Gratis-Mittagessen in Schulen und Kitas: Landesregierung denkt laut darüber nach

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HANNOVER. Bekommen Kinder ihr Mittagessen in Kita oder Schule künftig vom Staat bezahlt? Der vom Bundestag einberufene Bürgerrat fordert genau das – ebenso übrigens, wie die Kita-Fachkräfte und Lehrkräfte gleich mit zu verköstigen. Rot-Grün in Niedersachsen findet den Vorschlag grundsätzlich gut und will jetzt mit den Kommunen über eine Umsetzung reden. Die winken allerdings ab.

Von einem kostenlosen Mittagessen können die allermeisten Schülerinnen und Schüler in Deutschland nur träumen. Foto: Shutterstock

Niedersachsens Landesregierung hält die Bürgerrat-Forderung nach kostenlosen Mittagessen in Schulen und Kitas für richtig, sieht für eine mögliche Umsetzung aber den Bund mit in der Pflicht. Ohne eine hohe finanzielle Beteiligung des Bundes werde das Vorhaben angesichts schwieriger Haushaltslagen von Land und Kommunen nur schwer zu realisieren sein, teilte das Kultusministerium auf Anfrage mit. Auch in der Empfehlung des Bürgerrats heißt es, dass die Maßnahme mindestens zur Hälfte vom Bund bezahlt werden solle.

In ihrem Koalitionsvertrag von 2022 hatten SPD und Grüne in Niedersachsen vereinbart, «ein kostenloses und qualitativ hochwertiges, nach Möglichkeit regionales Mittagessensangebot in der Schule» anzustreben. Mit den Kommunen solle über eine mögliche Umsetzung gesprochen werden. «Dies wäre ein wichtiger Beitrag zur Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit», sagte eine Sprecherin des Hauses von Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) nun. Für manche Kinder und Jugendliche sei das Mittagessen in Kita und Schule die einzige warme Mahlzeit am Tag, erklärte sie. Auch vor dem Hintergrund der Ganztagsbetreuung werde das Thema Verpflegung immer wichtiger.

Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund warnte davor, neue Ansprüche zu schaffen, bevor von der Politik nicht andere Themen wie Bildung, Migration und Integration ausreichend angegangen worden seien. «Ich glaube, wir sind im Moment nicht in einer Zeit, um neue Ansprüche zu begründen», sagte Präsident Marco Trips am Mittwoch dem Radiosender Antenne Niedersachsen. Im Sozialsystem gebe es genug Möglichkeiten, dafür zu sorgen, auch Kinder aus Familien ohne viel Geld mit einem ausreichenden Mittagessen zu versorgen – etwa über das Bürgergeld. «Ich halte nichts davon, diese «Ich-kriege-alles-umsonst-Haltung» weiter zu befördern. Insofern würde ich das komplett ablehnen», sagte Trips.

«Die Maßnahme soll mindestens zur Hälfte vom Bund finanziert werden», so hatte der Bürgerrat erklärt. «Die Finanzierung der Maßnahme kann unter anderem aus den Mitteln des Programms ‚Bildung und Teilhabe‘ erfolgen, über das aktuell nur armutsgefährdete Kinder ein kostenfreies Mittagessen erhalten können. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die Mittel für eine geplante Erhöhung des Kindergelds für das Programm umzuwidmen. Das heißt, anstatt das Kindergeld zu erhöhen, wird das dadurch eingesparte Budget für die Bereitstellung des kostenfreien Essens verwendet. Auch die Mittel bestehender Förderprogramme in den Ländern und Kommunen mit ähnlicher Zielsetzung sollen für dieses bundesweite Programm umgewidmet werden.»

Die Maßnahme soll staffelweise spätestens innerhalb von acht Jahren für alle Altersgruppen
umgesetzt werden, beginnend mit der jüngsten Altersstufe: zunächst in den Kitas, zwei Jahre später in den Grundschulen, zwei Jahre später in den Klassen der Sekundarstufe I und zwei Jahre später in den Klassen der Sekundarstufe II. Auch die Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher sollen der Empfehlung zufolge in die Maßnahme eingeschlossen
werden. Begründung: «Durch das gemeinsame Essen kann auch die soziale Entwicklung von Kindern gefördert und eine gemeinschaftliche Esskultur erlernt werden. Wenn die Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher am Essen teilnehmen und auch das gleiche Essen verzehren, erhöht sich die Akzeptanz. Außerdem ist die Aufsichtspflicht gewährleistet und es findet ein sozialer Austausch außerhalb des Unterrichts statt.»

