Der Streit um den Digitalpakt 2.0 droht (einmal mehr) die Ampel zu spalten: SPD und Grüne mucken gegen Stark-Watzinger auf

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BERLIN. Der Frontverlauf ist statisch: Das FDP-geführte Bundesbildungsministerium pocht beim Digitalpakt 2.0 auf eine 50-prozentige Beteiligung der Länder – die wollen davon nichts wissen. Schon seit Monaten wird verbal hin- und hergeschossen, ohne dass sich irgendwer bewegen würde. Jetzt droht das Thema die Ampel, die zuletzt recht harmonisch wirkte, zu spalten: Mit der Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Saarlands Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot, wirft sich eine prominente Sozialdemokratin ins Getümmel.

Die Ampel: nicht so friedlich, wie es scheint. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Der Streit zwischen Bund und Ländern um den Digitalpakt 2.0 eskaliert – und erreicht die Ampel-Koalition der Bundesregierung. Der FDP-Politiker Jens Brandenburg, parlamentarischer Staatssekretär von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) warf Karin Prien, Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, und Christian Piwarz, Kultusminister von Sachsen „Getöse“ vor, „das nichts mit den Tatsachen zu tun hat“. Der Bund sei bereit, die Hälfte der Finanzierung im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten zu übernehmen – die andere Hälfte sollen die Länder tragen. Brandenburg: „Der Digitalpakt 2.0 muss kommen, auf Basis einer 50/50-Finanzierung.“

Prien und Piwarz hatten gemutmaßt, dass sich die Bundesregierung aus dem Projekt herausschleichen und den Ländern dafür die Verantwortung in die Schuhe schieben will. Weil aber beide, Prien wie Piwarz, der CDU angehören, schien der Streit ein gewöhnlicher zwischen Regierungs- und Opposititionsparteien zu sein. SPD- und Grünenpolitiker*innen äußerten sich zwar ebenfalls kritisch gegenüber dem Bundesbildungsministerium blieben aber stets konziliant im Ton.

Einen ersten scharfen Angriff aus Reihen der Regierungsparteien unternahm das grün geführte Kultusministerium Baden-Württemberg in dieser Woche – vorgebracht allerdings noch nicht von der Kultusministerin selbst, sondern von ihrer Staatssekretärin (News4teachers berichtete).

Worum es geht: Die Festlegung auf eine nur hälftige Finanzierung des Digitalpakts 2.0 hat das Bundesbildungsministerium einseitig getroffen – ohne die Länder. Im Koalitionsvertrag der Ampel ist davon nichts zu lesen. Dort heißt es lediglich: „Wir wollen Länder und Kommunen dauerhaft bei der Digitalisierung des Bildungswesens unterstützen. Gemeinsam mit den Ländern werden wir einen Digitalpakt 2.0 für Schulen mit einer Laufzeit bis 2030 auf den Weg bringen, der einen verbesserten Mittelabfluss und die gemeinsam analysierten Bedarfe abbildet. Dieser Digitalpakt wird auch die nachhaltige Neuanschaffung von Hardware, den Austausch veralteter Technik sowie die Gerätewartung und Administration umfassen.“ Den ersten Digitalpakt, der im Mai ausgelaufen ist, hatte der Bund fast vollständig finanziert.

Jetzt kommt auch aus Reihen der Regierungspartei SPD scharfe Kritik am Kurs von Bettina Stark-Watzinger – und zwar von höchster Stelle: Die KMK-Präsidentin, Saarlands Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot, zeigt sich verwundert über die Botschaften aus Berlin. „Ich vergleiche den Digitalpakt gern mit dem Bau eines Hauses. So ein Projekt können Sie erst richtig planen, wenn die zur Verfügung stehende Investitionssumme geklärt ist“, so erklärt die prominente Sozialdemokratin in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

„Wenn die digitale Bildung künftig von der Finanzkraft der Länder oder einzelner Kommunen abhängt, dann werden wir nie nach vorne kommen“

Und weiter: „Bisher hat der Bund in dieser Hinsicht aber nur eines getan: Er hat einseitig festgelegt, dass er sich an der Finanzierung nicht mehr im Verhältnis 90 zu 10 beteiligen wird, wie noch beim ersten Digitalpakt, sondern nur noch mit der Hälfte. Das können, wollen und werden wir nicht hinnehmen. Wenn die digitale Bildung künftig von der Finanzkraft der Länder oder einzelner Kommunen abhängt, dann werden wir nie nach vorne kommen.“

