DÜSSELDORF. Sie sind erschreckend, die aktuellen Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudie ICILS 2023: Mehr als 40 Prozent der Achtklässler*innen in Deutschland sind kaum in der Lage kompetent mit digitalen Medien umzugehen (News4teachers berichtete). In dieser Gruppe mangelt es auch an Nachrichtenkompetenz. Ein eigenes Fach dafür braucht es trotzdem nicht, sagt ARD-Chef Kai Gniffke im Interview mit dem Deutschen Schulportal. Die Schule sieht er aber dennoch in der Verantwortung, damit verbundene Fähigkeiten zu vermitteln – durchaus aber mit Hilfestellung.
Die Vermittlung von Nachrichtenkompetenz ist ARD-Chef Gniffke zufolge „idealerweise“ Teil des Lehrplans. Dabei gehe es vor allem um die Fähigkeit, Quellen zu hinterfragen. „Entscheidend ist aus meiner Sicht, erst einmal eine Sensibilität für die Anbieter zu entwickeln“, erklärt er. Viele Schülerinnen und Schüler würden Informationen unkritisch aus Plattformen wie TikTok übernehmen, ohne die Hintergründe zu reflektieren. „TikTok ist aber keine Quelle, sondern eine Plattform, die Informationen unterschiedlichster Anbieter verbreitet.“ Erst wenn junge Menschen erkennen, mit welcher Absicht eine Information verbreitet werde, könnten sie Inhalte richtig einordnen.
Fälschungen erkennen, trotz KI
Ebenso könnten Schulen „gut vermitteln“, zwischen Wirklichkeit und Fälschung zu unterscheiden – auch wenn die Fälschungen durch künstliche Intelligenz (KI) zunehmend besser würden. „Es handelt sich immer um eine Art Indizienprozess, bei dem bestimmte Dinge auf ihre Plausibilität hin überprüft werden.“ So könne man etwa untersuchen, ob das Wetter auf einem Foto mit den tatsächlichen Verhältnissen an dem Tag übereinstimmt oder ob ein im Video verwendeter Dialekt in der angeblichen Region gesprochen wird. Das sei nicht neu. Mit Blick auf die zunehmende Verbreitung von KI empfiehlt Gniffke, „selbst KI-Experte zu sein“. Die Technik könne nicht nur beim Erstellen, sondern auch beim Erkennen von Fälschungen helfen.
Ein eigenes Schulfach Medienkompetenz braucht es aus Sicht des ARD-Vorsitzenden jedoch nicht. Schüler*innen sollten stattdessen in den verschiedensten Fächern lernen, wie sie im Netz nach verlässlichen Informationen suchen können. „Das ist eine tägliche Aufgabe in der Schule und kann nicht auf ein Fach reduziert werden.“
Öffentlich-rechtliche Unterstützung
Allerdings sieht Gniffke den Unterstützungsbedarf der Lehrkräfte deutlich: „Ich erlebe, dass Lehrerinnen und Lehrer oft Mühe haben, die immer neuen Plattformen und Tools kennenzulernen, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler täglich beschäftigen.“ Das könne die Glaubwürdigkeit beeinträchtigen, wenn es darum gehe, Medienkompetenz in der Quellenanalyse zu vermitteln. Hier müsse auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk Unterstützung leisten. „Für uns […] gehört die Vermittlung von Medienkompetenz zu unserem Auftrag.“
Um junge Menschen zu erreichen, setze die ARD daher verstärkt auf Plattformen wie TikTok, Instagram und Twitch. „Unsere Aufgabe ist, dort zu sein, wo die Menschen unsere Inhalte nutzen möchten“, betont Gniffke. Er verweist darauf, dass sowohl das erfolgreichste deutsche Nachrichtenangebot auf TikTok als auch auf Instagram die Kanäle der Tagesschau seien.
Auch das neue Nachrichtenformat auf der Streamingplattform Twitch sei Teil dieser Strategie. „Twitch ist eine Plattform für Gamer. Und dass wir dort eine Präsenz haben, folgt der Erkenntnis, dass 40 Millionen Deutsche spielen – wir sprechen hier also nicht von einer Randgruppe“, so Gniffke. Wichtig sei, die Inhalte jeweils plattformgerecht aufzubereiten, da die Informationsvermittlung beispielsweise auf TikTok anders funktioniere als im Fernsehen oder Radio. Das sei natürlich mit Mehraufwand und zusätzlichen Ressourcen verbunden. „Wenn wir das aber nicht tun würden, dann würden wir uns reduzieren auf den Bevölkerungsteil, der älter als 50 Jahre ist, und so der Demokratie einen Bärendienst erweisen.“ News4teachers
