ULM. Weil er seinen ehemaligen Lehrer angegriffen und schwer verletzt haben soll, steht ein 23-Jähriger in Ulm vor Gericht. Kurz vor dem Urteil gibt es eine überraschende Wende – nicht die erste in dem Fall.

Im Prozess um den Angriff auf einen Lehrer in Ulm hat das Landgericht den 23 Jahre alten Angeklagten auf freien Fuß gesetzt. Zwei Tage vor der geplanten Urteilsverkündung wurde er jetzt aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Haftbefehl sei aufgehoben worden, sagte eine Gerichtssprecherin. Die Kammer habe keinen dringenden Tatverdacht gegen den Mann mehr gesehen. Wichtige Indizien seien entkräftet. Weitere Details nannte die Sprecherin nicht. Ein Urteil in dem Verfahren soll am morgigen Mittwoch fallen.
Vor Gericht hatten zuvor Zigarettenstummel mit DNA-Spuren des Tatverdächtigen eine wesentliche Rolle gespielt, wie der SWR berichtete. Diese waren in der Nähe des Tatorts in Ulm-Wiblingen gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft wollte anhand der Zigarettenstummel beweisen, dass der 23-Jährige zum Tatzeitpunkt an der Sägefeldschule war. Ein Sachverständiger präsentierte jedoch ein Gutachten, wonach die Zigarettenstummel schon länger dort an der Schule gelegen hätten, also auch schon vor dem Angriff auf den Lehrer. Sie seien durchnässt gewesen, es hatte allerdings vor dem Angriff mehrere Tage nicht geregnet.
Ein Polizeibeamter hatte in dem Prozess ausgesagt und geschildert, was auf dem Handy des Lehrers in passwortgeschützten Ordnern gefunden wurde
Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer trotzdem eine Haftstrafe von acht Jahren, der Anwalt des Opfers schloss sich der Forderung an, so die Gerichtssprecherin. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 23-Jährigen versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte den damals 34 Jahre alten Lehrer im vergangenen Februar mit einer Art Baseballschläger auf den Kopf geschlagen und lebensgefährlich verletzt haben.
Der Verteidiger des Angeklagten beantragte demnach den Freispruch seines Mandanten. Er hatte in einer Erklärung beim Prozessauftakt deutlich gemacht, dass sein Mandant weiter seine Unschuld beteuert. «Und das aus gutem Grund: Er hat die Tat nicht begangen», erklärte der Verteidiger. Drei Wochen nach der Tat war der frühere Schüler des Lehrers festgenommen worden.
Die aktuelle Wende ist nicht die erste Überraschung in dem Fall. Ein Polizeibeamter hatte in dem Prozess ausgesagt und geschildert, was auf dem Handy des Lehrers in passwortgeschützten Ordnern gefunden wurde: Fotos von mindestens 23 ehemaligen Schülern aus den Jahren 2016 bis 2023. Die Aufnahmen zeigen nur Jungen, keine Mädchen. Es handele sich dabei meist um Fotos und auch Videos von sexuellen Handlungen. Aufnahmen des Angeklagten sind nach SWR-Informationen nicht auf dem Handy gefunden worden. Die Schüler waren, als die Fotos entstanden, zum Teil erst 13 Jahre alt. Sie hätten die Bilder an den Lehrer geschickt, wohl für Gegenleistungen wie bessere Schulnoten, Zigaretten oder Geld, so der Ermittler.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte den Lehrer aus Rache wegen der sexuellen Übergriffe auf Schüler niedergeschlagen haben. Der Mann war Ende Februar mit einem Baseballschläger oder einem ähnlichen Gegenstand lebensgefährlich verletzt worden. An den Angriff kann sich das Opfer aber nach eigenen Angaben nicht mehr erinnern.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen den 34-Jährigen und lässt prüfen, ob er trotz seiner Beeinträchtigungen verhandlungsfähig ist. Offenbar reichen die Erkenntnisse der Behörde aus, um den Lehrer anzuklagen. Während des Prozesses wurde der Mann mit einem Rollstuhl in den Gerichtssaal geschoben. Laut Gutachter ist er zu 100 Prozent erwerbsunfähig. Vor Gericht brachte der Pädagoge nur wenige Worte heraus. News4teachers / mit Material der dpa
Versuchter Totschlag: Ehemaliger Schüler soll Lehrer angegriffen haben – wegen Missbrauchs?