Irritiert zeigt sich die KMK-Präsidentin darüber, dass die Fortführung des Digitalpakts im Entwurf für den Bundeshaushalt 2025, den die Ampel vergangene Woche vorgelegt hat, keine Erwähnung findet. „Die Länder haben kürzlich einstimmig per Entschließungsantrag im Bundesrat nochmals unsere Forderung an den Bund formuliert: Nötig sind jährlich mindestens 1,3 Milliarden Euro für die nächsten sechs Jahre. Leider ist nach wie vor nicht erkennbar, dass der Digitalpakt 2.0 im vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf des Bundeshaushalts 2025 berücksichtigt und finanzielle Mittel hinterlegt worden sind. Dies hat auf Länderseite zu sehr großen Irritationen geführt.“

Sie betont: „Der erste Digitalpakt ist bereits Mitte Mai ausgelaufen und nun warten die Schulen und Schulträger dringend auf die Fortsetzung. Es müssen vor Ort bereits Projekte auf Eis gelegt werden, weil die Anschlussfinanzierung unklar ist. Was wir brauchen, sind belastbare Zahlen und Planungssicherheit.“

Ist es überhaupt noch möglich, im kommenden Jahr mit dem Digitalpakt 2.0 zu starten? „Wir gehen jetzt in die Ferien und wir können den Schulen nicht sagen, wie es weitergeht. Das ist schlimm“, antwortet Streichert-Clivot – und verkneift sich eine Spitze gegen die Liberalen nicht: „Was mich besonders erstaunt, ist, dass ausgerechnet die FDP, die die Digitalisierung stets so nach vorne stellt, es jetzt bei erster Gelegenheit darauf ankommen lässt, den Digitalpakt über die Wupper gehen zu lassen. Nur, wenn wir jetzt schnell zu Potte kämen, könnte es mit dem Jahreswechsel noch klappen.“

Die Botschaft ist klar: Sonst steht ein Koalitionskrach ins Haus. News4teachers

Bricht die Ampel ihr Versprechen? Digitalpakt 2.0 in Gefahr: GEW fordert klare Zusagen von der Bundesregierung

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9 Kommentare
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Hysterican
1 Jahr zuvor

Koalitionskrach?
….oder sogar ein Koalitionsbruch???

Lächerlich!!

Als wenn die Ampel sich wegen der Bildungspolitik und so nem wurstigen Nebenkriegsschauplatz, wie der Digitalisierung zerlegen würde.
Aussage wird sein, dass die Länder darauf bestehen,dass Bildung ihre Angelegenheit ist und der Bund – v.a. die durchaus desinteressierte Betti Schwach Schwätzinger im Sinne ihrer eigenen Partei – hier versuchen wird, die eigenen Ausgaben zu drosseln – im lindner’schen Sinne der Schuldenbremse.

Interessant ist das doch lediglich an der Stelle, dass die Digitalisierung flächendeckend – unabhängig von der finanziellen Potenz der Länder oder Kommunen – gleichermaßen stattfinden soll.
Vermögende Kommunen oder nicht so hoch verschuldete Länder können die Kosten stemmen und dieses Vorhaben umsetzen bzw unterstützen – und die anderen, präkäreren Player verzichten zugunsten der grundlastigen Ausgabenpflichten auf dieses kostspielige “Extra”.

Ist also doch nicht egal, ob man z.B. in Raesfeld im Westmünsterland (meines Wissens nach eine der wenigen schuldenfreien Kommunen in NRW) oder in Gelsenkirchen oder Duisburg wohnt.

Aber das ist der Ampel doch völlig wumpe – die sind doch froh, wenn es ihnen gelingt, bei den relevanten politischen Themen einen halbwegs verträglichen Eindruck zu erzeugen … dieses Theater anzusehen ist alleine beschämend genug … da braucht es nicht noch Ausgabendebatten für den Bildungsbereich.

Eine sinnvolle und tragfähige Lösung wird es nicht geben – und die einzige Variante des Umgangs ist m.M.n. die, dass in den Kommunen, die sich die Ausgaben nicht leisten können oder wollen, die Schulen die Digitalisierung schlicht einstellen u d sich die KuK nicht mehr auf die Versprechen zum SanktNimmerleinstag vertrösten lassen oder wegen der leuchtenden Kinderaugen und der Forderungen seitens der Eltern bzw der Wirtschaft wieder eigenes Geld un die Hand nehmen , um diese wichtige gesellschaftliche Aufgabe aus eigener Tasche zu wuppen.

