ASCHAFFENBURG. Das Entsetzen nach der Gewalttat in Aschaffenburg ist groß. Viele Menschen kommen zum Gedenken zusammen. Unterdessen versuchen Politiker – allen voran: die AfD – die Opfer politisch zu instrumentalisieren. Der Flüchtlingsrat fordert eine bessere Betreuung von Asylbewerbern. Die verletzte Erzieherin konnte das Krankenhaus mittlerweile verlassen.
Die Ermittler arbeiten nach eigenen Worten intensiv an der Aufklärung des Verbrechens mit zwei Toten und drei Schwerverletzten. Der Verdächtige ist derweil in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht. Inwiefern er Hilfreiches zur Aufklärung beisteuern kann, bleibt zunächst offen.
Am Abend hatte die AfD zu einer Kundgebung geladen, an der auch der rechtsextreme Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke teilnahm. Begleitet von Protesten warf er Regierungspolitikern vor, verantwortlich für Taten wie die in Aschaffenburg zu sein.
An eine Andachtsstätte mit zahlreichen Kerzen nahe dem Tatort im Park Schöntal kam Höcke zunächst nicht heran, da Gegendemonstranten sich davor positioniert hatten. Später legten er und andere AfD-Funktionäre Blumen an einer anderen Andachtsstätte nieder. Höckes Auftritt war durchgehend begleitet von „Nazis raus“-Rufen.
Ermittler geben sich zugeknöpft
Die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg und die Kriminalpolizeiinspektion Aschaffenburg wollen an Tag zwei nach der Tat keine Einzelheiten zum Ermittlungsstand veröffentlichen. „Unter anderem, weil selbstverständlich eine mögliche Beeinflussung der Erinnerung von Zeugen ausgeschlossen bleiben muss“, begründete Oberstaatsanwalt Marco Schmitt diese Entscheidung.
So bleibt unter anderem offen, ob die Leichen der Todesopfer – ein zweijähriger Junge mit marokkanischer Herkunft und ein 41 Jahre alter Deutscher – bereits obduziert wurden und an welchen Verletzungen sie starben.
Zwei Verletzte noch in Klinik
Auch Details zum möglichen Tatablauf gibt es nicht. Öffentlich bekannt ist daher nicht, ob die Ermittler davon ausgehen, dass der verdächtige Afghane gezielt die Kinder einer Kita-Gruppe mit einem Küchenmesser angriff. Dabei wurden ein zweijähriges, syrisches Mädchen und ein 72 Jahre alter Deutscher schwer verletzt. Zudem brach sich eine Erzieherin in dem Tumult einen Arm.
Die 59 Jahre alte Deutsche konnte am Donnerstag, einen Tag nach dem Angriff in einem Aschaffenburger Park, das Krankenhaus verlassen. Die beiden anderen Verletzten befinden sich nach wie vor in einer Klinik. „Das Kind wird nicht vor Montag entlassen“, sagte ein Polizeisprecher.
Verdächtiger in Bezirkskrankenhaus
Der verdächtige 28-Jährige ist seit Donnerstag in einer psychiatrischen Einrichtung. Die Ermittlungsrichterin am Amtsgericht Aschaffenburg hatte einen Unterbringungsbefehl erlassen. Das ist üblich, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass ein Verdächtiger zur Tatzeit aufgrund einer psychischen Erkrankung schuldunfähig war.
Dem 28-Jährigen werden zweifacher Mord, zweifacher versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft hat er sich zunächst nicht zu den Vorwürfen geäußert. Er war vor der Tat in psychiatrischer Behandlung und hatte entsprechende Medikamente. Die Anteilnahme an dem blutigen Geschehen ist groß. Am Donnerstagabend kamen um die 3.000 Menschen zu einem stillen Gedenken in den Park.
Für Samstag plant ein Bündnis verschiedener gesellschaftlicher Akteure namens „Aschaffenburg ist bunt“ ein Gedenken am Theaterplatz der Stadt, wie das Bündnis auf Facebook mitteilte. Unter dem Motto „Aschaffenburg steht zusammen!“ wollen sich die Teilnehmer gegen eine Instrumentalisierung der Tat wenden.
Die zentrale Trauerfeier der Stadt soll am Sonntag stattfinden. Daran wollen auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) teilnehmen. Zu der Gedenkfeier mit ökumenischem Gottesdienst in der Stiftskirche sind nur geladene Gäste zugelassen. Ob auch Angehörige der Opfer teilnehmen werden, war zunächst unklar.
Söder ordnete für Sonntag eine bayernweite Trauerbeflaggung an. Zudem bleiben die städtischen Museen an diesem Tag geschlossen. Seit dem Messerangriff gibt es zahlreiche Reaktionen verschiedener politischer Lager. Der Bayerische Flüchtlingsrat beklagt eine Instrumentalisierung der Tat durch führende Politiker für ihre Wahlkampfinteressen. „Politische Versprechen vom Kanzlerkandidaten (Friedrich) Merz (CDU) wie “Grenzen zu für Geflüchtete”“ seien „die faktische Abschaffung des Asylrechts“. Das sei keine Lösung.
