Noch mehr Bildungsungerechtigkeit – IGLU-Studie zeigt: Schulen in ärmeren Gegenden schlechter ausgestattet

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DORTMUND. Grundschulen in wirtschaftlich benachteiligter Lage sind schlechter ausgestattet als solche in privilegierteren Gegenden. Darauf weist eine aktuelle Analyse des Dortmunder Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS) hin. Besonders auffällig ist der Unterschied demnach bei der Ausstattung mit Technik und Medien zur Unterstützung des Lernens sowie den Unterrichtsräumen. „Die Ressourcenausstattung von Schulen ist auch deshalb von Bedeutung, weil vertiefende Analysen Zusammenhänge mit der Lesekompetenz aufzeigen“, mahnt die Institutsleiterin Professorin Nele McElvany und fordert „eine gesicherte Ressourcenausstattung“.

Soziale Schieflage. Foto: Shutterstock

Deutschland hat ein Problem mit der Bildungsgerechtigkeit: Wie gut oder schlecht Kinder in der Schule abschneiden, hängt stark vom familiären Hintergrund ab. Diese Aussage gilt auch über 20 Jahre nach der ersten Pisa-Studie noch, wie die Ergebnisse der jüngsten Schulleistungsstudien zeigen – darunter Pisa, die Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) und der bundesweite IQB-Bildungstrend. Die aktuell veröffentlichte Auswertung des IFS lässt nun sogar vermuten, dass Kinder aus wirtschaftlich benachteiligten Verhältnissen es nicht nur von Haus aus schwieriger haben, gute schulische Leistungen zu erbringen, sondern auch in der Schule unter schlechteren Bedingungen lernen müssen als privilegiertere Gleichaltrige.

„Grundschulen in Deutschland, an denen mehr als ein Viertel der Schüler*innen aus wirtschaftlich benachteiligten Familien stammt, sind in höherem Maße von Knappheit schulischer Ressourcen betroffen als Schulen mit einem Anteil bis zu 25 Prozent“, schreibt das Dortmunder Institut für Schulentwicklungsforschung im Kurzbericht „Tuesdays for Education – Schulische Ressourcen und Prioritäten“. Zu dieser Aussage kommt das Institut auf Basis der Schulleitungsbefragung, die im Zuge der Iglu-Studie 2021 stattgefunden hat. Dabei sollten die Schulleiterinnen und Schulleiter unter anderem einschätzen, wie sehr Knappheit oder Unzulänglichkeiten in bestimmten Bereichen die Möglichkeit ihrer Schule beeinträchtigen, einen adäquaten Unterricht durchzuführen.

Unterschiede bei der Ausstattung mit Technik und Medien, Unterrichtsräumen sowie Materialien

Im Vergleich der beiden genannten Schulgruppen besteht der Befragung zufolge vor allem ein Unterschied in der Ausstattung mit Technik und Medien, mit denen die Schüler*innen beim Lernen unterstützt werden können. „Von den Grundschulen mit mehr als 25 Prozent der Schüler*innen aus wirtschaftlich benachteiligten Familien sind 60 Prozent der Schüler*innen von Knappheit der Ausstattung mit Technik und Medien zur Unterstützung des Lernens betroffen. Bei den Grundschulen mit bis zu 25 Prozent wirtschaftlich benachteiligter Schüler*innen sind es nur 48 Prozent“, heißt es in der Analyse. Ein ähnliches Bild zeichnet die Befragung der Schulleitungen hinsichtlich der Unterrichtsräume: Während 30 Prozent der Lernenden an Grundschulen mit mehr als einem Viertel ärmerer Kinder unter einem Mangel an beispielsweise Klassenzimmern leiden, gilt dies nur für 14 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Schulen mit einem geringeren Anteil. Von einer Knappheit im Bereich der Unterrichtsmaterialien wie Papier und Stifte sind ebenfalls mehr Kinder an Grundschulen mit ärmerer Schülerklientel betroffen (8 Prozent) als Bildungseinrichtungen, die vermehrt Kinder aus besser situierten Familien besuchen (2 Prozent).

Zusammenhang zwischen schulischen Ressourcen und individueller Lesekompetenz

Das Problem: „Eine Ressourcenknappheit kann mit mangelnden Möglichkeiten zur optimalen Gestaltung von Lernsituationen einhergehen und dadurch zu negativen Auswirkungen auf die erzielten Kompetenzen der Schüler*innen führen“, erklären die Autor*innen in ihrer Auswertung. So zeigen laut IFS vertiefende Analysen, dass die individuelle Lesekompetenz in Zusammenhang mit den schulischen Ressourcen steht. Dies gelte sowohl für die Knappheit im Bereich des Unterrichtsmaterials als auch der Gebäude, der Technik und der Ressourcen für den Leseunterricht.

