Ausbildungsmarkt: Bundesagentur für Arbeit beklagt Passungsprobleme

8

WIESBADEN/NÜRNBERG. Der Ausbildungsmarkt in Deutschland erholt sich weiter von dem Einbruch durch die Corona-Pandemie. Der Rückgang infolge der Krise ist allerdings noch nicht vollständig aufgeholt. Das zeigen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes – es bestätigt damit eine Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung aus dem Dezember 2023. Die Bundesagentur für Arbeit sieht besonders Probleme bei der Mobilität. «Freie Stellen sind dort, wo die jungen Menschen nicht sind und umgekehrt», so die Vorstandsvorsitzende Andrea Nahles.

Laut der Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, bestehen sowohl inhaltliche als auch regionale Passungsprobleme. Symbolbild: Shutterstock/Pam Walker

Das Tal aus der Coronazeit scheint weitgehend durchschritten: Eine klassische Berufsausbildung – ob als Handwerker, in der Dienstleistung oder in der Industrie – ist für junge Leute wieder attraktiver geworden. Im vergangenen Jahr haben nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mehr junge Menschen in Deutschland eine Ausbildung begonnen als 2022. Die Zahl neuer Ausbildungsverträge stieg um 10.000 (2,1 Prozent) auf 479.900, wie die Statistiker mitteilen.

Das ist der dritte Anstieg in Folge, nach 466.200 im Jahr 2021. Allerdings ist damit der starke Rückgang infolge der Corona-Krise noch nicht vollständig aufgeholt. Im Vorkrisenjahr 2019 hatten noch 510.900 junge Menschen eine Ausbildung begonnen, 2020 war die Zahl auf 463.300 eingebrochen.

Der aktuelle Stand

Im laufenden Ausbildungsjahr 2023/2024 zeigt der Trend nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit erneut nach oben. Bis März hätten der Ausbildungsvermittlung 52.000 Bewerberinnen und Bewerber mitgeteilt, eine Stelle gefunden zu haben. Das sind 1000 mehr als vor einem Jahr. 190.000 Bewerber, 4000 mehr als im Vorjahr, gelten derzeit als unversorgt. Sie haben noch keine Lehrstelle, aber auch keine Alternative, etwa eine Möglichkeit für weiteren Schulbesuch, ein freiwilliges soziales Jahr oder ein Studium. Hinzu kommen 30.000, die zwar eine Alternative hätten, aber lieber eine Lehre beginnen würden. Demgegenüber stehen noch 281.000 unbesetzte Ausbildungsplätze, die den Arbeitsagenturen gemeldet wurden. Das sind 16.000 weniger als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres.

Die Zahlen zeigen nicht das Gesamtbild: Die Bundesagentur geht davon aus, dass derzeit nur 59 Prozent der Bewerber, aber 75 Prozent der Lehrbetriebe die Ausbildungsvermittlung einschalten – der Rest sucht selbstständig. Zudem ist der Markt derzeit noch stark in Bewegung. Ein Gesamtbild für das aktuelle Ausbildungsjahr erwarten die Nürnberger Statistiker erst im September.

Die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Andrea Nahles, beklagt zunehmend sogenannte Passungsprobleme – in regionaler, aber auch in inhaltlicher Hinsicht. «Freie Stellen sind dort, wo die jungen Menschen nicht sind und umgekehrt», sagt Nahles. «Die Herausforderung liegt nun darin, die Jugendlichen dabei zu unterstützen, regional, aber auch überregional mobiler zu werden.» Der seit 1. April mögliche Mobilitätszuschuss für junge Leute in Ausbildung sei deswegen ein Fortschritt.

„Der beste und nachhaltigste Schutz vor Arbeitslosigkeit“

Nahles betonte, Berufsausbildung bleibe eine wesentliche Stellschraube, um Fachkräfte im Inland zu sichern. «Eine Berufsausbildung ist noch immer der beste und nachhaltigste Schutz vor Arbeitslosigkeit.» Die Arbeitslosenquote von Menschen ohne Berufsabschluss sei mit 19,8 Prozent rund siebenmal höher als die Arbeitslosenquote von Menschen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung.

Den Daten des Statistischen Bundesamtes zufolge schlossen 2023 deutlich mehr Männer einen Neuvertrag ab – mit 2,8 Prozent war der Anstieg fast dreimal so stark wie bei den Frauen (plus 1,0 Prozent). Auch bei den Handwerksberufen gab es eine positive Entwicklung: Dort stieg die Zahl der Ausbildungsverträge um 1,9 Prozent auf 129.800. Das konnte aber den Rückgang im Vorjahr nicht ganz ausgleichen.