Der Flüchtlingsrat forderte stattdessen eine bessere Gewaltprävention und eine bessere Früherkennung und Behandlung von psychischen Erkrankungen bei Flüchtlingen sowie die Unterbringung von Erkrankten in Wohngruppen.
Kabarettist Priol kritisiert CSU
Der Aschaffenburger Kabarettist Urban Priol (63/„Neues aus der Anstalt“) kritisierte die bayerische Staatsregierung scharf. „Es ist schlimm, wie versucht wird, diese entsetzliche Tat politisch zu instrumentalisieren, um einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen“, sagte er der und sprach von einem „erbärmlichen Argumentationsniveau“ und „Scheinchristen der CSU“. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Söder (beide CSU) seien sehr schnell damit gewesen, der Bundesregierung in Berlin und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Schuld zuzuschieben. News4teachers / mit Material der dpa
“Unvermittelt und gezielt”: Afghane greift Kita-Gruppe mit Messer an, zwei Tote
Tendenziell wäre das wünschenswert, jedoch gibt es aufgrund der riesigen Anzahl von Menschen, die Unterstützung brauchen, kaum Ressourcen.
Sämtliche Bereiche sind inzwischen betroffen.
Viele vergessen immer, dass das alles Geld kostet.
Von den AfD-Anhängern darf man nichts i.S. des Artikels erwarten. Aber was ist mit dem großen anderen Teil der Gesellschaft? Eigentlich sollte hier von einem Andrang auf entsprechende Ehrenämter auszugehen sein. Ist aber nicht so. Warum?
Was konkret verstehen Sie unter “entsprechenden Ehrenämtern”? Sollen Ehrenamtliche psychisch Kranke therapieren? Oder was meinen Sie?
Ehrenamtlich kann man sich vielfältig in der Flüchtlingshilfe engagieren.
Richtig! Das tun auch viele, die ich kenne. 2015/16 waren es sehr, sehr viele – warum sind es weniger geworden? irgendwas ist da wohl nicht so gut gelaufen – viele fühlten sich überfordert, zu wenig unterstützt und zu wenig wertgeschätzt. (Was nichts kostet, ist nichts wert?) Und wer sind denn die meisten Ehrenamtlichen? Wer hat die Zeit (und Kraft), sich in der Freizeit (über längere Zeit) noch ehrenamtlich zu engagieren? Es sind oft die “halbgebildeten Alten”, die “Boomer”, die im teuren Wohnmobil auf Kosten der jüngeren Generationen leben. (letzter Satz = Sarkasmus). Die jüngeren Generationen sind mit Job und Familie genug ausgelastet. Manche engagieren sich trotzdem noch (Chapeau!). Aber das kann doch nicht die (alleinige) Lösung sein! Auf der anderen Seite werden Stellen im Sozialbereich wegen Sparmaßnahmen gekürzt (in meinem Kiez 2 Sozialarbeiter, die ich persönlich kenne und im Kiezclub um die Ecke habe ich seit Beginn des Jahres auch auffällig weniger Leute als früher gesehen – da muss ich aber noch nachfragen, wieso die da nicht mehr arbeiten). Läuft, jedenfalls hier im Berliner Brennpunkt!
Und genau das ist der Kern des Ganzen. Natürlich sollte man unbedingt GEGEN Rechts auftreten. Aber das klärt nicht, WOFÜR man eigentlich steht und was man DAFÜR tut. Mich erinnert da vieles an die Verhaltensweisen solcher Eltern, die nach eigenen Angaben in der Mitte der Gesellschaft stehen, aber bei der Schulauswahl für die eigenen Kinder einen ganz großen Bogen um die sogenannten Brennpunktschulen machen… Es ist häufig ein Stück Scheinheiligkeit dabei.
Entschuldigung! Diesen Kommentar verstehe ich jetzt nicht! Was genau soll wer, wie tun und welche Ehrenamtlichen erwarten Sie? Welche “Scheinheiligkeit” bei Ehrenämtlern sehen/vermuten Sie?
Das habe ich nicht geschrieben. Ich beziehe mich auf die NICHT-Ehrenämtler…
Das Warum ist die zentrale Frage und sollte bei der Wahl.beachtet werden.
https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2021/heft/6/beitrag/nato-das-2-ziel-im-kontext.html
Kommt auch darauf an, für was man Geld ausgeben möchte. Interessant hier der Europavergleich.
Da Deutschland einen großen Teil der Fluchtlingskrise schultert, sollte es Imho an anderer Stelle entlastet werden.
“Viele vergessen immer, dass das alles Geld kostet.”
Nicht nur das. Es kostet auch personelle Resourcen, die entweder knapp oder gar nicht da sind.
„Es ist schlimm, wie versucht wird, diese entsetzliche Tat politisch zu instrumentalisieren, um einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen“
Absolut!!!
Unwürdig, wie “die Politik” (“C”DU/”C”SU) damit umgeht!