„Diese Voraussetzungen des schulischen Lernens sind also mit maßgeblich für die Entwicklung der Lesekompetenz von Grundschulkindern“, heißt es im Kurzbericht. Und weiter: „Angesichts der bekannten Befunde zu deutlichen Leistungsdisparitäten von Kindern mit unterschiedlich hohem sozioökonomischen Hintergrund sind die schulischen Ressourcen daher umso bedeutsamer, um bestehende Disparitäten nicht weiter zu verstärken.“ In der Konsequenz fordern die Autor*innen „eine vermehrte Zuweisung von Mitteln und Ressourcen an Schulen in wirtschaftlich benachteiligten Lagen“. News4teachers

Hä? Deutsche wollen mehr Bildungsgerechtigkeit – Brennpunkt-Schulen besser ausstatten, das will die Mehrheit aber nicht

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GriasDi
1 Monat zuvor

In Bayern ist/wäre dieses Ergebnis kein Wunder. Da die Kommune in Bayern für die Ausstattung von Grundschulen zuständig ist. Also: arme Kommune, wahrscheinlich auch schlechtere Ausstattung. Für Realschulen und Gymnasien ist der Landkreis zuständig. Auch hier ist ein solcher Zusammenhang kein Wunder.

RSDWeng
1 Monat zuvor
Antwortet  GriasDi

Vollkommen richtig! Dazu kommt noch, dass arme Kommunen bzw. Landkreise für viele Lehrkräfte nicht so attraktiv sind, was den Lehrermangel dort verstärkt.

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  GriasDi

In NRW sind die Landkreise nur für die Förderschulen und die beruflichen Schulen zuständig, alles Andere liegt bei den Städten und Gemeinden als Sachaufwandsträgerinnen.
Hinzukommen die staatlichen Ersatzschulen, die von den Kommunen – je nach Kassenlage – finanzielle Unterstützung erhalten, da vorallem die Landeskirchen und die Diözesen als Sachaufwandsträger „am Hungertuch nagen“.

Ich sach ma so:
In Monheim oder Münster könnte das schon besser laufen als in Gelsenkirchen oder Duisburg:)

AvL
30 Tage zuvor
Antwortet  dickebank

Aber die Qualität der schulischen Arbeit hängt am
seidenen Faden der der qualifizierenden universitären
Ausbildung ab.
Und groß sind die Versprechungen einer intrinsischen
Aneignung einer allgemeinbildenden Wissensvermittlung
durch eigenständigen Lernzuwachs, aufbauend auf einen
natürlichen Sprachzuwachs.

Blau
1 Monat zuvor
Antwortet  GriasDi

In NRW ist die Kommune bzw der Träger für alle Schulformen zuständig

Unverzagte
1 Monat zuvor
Antwortet  GriasDi

Im Norden machen sich auch gravierende Unterschiede durch Beitragshöhen für sog. Schulvereine bemerkbar:
Schulen im Stadtteil mit fast ausschl. Akademikereltern unterstützen mit Geldsummen, von denen Eltern in finanziell schwächer aufgestellten Vierteln nur träumen können.

Martin
1 Monat zuvor

Als ob die Ausstattung von Schulen der entscheidende Punkt für für unsere allgemeine Schulmisere wäre. Diese Phantomdebatte um „Bildungsgerechtigkeit“ ist mal wieder gut, um von den eigentlichen Knackepunkten (auch ideologischer Art!) abzulenken.

Folko Menpiepe
1 Monat zuvor
Antwortet  Martin

In der Tat. Übrigens hilft dabei auch ein Blick in die freundlicherweise verlinkte Studie. Zum einen wird dort erkennbar, dass die Ausstattung in einigen Bereichen wie z.B. bei der Leseförderung überall als ausreichend eingeschätzt wird und deren Einfluss auf die Leseleistung zudem nur minimal ist — und trotzdem sind die Leseleistungen absolut teils grottig und darum müsste es doch eigentlich gehen!