Die Gesamtzahl der Azubis in Deutschland blieb 2023 im Vergleich zum Vorjahr stabil. Demnach befanden sich zum Jahresende 1.215.500 Personen in einer Berufsausbildung. Das waren lediglich 0,1 Prozent weniger als im Jahr 2022. Damit verlangsamte sich der Trend sinkender Ausbildungszahlen aus den Jahren zuvor.

Tendenz bestätigt

Schon im vergangenen Dezember kam das Bonner Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zu ähnlichen Ergebnissen mit Blick auf den deutschen Ausbildungsmarkt: Im Vergleich zum Vorjahr 2022 wurden 2023 mehr duale Ausbildungsverträge abgeschlossen, insgesamt lag die Zahl der Neuabschlüsse jedoch unter dem Niveau von 2019, vor der Corona-Krise. Auch das BIBB erkannte zudem Passungsprobleme, wonach Jugendliche und Unternehmen immer schwieriger zueinander finden: So sei sowohl der Anteil der unbesetzten Ausbildungsstellen als auch der erfolglos suchenden Jugendlichen gestiegen. Um diese Quoten zu senken, forderte der BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser daher – wie auch Andrea Nahles nun – unter anderem die Mobilität von Auszubildenden stärker zu unterstützen. Darüber hinaus müsse die Berufsorientierung Jugendliche besser erreichen. News4teachers / mit Material der dpa

Der „Akademisierungswahn“ ist nur ein Mythos – dass die Ausbildung leidet, weil das Studium boomt, stimmt gar nicht

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

8 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
vhh
14 Tage zuvor

Wie dumm ist das eigentlich? Mobilitätszuschuss:“ Bezuschusst wird die Ausbildungsaufnahme in einer anderen Region durch monatlich zwei Familienheimfahrten während des ersten Ausbildungsjahres.“
Voraussetzungen:
deine Ausbildungsstätte liegt außerhalb des üblichen Tagespendelbereiches (mindestens zwei Stunden Wegezeit für Hin- und Rückfahrt) und deshalb ist dein Umzug vom bisherigen Wohnort erforderlich.
Das Schlimmste ist, sie glaubt wahrscheinlich auch noch den B……t, den sie da erzählt! Zwei Familienheimfahrten lösen natürlich perfekt das Problem, für deren Erstattung in ein nicht vorhandenes Zimmer in einer Großstadt umziehen zu müssen, das gerade einmal das Doppelte des monatlichen Azubi-Geldes kostet. Passungsprobleme…

dickebank
13 Tage zuvor
Antwortet  vhh

Recherchiere doch einmal. wo du überall als Brauer und Mälzer oder als Brenner und Destillateur in der Bundesrepublik ausgebildet werden kannst.

vhh
13 Tage zuvor
Antwortet  dickebank

Brauereien in Deutschland knapp 30.000 Beschäftigte, Autoindustrie ca 750.000… Brauer breit verteilt, Autoindustrie wenige Zentren, meist nahe dichter Siedlungsräume (-> Mieten?). Wer sucht wohl gerade absolut gerechnet mehr Mitarbeiter…?

Lisa
13 Tage zuvor
Antwortet  vhh

Da kann ich als positives Beispiel Fielmann nennen. Sie unterhalten ein eigenes Internat für Hörgeräteakkustiker und auch Azubi – Wohnheime.
Das Azubi – Gehalt ist nämlich eigentlich dafür vorgesehen, dass der junge Mensch noch bei den Eltern wohnt. Er ist ja oft noch nicht einmal volljährig.
Fielmann hat mehr Bewerber als Lehrstellen.

dickebank
13 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

Und Fielmann übernimmt die Reisekosten und die Kosten für die Lehrmaterialien.
Allerdings erhalten Azubis kein Gehalt sondern eine Ausbildungsvergütung. Und dei ausbildungsvergütung für Augenoptiker und Hörgeräteakkustiker ist in der Branche nicht sehr hoch. Auch die persönlichen Kosten für die überbetriebliche Ausbildung (HWK) und den Berufsschulunterricht dürfen nicht übersehen werden.

vhh
13 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

Vernünftig und sinnvoll, jedenfalls sinnvoller, als Familienheimfahrten zu sponsern und unbegrenzte Mobilität zu erwarten.

Lisa
13 Tage zuvor

Ich finde 10 Stunden unterwegs ( 8 Stunden Arbeit plus 2 Stunden pendeln) für Jugendliche auch schon viel. Das nimmt man nur für die absolute Traumausbildung auf sich.

dickebank
13 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

Wer als Augenoptiker von Brilon oder Siegen nach Dortmund zum Berufsschulunterricht oder zur einwöchigen, überbetrieblichen Ausbildung der HWK in Dortmund muss, kommt mit 10 Stunden aber nicht hin. Der Vorteil, die Azubis müssen nach dem Unterricht nicht mehr in ihren Ausbildungsbetrieb:)