Ich empfinde das auch als Affront gegen all jene, die versuchen, die Missstände und fehlenden Ressourcen durch persönliches Engagement aufzuwiegen, nicht zuletzt Lehrer und Erzieher, die sich seit Jahrzehnten den A… aufreißen, um trotz fehlender/nicht in ausreichender Qualität und Quantität zur Verfügung gestellter Ressourcen die zugewanderten Kinder und deren Familien anzubinden, ihnen Hilfe, Bildung und emotionale Anbindung anzubieten, den Kindern Schulabschlüsse zu ermöglichen, sie zu steuerzahlenden Mitgliedern der Gesellschaft zu bilden…
Ich empfinde es als programmatische Missachtung meiner persönlichen Arbeit seit Jahrzehnten, wenn Politiker keine andere Lösung wissen, als Zuwanderer rauszuschmeißen und Grenzen dicht zu machen.
Wie sollen wir das unseren Schülern erklären? Sie kommen ja trotzdem, fühlen sich aber dann noch mehr “unwillkommen” und viele sehen sich dann auch noch mehr in ihrer Haltung bestärkt, dass “alles eh keinen Zweck hat”.
Das untergräbt ganz konkret die Arbeit in der Schule! Mit derart vorgeprägten Kindern/Jugendlichen können wir unsere Ziele (Grundbildung, Alphabetisierung, Abschluss…) immer weniger erreichen, müssen immer mehr investieren, um überhaupt noch Erfolge zu haben.
Und das sind keine Investitionen der Politik, der Gesellschaft – es hängt alles allein am persönlichen Einsatz der Erzieher und Lehrkräfte, die eh schon längst auf dem Zahnfleisch gehen.
Bei mir kommt ganz stark der Eindruck auf dass demnächst in Schulen sortiert wird nach Kindern, bei denen es sich laut irgendeiner Regierung lohnt, Arbeit und Geld zu investieren und denen, die am besten gar nicht erst hingehen. Hatten wir schon. Vor 30 Jahren gab es kein Recht der zugewanderten Kinder, in einer Schule aufgenommen zu werden. Da hingen sie an den Bahnhöfen und in den Parks herum, während ihre Altersgenossen in der Schule saßen.
Eigentlich sind doch alle froh, dass das nicht mehr so ist.
Fühlen sie sich aber nicht willkommen, werden sie einfach nicht hingehen – Schulpflicht hin oder her. Es kann ihnen ja nichts passieren. Bußgelder greifen bei Hilfeempfängern nicht…
DANN haben wir ein Problem mit Zugewanderten – nicht wenn wir sie selbstverständlich als Mitglieder der Gesellschaft sehen und sie und ihre Kinder auch so behandeln!
DANACH haben wir ein Problem, wenn keine Arbeitskräfte mehr nachwachsen!
Jeder aus den “C” und “A”-Parteien, die sich offenbar plötzlich so mögen, darf gerne mal überlegen, was passiert, wenn mitmenschlich denkende und zukunftsorientierte Lehrer mal die Arbeit niederlegen oder kündigen, weil sie ein solches Menschenbild , wie es derzeit von Merz und Co. kommuniziert wird, nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren und nicht mehr mittragen können.
DANN hat Deutschland ein Problem!
Die Tat wird politisch instrumentalisiert – einmal eine Frage: Wie sonst sollte man sie instrumentalisieren, wenn nicht politisch? Es ist dabei gleich ob man Abschiebung für Kriminelle oder bessere Betreuung für Psychiatriepatienten fordert, all das hängt doch an der Politik. Aus Ereignissen erwachsen Forderungen an diese.
“Politische Instrumentalisierung” ist selbst schon Framing. Selbst hier wird auf die Wahlen im Februar geguckt.
Ich selbst ärgere mich auch sehr, dass solche Täter die Ziele der Humanität zerstören. Eigentlich müsste die AfD gar nichts sagen, die können sich Popcorn holen und zugucken, wie der Wählerwille in ihre Richtung geht.
Es gäbe ja auch noch die Möglichkeit, sachlich über Lösungen zu diskutieren – statt eine solche Tat politisch zu instrumentalisieren. Dabei ist übrigens nicht der Begriff “politisch” das Problem.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Ich glaube, das ist wie nach den Wahlen, wenn die Partei mit den herben Verlusten in die Kameras posaunt, sie wolle ihre gute Politik den Bürgern künftig besser erklären. Daran habe es in letzter Zeit gemangelt.
Und ich fordere die Anzahl der Lehrer zu verdoppeln für Teamteaching für alle. Meine Forderung krankt nur leider an den gleichen Problemen, zu wenig Personal und zu wenig Geld (wobei man auch mit mehr Geld nur langsam eine Verbesserung erreicht, weil Personal auszubilden auch Zeit kostet).
Vermutlich müssen wir als Gesellschaft einfach damit leben, dass es jedes Jahr mehrere Todesfälle durch Vorfälle wie in Aschaffenburg oder Solingen gibt. An die Verkehrstoten haben wir uns ja auch gewöhnt.