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Gewalt an Schulen – VBE: “Verrohung der Umgangsformen”, Kultusministerin: Lehrkräfte stoßen an ihre Grenzen

HANNOVER. Nach Fällen von Gewalt an Schulen (vor allem in der Region Hannover) will das Land Niedersachsen den Erlass zur Sicherheits- und Gewaltprävention überarbeiten und die Lage so in den Griff bekommen. Die Gewalt an Schulen habe eine ganz neue Qualität bekommen, sagte die niedersächsische Kultusministerin Julia Willie Hamburg nach einem Bericht der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» bei einer Podiumsdiskussion in Lehrte. Viele Lehrkräfte seien überfragt, wie sie damit umgehen sollten, Schulen stießen immer mehr an Grenzen. Der VBE fordert die Politik auf, schnell und umfassend zu handeln – bundesweit.

Die Meldungen über Gewaltvorfälle an Schulen häufen sich (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

«Wir haben ein großes Aggressionspotenzial in der Gesellschaft, und das spiegelt sich in den Schulen wider», sagte Innenministerin Daniela Behrens. Mit der Überarbeitung des Erlasses solle etwa die Zusammenarbeit mit anderen Behörden neu geregelt werden, wie Kultusministerin Hamburg ankündigte. Schulen sollten künftig enger mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten als bisher. Die Kultusministerin nannte als Gründe für die zunehmende Schulgewalt etwa die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges. Hamburg sagte dem Bericht zufolge, die psychische Gesundheit von Lehrkräften und Schülern solle stärker in den Blick genommen werden.

«Ebenso sehen wir den zunehmenden Rechtsruck und die damit verbundene Gewalt als eine zunehmende Gefahr für unsere Demokratie»

Der Lehrerverband VBE hatte erst unlängst in einer Pressemitteilung gefordert, dass Gewaltvorfälle an Schulen «endlich bundesweit und einheitlich erfasst werden und die Politik für Sicherheit an Schulen sorgt». Kritisiert wurde zudem, dass viele Schulen noch immer nicht mit einem Amokalarm ausgestattet seien, um Schülerinnen und Schüler sowie das Personal an den Schulen im Notfall zu warnen.

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Tomi Neckov, stellvertretender Bundesvorsitzender, erklärt: «Wir sehen allgemein eine Verrohung des Miteinanders und der Umgangsformen. Ebenso sehen wir den zunehmenden Rechtsruck und die damit verbundene Gewalt als eine zunehmende Gefahr für unsere Demokratie. All diese gefährlichen Entwicklungen müssen wir in einem gesamtgesellschaftlichen Kraftakt anpacken, anstatt nur auf die Schulen zu zeigen.» Die Herausforderung betreffe nicht nur die Schulen, sondern die gesamte Gesellschaft.

«Wir alle müssen Verantwortung für eine angemessene Sprache und Reaktion im täglichen Miteinander übernehmen. Besonders die Coronapandemie hat zu einer Verhärtung der gesellschaftlichen Fronten geführt, die sich immer weiter fortsetzt. In der Zeit nach der Wiedereröffnung der Schulen kam es immer wieder zu Vorfällen, in denen Lehrkräfte und Schulleitungen Opfer von Gewalt wurden, nur weil sie die staatlich angeordneten Hygienemaßnahmen umsetzten. Damals kam es auch vermehrt zu Übergriffen von Menschen, die in keiner Verbindung zur Schule standen.»

«Es ist die Pflicht der Politik, sich schützend vor Lehrkräfte und Schulleitungen zu stellen und die Unversehrtheit aller an Schule beteiligten Personen sicherzustellen»

Neckov fordert von der Politik: «Die Politik muss entschlossen handeln, statt halbherzig erschrocken zu sein. Dafür braucht es beispielsweise die Unterstützung multiprofessioneller Teams, um insbesondere dort, wo die Herausforderungen am größten sind, präventiv arbeiten zu können. Es ist die Pflicht der Politik, sich schützend vor Lehrkräfte und Schulleitungen zu stellen und die Unversehrtheit aller an Schule beteiligten Personen sicherzustellen.»

Hintergrund: 34 bzw. 30 Prozent der Schulleitungen gaben in einer bundesweiten VBE-Umfrage vom November 2023 an, dass ihr jeweiliges Schulministerium oder die Schulverwaltung sich des Themas nicht ausreichend annehmen würden. 19 Prozent meldeten zurück, dass die Meldung von Gewaltvorfällen von den Schulbehörden nicht gewünscht sei. Neckow dazu: «Es gehört zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn, dass er seine Beschäftigten schützt und derartigen Meldungen nachgeht. Wenn Vorgesetzte sich der Gewalt gegen Lehrkräfte nicht ausreichend annehmen, ist das in meinen Augen ein Dienstvergehen.»

Angesichts von Meldungen, wonach es keine aktuellen bundesweiten Zahlen zu Gewaltvorfällen aus den Bundesländern gäbe, ergänzt der VBE-Vize: «In der aktuellen Debatte zeigt sich einmal mehr, dass die Politik das Ausmaß des Problems gar nicht einschätzen kann, da es weiterhin an aktuellen und bundesweit erhobenen Zahlen mangelt. Hier braucht es dringend bundeseinheitliche statistische Erfassungen, die in regelmäßigen Abständen proaktiv von der Politik veröffentlicht werden.»

Nach jüngsten Ereignissen von Gewalt an Schulen, bei denen sich eine Person Zutritt verschaffte, stehen außerdem fehlende Warnsignale in der Kritik. Neckow betont: «Der Amokalarm fehlt noch immer an vielen Schulen. Es ist ein Unterschied, ob ein Feuer ausbricht und die Schülerinnen und Schüler sich außerhalb des Schulgebäudes in Sicherheit bringen müssen, oder ob es wie im Falle eines Amokverdachts oder -vorfalls, angeraten ist, im Gebäude zu verbleiben.» News4teachers / mit Material der dpa

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