Kostenfreie Mittagessen für alle Kinder sind die wichtigste von insgesamt neun Empfehlungen des Bürgerrats des Bundestags zum Thema Ernährung. Die 160 Mitglieder waren im Rahmen einer „Bürgerlotterie“ gezogen worden. Dafür waren nach Angaben des Bundestages knapp 20.000 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger angeschrieben worden, mehr als 2.000 von ihnen hätten sich daraufhin für eine mögliche Mitarbeit im Bürgerrat gemeldet. Die Empfehlungen des neuartigen Gremiums sind für die Politik nicht bindend. News4teachers / mit Material der dpa

Bürgerrat empfiehlt Gratis-Essen an Schulen und Kitas – große Mehrheit dafür

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Dil Uhlenspiegel
3 Monate zuvor

Gratis-Mittagessen in Schulen: Man denkt still über Kochschürzen für Lehrer nach.

Alex
3 Monate zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Wie, bringen die Lehrer nicht mal ihre eigenen Schürzen mit?

Mama
3 Monate zuvor

…also, meinen Kindern steht kostenloses Mittagessen schon jetzt zu. Ergebnis? Sie mögen das Schulessen nicht und nachdem ich jahrelang um 16 Uhr ausgehungerte Kinder abgeholt hab, die nichts gegessen hatten, blieb mir nichts anderes übrig als abends selbst zu kochen. Das Budget, das die Stadt durch die Abmeldung vom Mittagessen nun spart, bekomm ich natürlich nicht ausgezahlt. Es ist ein Zwang: entweder isst Du, was es kostenlos gibt, oder Ihr müsst zusehen, wie Ihr das selbst bezahlt (gibt doch noch die Tafeln…).
Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun. Die Stadt profitiert von Milchreis und Ksrtoffelsuppe… einfach nur ein Essen sm Tag anbieten, das nicht schmeckt, und schwupp geben BuT-Kinder dem Löffel ab..

Teacher Andi
3 Monate zuvor
Antwortet  Mama

Genau an diese Luxusprobleme der Eltern von wohlstandsverwöhnten Kindern habe ich spontan bei diesem Artikel gedacht. Bingo!

Mama
3 Monate zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Wohlstandsverwöhnt? Ich bin Bürgergeld-Aufstockerin, alleinerziehend. Ich hab mir das sehr reiflich überlegt mit der Abmeldung, denn es wäre eine echte Entlastung, wenn ich abends nur noch Brot und Rohkost machen müsste. Hausaufgaben und Haushalt stehen schließlich auch noch an (denn Hausaufgaben sind im offenen Konzept des Horts freiwillig, bei den Lehrern aber nicht…).
Bei der Anmeldung zum Essen für BuT-Kinder muss man unterschreiben, dass die Teilnahme VERPFLICHTEND ist! (Schließlich zahlt die Stadt einen festen Betrag an den Caterer und stückelt das nicht am Monatsende einzeln pro Kind zusammen).

Also kocht der Caterer für die Tonne , wenn das Kind trotzdem nicht isst (die Lehrkräfte bestellen sich Essen übrigens extern ins Schulbüro).
Und das konnte ich bei dem wenigen Malen im Monat, wo sie was gegessen haben, nicht mehr ins Verhältnis setzen, zumal ich ja eh ständig einplanen musste, dass mindestens eins der beiden Kinder vermutlich nichts gegessen hat.
Der Caterer wiederum verschickte ständig Mails, dass zuviel Essen weggeworfen wird….