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hysterican

Perfekt analysiert!

Die Prioritäten haben sich geändert, für alle, die es noch nicht gemerkt haben.

“KEIN PRIVATES GELD FÜR SCHULDIGITALISIERUNG!”

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

So ist es.

Katze
1 Jahr zuvor

Was zu erwarten gewesen wäre.
Plusquamperfekt No Future!

Lilli
1 Jahr zuvor
Antwortet  Katze

Nun, wir müssen uns zuerst um die wichtigen Dinge kümmern. Da wäre die Finanzierung des Kampfes gegen den Klimawandel, sowie die Finanzierung der Unterstützung und des Wiederaufbaus der Ukraine.

447
1 Jahr zuvor

Eine andere Zeitung titelte (ungefähr), dass “Länder und Kommunen für die Ampelshow aufkommen sollen”.

Der Eindruck scheint gegeben.

Wie ich kürzlich erfuhr, kann ich nächstes Schuljahr weder durchgehend mit Internet rechnen noch mit Beamern.

Na ja, die Drohne ist ja nur stumpf, nicht dumm:
Die nur geringfügige Investition in einen echten office-Drucker amortisiert sich als konkrete Zeit- und Stressersparnis. 🙂

RainerZufall
1 Jahr zuvor

Ok… Wie sahen die Digitalisierungspläne der Länder aus?
Wenn der Bund schlechte Angebote macht, macht Euer Ding. Natürlich wird es langsamer gehen, aber die Länder haben dann 100% Kontrolle – und Verantwortung

Der Zauberlehrling
1 Jahr zuvor
Antwortet  RainerZufall

Aus der Verantwortung in Sachen “Wartung” hat sich Baden-Württemberg schon verabschiedet. Das Gezuchtel zwischen Land und Städtetag nimmt kein Ende, weil es ums Geld geht. Um viel Geld!

Aus dem Staatsanzeiger des Ländle (sogar Hochdeutsch) im Jahr 2022:

STUTTGART. Der Städtetag sieht das Land in der Pflicht, ab 2023 die Kosten für die Ausstattung neuer Lehrkräfte mit Laptops zu übernehmen. „Die Kommunen können sich zwar weiter um Beschaffung und Administration der Geräte kümmern, aber ab 2023 muss das Land als Arbeitgeber für neue Computer seiner Bediensteten aufkommen“, sagte Bildungsdezernent Norbert Brugger der Deutschen Presse-Agentur.
Derzeit verhandle man mit dem Land, wie es mit der Digitalisierung der Schulen weitergehe. Das 650 Millionen Euro starke Bundesprogramm und das 65 Millionen Euro teure Zusatzprogramm für Leihgeräte für Lehrer seien im Südwesten fast ausgeschöpft. Der Städtetag verlangt vom Land eine dauerhafte und vollständige Finanzierung von Lehrergeräten ab 2023. „Milliarden für digitale Schulen auszugeben und nichts für digitale Lehrergeräte macht absolut keinen Sinn“, so Brugger. Auch für den bis Jahresende geregelten Support und die Wartung müsse eine dauerhafte Lösung gefunden und gesetzlich verankert werden.

Und vom Städtetag:

..Der Städtetag weist nochmal darauf hin: Die Beschaffung und Administration digitaler Endgeräte für Lehrkräfte gehört nicht zum Aufgabenbereich kommunaler Schulträger. Pflichten haben Kommunen hier nur im Rahmen der Bundesförderprogramme „Leihgeräte für Lehrkräfte“ und „Administration“ übernommen, aber nicht dauerhaft. Die kommunalen Schulträger sind nicht verpflichtet, weitere digitale Endgeräte für Lehrkräfte an Schulen zu beschaffen und die Mittel des Bundesförderprogramms „Leihgeräte für Lehrkräfte“ sind ausgeschöpft.

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IT-Administrator gesucht! Bezahlung saumäßig, aber dafür viel Arbeit.

Hans Malz
1 Jahr zuvor

Das erinnert mich daran, den Einkaufszettel unserer Sekretärin zu schicken:
selbstklebende Tafelfolie
Kreide
Schwämme
Eimerchen
Trocken-Wischtücher

So, alles erledigt.