Die Kritik an den neuen Regeln zum Übergang aufs Gymnasium reißt nicht ab. Die bisherigen Ergebnisse von den Probetagen für Schüler ohne Gymnasialempfehlung heizen die Diskussion erneut an. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin kritisierte, die neue Regelung verstärke die Auslese beim Übergang aufs Gymnasium.
«Anstatt die richtige Entscheidung für die Abschaffung des Probejahrs an den Gymnasien für eine Weiterentwicklung zu mehr Inklusion in der gesamten Schullandschaft zu nutzen, hat der Senat sich für Abgrenzung entschieden. Viele Kinder erhalten nun keinen Zugang zum Gymnasium. Die Schulgesetzänderung von 2024 stärkt die Gymnasien als elitäre Bildungseinrichtung», sagte GEW-Landeschefin Martina Regulin. Bei einem schlechteren Durchschnitt als 2,2 mussten in diesem Jahr Kinder erstmalig den sogenannten Probeunterricht absolvieren – an einer für sie völlig fremden Schule, wie Regulin betonte.
«Die Frage ist nun, wie sichergestellt wird, dass alle Kinder, die nicht an Gymnasien aufgenommen werden können, einen Schulplatz an einer Integrierten Sekundarschule oder Gemeinschaftsschule bekommen. Der Mangel an Schulplätzen ist seit Jahren sehr hoch», erläuterte Regulin. Aus Sicht der GEW hat Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hierauf noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden.
«Der restriktive Zugang zum Gymnasium und auch die Verengung der Förderprognose auf Mathematik, Deutsch und Englisch stehen für eine rückwärtsgewandte Bildungspolitik», kritisierte Regulin. Da schulische Leistung besonders stark von der sozialen Herkunft von Kindern abhängt, kommt es beim Übergang an die weiterführende Schule de facto zu einer Aufteilung nach sozialer Herkunft.
«Die Förderung aller Kinder in der erweiterten Schule muss im Vordergrund stehen, das Aufteilen auf verschiedene Schulformen treibt die gesellschaftliche Spaltung voran. Es ist ein grundsätzliches Problem, das endlich angegangen werden muss. Wir fordern Reformen hin zu längerem gemeinsamen Lernen und zu echter Inklusion. Die gesellschaftliche Diversität sollte sich an allen Schulen abbilden. Alle Kinder sollten gute Entwicklungsmöglichkeiten erhalten», forderte Regulin.
Grüne kritisieren neue Regelung als schwerwiegenden Fehler
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Marianne Burkert-Eulitz, sieht die neue Regelung ebenfalls skeptisch. «Die Einführung des Probeunterrichts als Zugangsvoraussetzung für das Gymnasium war ein schwerwiegender Fehler», sagte sie. «Nur 2,6 Prozent der Kinder haben bestanden – das ist ein klarer Beleg für eine verfehlte Bildungspolitik.» Die Politik der CDU-geführten Bildungsverwaltung verstärke soziale Ungleichheit, statt allen Kindern faire Bildungschancen zu ermöglichen.
«Während Gymnasien bevorteilt werden, stehen Integrierte Sekundarschulen unter wachsendem Druck – mehr Schülerinnen und Schüler, aber weniger Ressourcen», so die Grünen-Politikerin. «Das ist ungerecht und nicht hinnehmbar. Die CDU muss diesen gescheiterten Versuch rückgängig machen.»
FDP-Landesvorsitzender Christoph Meyer kritisierte, die Ergebnisse beim Probeunterricht seien ein Armutszeugnis für den Senat und die Bildungsverwaltung. «Jahrelange ideologische Experimente haben unser Schulsystem an die Wand gefahren.» Die Leidtragenden seien die Kinder. «Statt Leistungsstandards abzusenken, braucht es endlich echte Reformen: mehr Autonomie für Schulen, bessere Ausstattung, mehr Lehrpersonal und gezielte Förderung.»
Strengere Vorgaben für den Notendurchschnitt
Laut der Bildungsverwaltung haben nur wenige Kinder einen ersten Durchlauf des Probeunterrichts für Schüler ohne Gymnasialempfehlung bestanden. Demnach konnten gerade 2,6 Prozent der 1.937 Teilnehmer ihre Eignung nachweisen und dürfen sich damit zum kommenden Schuljahr an einem Gymnasium anmelden. Angehende Siebtklässler bekommen nach dem Willen von Bildungssenatorin Günther-Wünsch nur bei einer Durchschnittsnote bis 2,2 eine Empfehlung für das Gymnasium und ab 2,3 eine für eine Integrierte Sekundarschule oder Gemeinschaftsschule.
Grundsätzlich galt das auch bisher. Schulen hatten bei einem Notenschnitt von 2,3 bis 2,7 aber noch Ermessensspielraum für eine Gymnasialempfehlung. Schüler, deren Eltern trotz nicht ausreichender Noten auf einem Besuch des Gymnasiums bestanden, konnten dort ein Probejahr absolvieren. Dieses Modell wird nun durch den Probeunterricht abgelöst. News4teachers / mit Material der dpa
Erster Durchlauf: Nur jeder 40. Schüler besteht den Probeunterricht fürs Gymnasium