Was ich mit allem sagen wollte: Es ist Utopie, zu glauben, dass durch die Abschaffung der Elternkosten plötzlich alle Kinder 5 Tage pro Woche gesund Mittag essen. Da träumt der Bürgerrat…

Nicht zu vergessen, dass man Geschmäcker von vielen unterschiedlichen Kulturen schlichtweg nicht auf einen Nenner bringen kann….

Teacher Andi
3 Monate zuvor
Antwortet  Mama

Wohlstandsverwöhnt heißt nicht automatisch, dass man reich ist.
Und wenn das Essen tatsächlich so schlecht ist, werden Sie sicher nicht die Einzige sein, die das beanstandet. Damit kann man Druck ausüben. Und ausgehungerte Kinder kennen wir hier in Deutschland, glaube ich, gar nicht. Verstehen Sie jetzt, was ich mit „Luxusproblem“ meine?

Sepp
3 Monate zuvor
Antwortet  Mama

Die Kantinen oder Caterer müssen grundsätzlich die Schulen mit Essen versorgen, das bestimmte Kriterien erfüllt und in einem bestimmten preislichen Rahmen liegt.
Dieses Essen wird für alle Kinder angeboten – und unter bestimmten Bedingungen müssen die Familien dafür nichts bezahlen.

Wenn Ihre Kinder das Essen einfach nicht mögen, dann essen sie es halt nicht. Man zwingt ja auch die anderen Kinder nicht dazu etwas zu essen.
Erstaunlich finde ich allerdings, dass Ihren Kindern das Essen „jahrelang“ jeden Tag grundsätzlich nicht zu schmecken scheint, so dass sie lieber hungrig nach Hause kommen. Es wird wohl nicht jeden Tag über Jahre nur Milchreis oder Kartoffelsuppe gegeben haben, die beide durchaus schmecken (können).

Unser Caterer an der Schule ist übrigens auch grottenschlecht geworden. Aber zumindest gibt es dort als Alternative Salate und Kleinigkeiten wie Börek, die man dazu nehmen kann. Als Normalzahler ist man dann aber auch schon wieder 5 Euro los…

dauerlüfterin
3 Monate zuvor
Antwortet  Mama

Was ist denn das Problem mit Milchreis und Kartoffelsuppe? Ist das wenig schmackhaft zubereitet?

Ist eine ernstgemeinte Frage. Sowas koche ich für die Familie und das essen wir hier gemeinsam.

Blau
3 Monate zuvor

Erstmal sollten überall die Höhe der Elternbeiträge vom Einkommen abhängig gemacht werden und Geschwisterkinder überall beitragsfrei sein

Inselbegabung
3 Monate zuvor

In Berlin ist das Schulessen meines Wissens bereits seit ein paar Jahren kostenlos.

Lisa
3 Monate zuvor

„Wenn die Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher am Essen teilnehmen und auch das gleiche Essen verzehren, erhöht sich die Akzeptanz. Außerdem ist die Aufsichtspflicht gewährleistet und es findet ein sozialer Austausch außerhalb des Unterrichts statt.». Na ganz toll, jetzt sollen Lehrer nicht einmal mehr in Ruhe essen dürfen, sondern Aufsichtspflicht haben. Ich sperre nämlich normalerweise die Tür von einem leeren Klassenzimmer ab und löffle ein Joghurt. Diese Auszeit ist mir wichtig. In den Ländern, in denen ich in der Schulkantine gegessen habe, musste ich übrigens nie Aufsicht machen, dafür gab es eigenes Personal, kein pädagogisches. Damit will ich nicht sagen, dass man nie privat mit den Schülern redete. Das geschieht – doch nicht gezwungen.

Canishine
3 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Das Mittagessen soll halt kostenlos sein, nicht nur für die Kinder. Aber dem kann man ja entgegenhalten, dass die Kinder sich auch mal unbeobachtet und unkontrolliert ausleben dürfen müssen, damit sie ein unbedrängtes und entspanntes Verhältnis zu ihrem Essen entwickeln dürfen und nicht wegen des Lehrerdrucks womöglich Dinge essen, die gar nicht ihrer freien Persönlichkeitsentwicklung entsprechen.