Lisa
1 Monat zuvor

Wird hier nicht erwähnt, doch bei uns spielen auch die Elternvereine und ihre finanzielle Möglichkeiten eine Rolle. Und das nicht so, wie man eventuell denkt: Ich erinnere mich aus der eigenen Schullaufbahn an den griechischen Elternverein, der sehr engagiert war, auch was Schulspenden anging. Buchpreise für gute Leistungen wurden auch vom Elternverein gestiftet..
An einer anderen Schule bot ein Verein an, Luftfilter für die Klassenzimmer, das waren so etwa 250 Euro pro Raum mit Mengenrabatt zu stiften. Auch Verbrauchsmaterialien für Schüler gehören oft dazu.
Natürlich können hier bildungsbewusste Eltern, die finanziell gut aufgestellt sind, eine Menge bewirken.

Lanayah
1 Monat zuvor

Das kann ich so bestätigen. Während die Grundschule meiner Tochter (reiche Kommune) top ausgestattet war, haben wir in meiner Schule (arme Kommune) nicht mal Förderräume, die vorhandenen wurden zur Mensa. Auch im Nachmittagsbereich wurde in der reichen Kommune zusätzliches Personal gestellt und das Essen war richtig lecker, weil bezuschusst. Auch beim Digitalpakt war unsererseits in der armen Kommune erhebliches Durchsertzungsvermögen erforderlich, da die Kommune das Geld ja erst vorschießen musste und Angst hatte, auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Mo3
1 Monat zuvor

In „besseren“ Gegenden hat fast jede Schule einen Förderverein, der diese Schulen mit „Extras“ ausstatten kann und man kann auf das Engagement der Eltern zählen. In ärmeren Gegenden, gibt es diese Unterstützung wahrscheinlich weniger und wenn dann selbst von Kommunaler Seite weniger kommt, kann das einen großen Unterschied machen.

Uwe
1 Monat zuvor
Antwortet  Mo3

In der Gegend in der ich lebe können (und machen) die Eltern auch mehr Druck auf die städtische Politik was auch das eine oder andere Problem lösen kann.

Folko Menpiepe
1 Monat zuvor

Der Titel ist so nicht korrekt, denn die Studie zeigt _nicht_, dass die betroffenen Schulen tatsächlich schlechter ausgestattet sind.

Untersucht wurde vielmehr, inwiefern Knappheit die Möglichkeiten eines adäquaten Unterrichts einschränken. „Knappheit“ ist aber eine relative Kategorie, hängt also auch vom Bedarf ab. Z.B. haben Gymnasialklassen in Altbauten regelmäßig nur einen Raum statt mehrere, aber aufgrund einer homogeneren und leistungsstärkeren Schülerschaft auch weniger Bedarf an Räumen für die Kleingruppenbetreuung als eine Grundschule mit DaZ-Förderzentrum, so dass eine identische Ausstattung dort viel knapper und einschränkender wahrgenommen werden würde.

unverzagte
1 Monat zuvor
Antwortet  Folko Menpiepe

Unkorrekter, eingeschränkter Beitrag pro elitären Schulghettos mit gratis inkludierter Sündenbockfunktion.

„Nichtidentische Ausstattungen“ bleiben somit unberücksichtigt.

Heterogenität ist ein Gewinn und zwar für FÜR ALLE Beteiligten. Tut leid, dass Ihnen diese Erfahrung bisher offensichtlich vorenthalten wurde.

Folko Menpiepe
1 Monat zuvor
Antwortet  unverzagte

Was ist an meinem Beitrag unkorrekt? Die zitierte Studie fragt die tatsächliche Ausstattung halt nicht ab, die Überschrift ist also nicht korrekt.

Heterogenität ist manchmal ein Gewinn, manchmal eine Herausforderung, manchmal eine Bürde und manchmal auch eine echte Belastung — für manche mehr, für manche weniger, und manchmal für viele sogar alles zusammen.

Dass Heterogenität stets für alle Beteiligten ein Gewinn wäre, ist hingegen ein Glaubensbekenntnis, das zwar schön klingt, aber sachlich falsch ist und dadurch viel Schaden anrichten kann.

unverzagte
1 Monat zuvor
Antwortet  Folko Menpiepe

Ob diese Studie überhaupt notwendig war, wäre tatsächlich fraglich : Praxiserprobten Kolleg*innen, die in sogennanten“Brennpunkten“ als auch in „guten Wohnlagen“ gearbeitet haben, können Ihnen die mehr als vorhersehbaren Ergebnisse aus eigener Erfahrung leider nur bestätigen.

