Website-Icon News4teachers

80 Jahre “Feuerzangenbowle” mit Heinz Rühmann: Nazi-Pädagogik, lustig verbrämt

BERLIN. Mitten im Krieg sollte die Pennälerkomödie «Die Feuerzangenbowle», die an Heiligabend wieder in der ARD läuft, die Leute amüsieren. Nun wird der scheinbar unpolitische Klassiker mit Heinz Rühmann 80.

Die Feuerzangenbowle ≣ 1944 ≣ Trailer

Deutscher Humor aus dem letzten Jahrhundert. Ort: Klassenzimmer. «Sie heißen?», «Johann Pfeiffer!», «Mit einem F oder mit zwei?», «Mit drei, Herr Professor!», «Mit drei F?»; viele wissen bei diesem Dialog gleich, woher er stammt: natürlich aus der «Feuerzangenbowle», dem vielleicht bekanntesten deutschen Kultfilm. Vor bald 80 Jahren kam das Werk ins Kino, an Heiligabend läuft es wieder im Fernsehen (24.12., 21.45 Uhr im Ersten).

Vor allem Ältere wissen, wie es an der Stelle mit den drei «F» weitergeht. Heinz Rühmann alias Gymnasiast Hans Pfeiffer sagt: «Eins vor dem Ei, zwei hinter dem Ei!» Und Erich Ponto als Lehrer Professor Crey (genannt «Schnauz») sagt knapp: «Sie sind etwas albern.»

Anzeige

Kult in Ost und West

Der wohl berühmteste Rühmann-Film erlangte im Nachkriegsdeutschland Kultstatus. Wie kaum ein anderer deutscher Film prägte er sich nachhaltig ins kollektive Gedächtnis. Viele Millionen in Ost und West sahen ihn wieder und wieder bei den Wiederholungen im TV. An deutschen Unis gab und gibt es Vorführungen in der Vorweihnachtszeit.

Ganz so unpolitisch wie der Film erscheint, ist er Historikern zufolge nicht. Braune Ideologie ist in der Schulkomödie aber eher versteckt, etwa wenn der schneidige Lehrer Dr. Brett Schülerinnen und Schüler mit Bäumen vergleicht («Junge Bäume, die wachsen wollen, muss man anbinden, dass sie schön gerade wachsen – nicht nach allen Seiten ausschlagen. Und genau so ist das mit den jungen Menschen: Disziplin muss das Band sein, das sie bindet, zu schönem, geraden Wachstum») oder wenn es im Unterricht rassenideologisch um die Völkerwanderung geht.

Bei Dr. Brett wird im Unterricht militärisch stramm gestanden und es herrscht Disziplin. «Ich pflege meine Klasse vor die Wahl zu stellen: Krieg oder Frieden. Die Klasse hat sich für Frieden entschieden, sie fährt ganz gut dabei.» Unterwerfung durch Kriegsdrohung wird launig als erfolgreiche Pädagogik präsentiert. Der Unterricht: Vortrag und Wiedergabe. Der Lehrer trägt einen uniformähnlichen Anzug mit angedeuteter Koppel, Nazi-Mode, die es in der Kaiserzeit, in der der Film spielt, nicht gab. Er vertritt als Sympathieträger die «neue Zeit».

Januar 1944: In Europa tobt der von Deutschland entfesselte Zweite Weltkrieg aufs Schlimmste. An der Ostfront holt die Rote Armee zum großen Gegenschlag aus. Hitlers Ende hat längst begonnen. Nach einer Bombennacht in Berlin findet am 28. Januar um 10.45 Uhr im Tauentzienpalast an der Ecke Nürnberger Straße die Erstaufführung des Films statt, der im Frühling 1943 gedreht worden ist.

Rühmann reiste extra zu Hitler

Rühmann selbst hat sich in den Wochen zuvor für den Film ins Zeug gelegt, nachdem es im Funktionärsapparat, vor allem aus dem Erziehungsministerium, Widerstände gegen die Pennälerkomödie gegeben hatte, die angeblich die Lehrerschaft verunglimpfe.

Adolf Hitler persönlich soll die Freigabe des Films angeordnet haben, nachdem Rühmann mit einer Filmrolle unter dem Arm im Hauptquartier «Wolfsschanze» nach Ostpreußen gereist war. Demnach fragte Hitler, der sich in jener Zeit keine Spielfilme mehr ansah, seinen Reichsmarschall Hermann Göring nur: «Ist der Film zum Lachen?» und meinte nach der bejahenden Antwort kurz: «Dann ist dieser Film sofort für das deutsche Volk freizugeben.»

Rühmann war ein großer Star in den 40ern. Sein Name stand auf der legendären «Gottbegnadeten-Liste» der Nazis, auf der die Künstler verzeichnet waren, die vom Kriegsdienst befreit bleiben sollten. Er galt als weitgehend unpolitisch, was ihm später manchmal den Vorwurf des Opportunismus einbrachte. Seine Karriere ging im Nachkriegsdeutschland weiter. In Rühmann (1902-1994) konnten sich weite Teile des Publikums wiedererkennen.

Vorlage war ein Zeitungsroman

«Die Feuerzangenbowle» beruht auf einem 1933 in vielen Fortsetzungen erschienenen Zeitungsroman von Heinrich Spoerl (1887-1955). Beim Treffen alter Freunde kann der Schriftsteller Dr. Johannes Pfeiffer bei den Schul-Anekdoten nicht mitreden, weil er einen Privatlehrer hatte. Um die Jugend nachzuholen, mal was Irrsinniges zu tun, albern und ohne Sorgen, macht er sich als Schüler zurecht und besucht das Gymnasium im beschaulichen Babenberg. Mit tollkühnen Streichen treibt er die schrullige Lehrerschaft in den Wahnsinn – und findet nebenbei die Frau fürs Leben: die Tochter des Schuldirektors.

Am Ende kommt jedoch heraus, dass die ganze Binnenhandlung nur ausgedacht ist – nur die Rahmenhandlung des Herrenabends mit Feuerzangenbowle ist am Ende wahr.

Film hat paradoxe Botschaften

«Die Feuerzangenbowle» ist somit der vielleicht schizophrenste Film der Nazi-Zeit, in der stets die leuchtende Zukunft der Deutschen propagiert wurde. In der durchaus melancholischen Komödie wird nämlich die Wilhelminische Epoche (1890 bis 1914) zur guten alten Zeit stilisiert. Und (Jugend-)Erinnerungen werden hier zu einem rettenden Paradies verklärt, die einem niemand nehmen kann; die man aber auch im Nachhinein nicht wirklich erzeugen kann.

Bittere Pointe: Einige der Darsteller der Oberprimaner erleben die Filmpremiere schon nicht mehr, weil sie nach den Dreharbeiten eingezogen wurden – und an der Front starben. News4teachers / mit Material der dpa

Rechtsextremismus auf dem Vormarsch: Wie ist es um die Demokratie-Bildung an den Schulen bestellt?

Die mobile Version verlassen