Sepp
3 Monate zuvor
Antwortet  Canishine

Ein paar kleine Beispiele von eigenen Erlebnissen, als sich bestimmte Kinder glaubten „mal unkontrolliert ausleben zu dürfen“ beim Essen:

– Fußball mitten durch die Mensa geschossen.
(Schön, wenn man Kinder mit ihren Tabletts oder am Platz trifft)

– Mitschülern ein Bein stellen oder schubsen, während dieser das Tablett mit Essen trägt. Wahlweise auch stehende Schüler in andere Schüler schubsen, während die beide Hände am Tablett haben. Kommt immer wieder mal vor.

– Nach dem Essen den Stuhl nach hinten schieben, aufstehen und gehen.
(Stuhl mitten im Weg, nichts weggebracht, Tisch verschmiert, auch ein Klassiker)

– Essen mit den Händen, statt mit Messer und Gabel/Löffel
(nein, nicht Hähnchen – sondern zuletzt Kartoffelbrei.)

– Gesicht eines Mitschülers in die Suppe gedrückt
(Voll lustig, Mutter beim Telefonat empört, Sohn am nächsten Tag sehr kleinlaut).

– Tür bei der Mensa zuhalten, ständiges Gerangel, Arm eines Schülers dazwischen, als die anderen sie zugedrückt haben – Elle und Speiche gebrochen!

Von Lautstärke, gegenseitigem Nerven beim Essen etc. brauchen wir gar nicht reden.

Wir haben hier, neben vielen tollen Kindern, leider auch solche, denen es massiv an Erziehung oder normalem Verhalten fehlt. Und Sie sprechen von „freier Persönlichkeitsentwicklung“ und „unkontrolliert ausleben dürfen“.

Entweder arbeiten Sie und ich in völlig unterschiedlichen Schulsystemen oder Sie sind noch zynischer als ich. 😉

Canishine
3 Monate zuvor
Antwortet  Sepp

Ich übe mich nur darin, das argumentative Niveau des von Lisa Zitierten zu erreichen, denn ich möchte demnächst evtl. auch Handreichungen für Lehrkräfte schreiben dürfen. (Und natürlich möchte ich nicht so nebenbei zur unbezahlten Mittagsaufsicht manipuliert werden, auch wenn ich mir durchaus ein gelegentliches gemeinsames Mittagessen mit meinen Schülern vorstellen kann.)

Alex
3 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Als es noch eine extra Essenszeit für unsere Grundschüler gab, war ich tatsächlich vor Konferenzen in der Mensa essen. Seit die benachbarte Gesamtschule ihre Unterrichtszeiten geändert hat und deren Schüler zur gleichen Zeit wie die Kleinen kommen, kriegen mich keine 10 Pferde mehr dorthin. Der Lärm ist unerträglich!!

Lehrerin
3 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Ist diese Zeit (Aufsicht) dann Arbeitszeit? Wird sie auf das Deputat angerechnet? Zumindest so, dass diese Mittagsaufsicht irgendwo berücksichtigt wird? Wer´s glaubt… Das kommt einfach alles drauf, und von morgens 7.30 Uhr bis am Nachmittag 15 oder 16.00 Uhr durcharbeiten ohne Pause ist arbeitsrechtlich verboten, aber bei Lehrern schon immer egal, genauso wie der Dauerdienst 24h bei Landschulheim usw… Die „Pausen“ der Schüler zwischen den Stunden sind ja für Lehrer keine, oft reicht´s nicht einmal, um auf die Toilette zu gehen. Gut, es gleicht sich aus, wenn sie keine Zeit für Essen oder Trinken haben, dann müssen sie nicht so oft auf´s Klo… Das klingt zynisch, ist aber eben ungeschminkte pure Realität.
Es wird allerhöchste Zeit, dass die Erfassung der Lehrerarbeitszeit zwingend kommt! Da werden sich die Herren und Damen in allen Kultusministerien die Augen reiben! Es ist kein Wunder, dass die KMK – zum Glück erfolglos, genauer sogar mit einem beträchtlichen Rüffel – versucht hat, die Lehrkräfte beim Gesetz zur Erfassung der Arbeitszeit auszunehmen. Die wissen, warum.