Ermittlungsgruppe und ein Hinweistelefon eingerichtet. Außerdem seien «intensive Kontrollmaßnahmen» durchgeführt worden, hieß es. «Deutlich über die richterliche Weisung hinaus nahmen Polizeikräfte dazu unangekündigt und engmaschig, zum Teil täglich, Kontakt zu ihm auf, um auf die Einhaltung der Auflagen der Führungsaufsicht hinzuwirken.»

Andreas Sarter von der Polizei Rheinpfalz listete am Donnerstag in Ludwigshafen mehr als 25 Kontaktaufnahmen seit der Haftentlassung des Mannes Mitte Juli auf. Er sei auch immer wieder mit verdeckten Maßnahmen überwacht worden. Eine konkrete Gefahrenlage sei nicht erkennbar gewesen.

Der Mann soll seit seiner Entlassung in drei Fällen gegen diese Weisungen verstoßen haben. Daher erhob die Staatsanwaltschaft nach eigener Aussage am 8. September – drei Tage vor der mutmaßlichen Tat – Anklage gegen den 61-Jährigen und beantragte Haftbefehl wegen Flucht- und Verdunklungsgefahr. Polizei und Staatsanwaltschaft teilten mit, sie hätten die «zur Verfügung stehenden und taktisch sinnvollen Möglichkeiten ausgeschöpft».

Welche Maßnahmen wurden nicht umgesetzt?

Die Staatsanwaltschaft beantragte eine elektronische Fußfessel, die aber erst nach einigem juristischem Hin und Her genehmigt wurde. Allerdings habe der 61-Jährige sich geweigert, diese anzulegen. «Das Anlegen unter Zwang ist rechtlich nicht möglich und konnte daher bislang nicht erfolgen», hieß es. Laut Auskunft des Justizministeriums in Mainz droht eine Geld- oder Haftstrafe von bis zu drei Jahren, wenn man sich gegen eine Maßnahme der Führungsaufsicht widersetzt. Dies sei auch der Grund der aktuellen Anklage gewesen.

Doch der beantragte Haftbefehl wurde noch nicht bearbeitet. Beim Amtsgericht Neustadt war bis Mittwochabend noch keine Akte von der Staatsanwaltschaft Frankenthal eingetroffen, die eine Anklageschrift mit Haftbefehl gegen den Tatverdächtigen von Edenkoben enthält. Vor dem Akteneingang sei keine Bearbeitung möglich.

Warum wurde die Öffentlichkeit nicht informiert?

Es sei sorgfältig geprüft worden, ob Schulbehörden und Öffentlichkeit über die Entlassung des Mannes informiert werden sollten, hieß es. Dies sei nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich. «Diese waren in diesem Fall leider nicht gegeben», teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Die Stadt Edenkoben und der Landesverband Reale Bildung hatten kritisiert, dass sie nicht über den Mann informiert worden waren. Auch die Freien Wähler im Land hatten diese Entscheidung kritisiert.

Nach Einschätzung des Kriminologie-Experten Martin Rettenberger sind solche öffentlichen Registrierungen – wie sie etwa in einigen Staaten der USA üblich sind – eher kontraproduktiv für die Sicherheitslage. Dabei werde Angst geschürt und der Druck auf entlassene Personen erhöht, sagte der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden. «Wenn man aber den Druck auf diese Personengruppe immer weiter erhöht, kann das Rückfallrisiko sogar ansteigen.»

Hätte die Tat verhindert werden können?

Generell seien die Rückfallraten bei Sexualstraftätern vergleichsweise niedrig und in den vergangenen Jahren gesunken, sagte Rettenberger. «Das hängt damit zusammen, dass die Strafverfolgungsbehörden, die Polizei, die Justiz und das Gesundheitssystem viel Arbeit und Ressourcen in diese Gruppe investiert hat», erklärt er. «Aber es gibt kein Präventionssystem, das jeden Rückfall verhindern kann.»

Durch eine Sicherungsverwahrung allerdings hätte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Frankenthal der Missbrauch der Zehnjährigen in Edenkoben verhindert werden können. Das sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber am Donnerstag.

Wie geht es weiter?

In der Politik wird auch in den kommenden Tagen weiter über den Fall diskutiert. Der Innenausschuss und der Rechtsausschuss des rheinland-pfälzischen Landtags werden sich an diesem Freitag in einer gemeinsamen Sondersitzung damit befassen. Die Betroffenen in Edenkoben wird der Fall wohl auch darüber hinaus noch länger beschäftigen. Von Mona Wenisch, dpa

Entführung eines Mädchens auf dem Schulweg: Lehrerverband fordert Konsequenzen

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TaMu
7 Monate zuvor

In solchen Fällen kann sich ein Straftäter weigern, eine elektronische Fußfessel anzulegen? Ich wusste nicht, dass die Fußfessel freiwillig getragen werden darf. Wie wäre es mit einer wahlweisen Haftverlängerung ODER mit elektronischer Fußfessel draußen? Ich komme da immer auf so logische Konsequenzen… aber natürlich darf ich nicht von mir auf die Justizbehörden schließen…
Schade nur, dass der 61jährige so zart gepudert wurde und über das Mädchen und seine Familie niemand auch nur ein tröstliches Wort schreiben kann, weil es das nicht gibt.