Heterogenität und Homogenität wird in Ihren letzten Absätzen vollkommen austauschbar. Ob Ihr diesbezügliches Glaubensbekenntnis für Sie nun unschädlicher, sachorientierter und sogar schöner klingen mag, bleibt dahin gestellt.

unverzagte
30 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Naja, zu differenzieren wären weiter sog. objektive Bilder aufgrund subjektiv erhobener Daten, die für sich eine Objektivität beanspruchen,

Gruß mit unverzagtem Herzchen.

Alex
30 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Leider traue ich Studien auch nicht mehr. Vor allem dann nicht, wenn sie aus geisteswissenschaftlichen Bereichen kommen. Hier widerlegt eine Studie die andere und jedes politische Lager kann sich auf mindestens eine Studie berufen, die ein „objektives Bild“ malt und damit dem eigenen politischen Kurs Recht gibt.

Julia2017
27 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Trauen Sie denn Studien, die nicht das ergeben, was Sie sich wünschen? Und machen Sie die Ergebnisse solcher Studien publik?
Die Sozialwissenschaft, die Psychologie, die Politologie oder auch die Pädagogik sind doch voll von wissenschaftlichen Studien, deren Aussagen voneinander abweichen und sich oft sogar widersprechen. Dadurch ergibt sich für jeden Menschen automatisch die Frage, welcher These er vertrauen kann oder will. Er muss wählen, wenn er nicht irre (schizophren) werden will..
Natürlich ist Wissenschaft eine Frage des Verstandes und Vertrauens. Spräche sie aus einem Mumd, wäre richtig, was Sie sagendas anders. Tut sie aber nicht!!

Folko Menpiepe
30 Tage zuvor
Antwortet  unverzagte

Frau Unverzagt, Ihr Diskussionsstil ist, um es vorsichtig auszudrücken, irritierend.

Sie bewerten Beiträge als „unkorrekt“, ohne dies zu begründen und ohne auf Argumente und Fragen einzugehen.

Stattdessen stellen Sie neue Behauptungen auf (über den Wert von Heterogenität per se, darüber, dass ich mich austauschbar zu Heterogenität und Homogenität geäußert hätte), die Sie wiederum nicht begründen.

Ich bin offen gestanden ratlos.

unverzagte
30 Tage zuvor
Antwortet  Folko Menpiepe

Mensch Menpiepe, Erwartungen an unterschiedliche Diskussionsstile mögen irrtierend sein. Glückwunsch. Etwas gelangweilt haben mich nur Ihre sogar begründeten Behauptungen. So gesehen mag ich Ihrer korrekten Ratlosigkeit nichts weiter hinzufügen, ahoi.

DerechteNorden
30 Tage zuvor
Antwortet  unverzagte

Ich finde das zu pauschal. Heterogenität ist nicht in allen Kontexten sinnvoll.
In Schule geht es ja nicht nur darum ein rücksichtsvolles Sozialverhalten einzuüben. Und homogenere Lerngruppen sind nun einmal effektiver und effizienter, wenn es darum geht, aus Menschen das Leistungsoptimum herauszuholen.
Ich befürworte in Schule ein soziales Miteinander an einem Ort, aber in den meisten Fächern eine äußere Leistungsdifferenzierung. Dabei sollte man darauf achten, dass der Hintergrund der Schüler*innenschaft heterogen ist, d.h. hier muss von oben bestimmt werden, auf welche Schulen welche Kinder gehen und dass alle Schulen ähnlich ausgestattet sind.
Privatschulen würde ich hohe Auflagen machen.

Ja, wird nie so kommen. Aber träumen darf man ja wohl noch.

Blau
1 Monat zuvor

Total logisch, weil Fördervereine überwiegend aus Eltern bestehen und je mehr Geld diese haben, desto mehr Geld hat der Förderverein. Der Förderverein zahlt auch gerne die digitale Ausstattung von Klassenzimmer u.a.

Folko Menpiepe
1 Monat zuvor
Antwortet  Blau

Mag ja schön sein, eine Digitalausstattung, aber für die Leistungen der Schüler ist die im Grunde nicht nötig und schon gar nicht hinreichend.

Sandrina
1 Monat zuvor
Antwortet  Blau

Nein. Nicht gerne. Aus der Not heraus. Wäre nicht alles so desaströs, wären Fördervereine nicht notwendig.
Dort sind die Eltern (sonst unerwünscht, lästig, …) geduldet. Ansonsten sind Eltern (v.a. wohlhabende) die allerschlimmsten.

Rainer Zufall
1 Monat zuvor

Ich stimme zu, aber ist diese Information neu?
So ist doch seit gefühlt ewig politisch gewollt und gesellschaftlich akzeptiert, oder nicht?