Psychische Erkrankungen möglicher Hauptgrund für Schulverweigerung bei Kindern und Jugendlichen

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DRESDEN. Laut Psychologen sind psychische Auffälligkeiten in starkem Maße für möglicherweise steigende Schulverweigererzahlen in Sachsen mitverantwortlich. Genaue Daten gibt es allerdings nicht.

Psychische Erkrankungen sind offensichtlich nicht selten Grund für die Schulverweigerung von Jungen und Mädchen. «Wir haben den Eindruck, dass psychische Auffälligkeiten in starkem Maße für Schulverweigerung mitverantwortlich sind», sagte die Vorsitzende des Berufsverbandes der Schulpsychologen Sachsens, Sabine Randow. Es gebe allerdings keine Daten, die das zuverlässig belegen.

Die Corona-Pandemie bei vielen Mädchen und Jungen zu psychischen Problemen geführt (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Jedoch gibt es Erkenntnisse darüber, dass die Corona-Pandemie bei vielen Mädchen und Jungen zu psychischen Problemen geführt hat. «Die Zahl der jungen Patienten, die wegen Depressionen, Angst- und Schwindelzuständen bis hin zu körperlichen Beschwerden und Schmerzen zu uns kommen, ist nach der Pandemie deutlich gestiegen», sagte Oberarzt Andreas Lachnit von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Städtischen Klinikum Dresden. Diese seien oft schon monatelang nicht mehr zur Schule gegangen. «Ihnen ist damit praktisch der Lebensmittelpunkt verloren gegangen.»

«Wir sind immer voll belegt», sagte Lachnit, der die Pädiatrische Psychosomatik am Dresdner Klinikum leitet. Es gebe Wartezeiten von mehreren Monaten. «Die Behandlung ist aufwendig und dauert mehrere Monate.» Deshalb durchliefen jährlich nur etwa 60 Patienten die Station.

Auch am Klinikum Chemnitz hat laut Kliniksprecherin Sandra Czabania die Zahl der hilfesuchenden Kinder und Jugendlichen seit der Corona-Pandemie zugenommen. «Unsere Therapieplätze sind immer belegt und es gibt eine Warteliste. Neben der Suizidalität ist die Schulverweigerung aktuell einer unserer Haupteinweisungsdiagnosen.» Diese Kinder hätten oft ängstliche und depressive Symptome, die durch die Schwierigkeiten der Coronazeit verstärkt worden seien. Diese führten zu Entwicklungsabbrüchen, die wiederum Ängste und Depressionen verstärkten.

Nach Angaben des Kultusministeriums hat es in Sachsen zuletzt mehr Verfahren wegen Schulverweigerung gegeben. Die Zahl der Schüler, die nicht zur Schule gehen, ließe sich jedoch nicht genau beziffern, weil auf manche Schüler mehrere Verfahren kommen könnten.

Die Bußgeldstelle in Dresden hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 529 Bußgeldbescheide an Schüler versendet, die aufgrund von Fehlstunden oder Fehltagen gegen die Schulpflicht verstoßen haben. Die Summe der Bußgelder lag bei 123 100 Euro. Hinzu kamen Verfahren gegen die Sorgeberechtigten der Schüler. In Sachsen sind Bußgelder von bis zu 1250 Euro für Schulverweigerung möglich. (dpa)

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7 Kommentare
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TaMu
6 Monate zuvor

Werden die Kinder auch auf Fatigue untersucht? Die meisten hatten völlig ungeschützt einmal oder mehrfach Corona. Die Symptome sind nicht einfach von einer Depression abzugrenzen und natürlich „verweigern“ Menschen mit Fatigue Leistung, sie sind tatsächlich nicht mehr zu normaler Leistung fähig, auch nicht mehr zur Teilnahme an stundenlangem Unterricht. Die Symptome sind unter anderem Erschöpfung, Schwäche, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten. Bei Kindern und Jugendlichen wird immer noch viel zu selten auf die körperlichen und mentalen Folgen der Viruserkrankung geachtet, dabei war schon früh klar, dass mit Spätfolgen gerechnet werden muss. Es ist grausam, diese Kinder und Jugendlichen dann noch als Schulverweigerer darzustellen und entsprechend falsch zu behandeln.

Dil Uhlenspiegel
6 Monate zuvor
Antwortet  TaMu

Das ist auch meine Frage hierbei. Die Verläufe bei jungen Menschen wurden ja recht hartnäckig als mild oder jedenfalls viel milder als bei älteren bezeichnet und das wieder und wieder: „asymptomatisch, wenig symptomatisch, weniger infektiös“ usw. usw. … geradezu mantraartig lief es auf gesellschaftlichem Replay und wurde dann doch im Laufe der Zeit zunehmend relativiert durch mehr und mehr kritische, lange Fälle. Und heute?

TaMu
6 Monate zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Genau, Dil. Kinder werden überhaupt selten wirklich gesehen. Viel zu oft werden sie stattdessen instrumentalisiert, zum Beispiel um Schulen während einer Pandemie offen zu halten und den Eltern die Erwerbstätigkeit zur ermöglichen. Wenn Kinder gesehen würden, müsste viel mehr für sie gesorgt und getan werden, zum Teil auch für Erwachsene Kontraproduktives. Bei Fatigue zum Beispiel wäre Betreuung außer Haus nicht mehr einfach möglich, schon gar nicht im Ganztag mit vielen wechselnden Bezugspersonen. Es ist eine schwerwiegende körperliche Erkrankung und braucht Ruhe und aus der Ruhe heraus gezielte Förderung, die unterbrochen werden muss, sobald die Erschöpfung eintritt. Werden Menschen bei Fatigue überfordert, tritt dadurch vermutlich Depression und suizidales Verhalten auf. Wer möchte das schon hören…

Dil Uhlenspiegel
6 Monate zuvor

Schulen sind ruhig, frisch, weit, offen, hell, sauber, mit viel Platz und Rückzugsmöglichkeiten, modern, entspannt und entspannend, angenehm herausfordernd für Körper und Geist, ein verlässlicher, sozialer Raum des Zusammenkommens, der gegenseitigen Achtung und Fairness zwischen allen, mit höchstem Ansehen und Wertschätzung seitens der Gesellschaft, riechen gut und sind sicher.

Also werden Corona und psychische Erkrankungen mögliche Hauptgründe für Schulverweigerung sein.

Unverzagte
6 Monate zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

! Bingo, Dil Uhlenspiegel

vhh
6 Monate zuvor

„Wir haben den Eindruck, … Es gebe allerdings keine Daten, die das zuverlässig belegen.“
Na dann..!
Die Anzahl der Behandlungen steigt übrigens seit Jahren https://www.l-iz.de/leben/gesundheit/2021/07/barmer-auswertung-fuer-sachsen-bis-2019-immer-mehr-jugendliche-in-psychotherapeutischer-behandlung-400022 aber wenn das Gefühl ‚Corona‘ sagt…

Lisa
6 Monate zuvor

Ich finde Bußgeldbescheide da gar nicht zielführend, ich würde den Teufel tun und mein depressives Kind in den Raubtierkäfig, der Schule teilweise ist, prügeln. Was würde da ein Erwachsener sagen? In diesem Fall würde alles “ Menschenrechte“ schreien. Gebt den Kindern die Chance, so lange sie auf einen Therapieplatz warten oder auch in Therapie sind, an Online Unterricht teilzunehmen, damit sie im Stoff nicht allzusehr angehängt werden.
Diese Entwicklung wirft aber auch ein interessantes Licht auf Inklusive Beschulung um jeden Preis – die einen wollen unbedingt rein, die anderen raus.