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Deutscher Lehrkräftepreis: „Habt Vertrauen in die Kraft eures Berufes!“ Was Preisträgerin Khader den Kollegien mit auf den Weg geben möchte

FRANKFURT/MAIN. Jasmin Khader ist Lehrerin an der Liebigschule in Frankfurt am Main. Und (wie viele andere Lehrkräfte auch) noch mehr: Sie ist Wegbegleiterin, Mutmacherin – und Vorbild. Die frisch ausgezeichnete Trägerin des Deutschen Lehrkräftepreises, sie wurde dafür von ihren ehemaligen Schülerinnen und Schülern vorgeschlagen, spricht im Interview über ihren unkonventionellen Weg in den Schuldienst, die Bedeutung von Ethikunterricht in einer diversen Gesellschaft und ihre Vision eines Bildungssystems, das jedes Kind sieht – unabhängig von Herkunft oder sozialem Status. Dabei wird klar: Für Jasmin Khader ist Schule nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sondern vor allem ein Raum, in dem Menschlichkeit wachsen soll.

„Schule ist für mich nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sondern auch ein Raum, in dem Werte wachsen müssen“: Lehrerin Jasmin Khader – Preisträgerin des Deutschen Lehrkräftepreises 2024. Foto: Nancy Hirzmann

News4teachers: In Ihrem Ethikunterricht behandeln Sie Themen wie Demokratie, Vielfalt oder Ausgrenzung und Rassismus. Warum liegen Ihnen diese Themen besonders am Herzen?

Jasmin Khader: Ich habe selbst erfahren, wie es sich anfühlt, übersehen, ausgegrenzt und unterschätzt zu werden. Ebenso weiß ich, wie viel Mut es erfordert, die eigene Stimme zu finden und sie zu erheben – und wie kraftvoll und heilend es zugleich sein kann, wenn jemand an einen glaubt. Schule ist für mich deshalb nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sondern auch ein Raum, in dem Werte wachsen müssen. Respekt, Gerechtigkeit, Empathie, Demokratie und Vielfalt dürfen keine Randthemen sein, sondern müssen fest im Bewusstsein von Kindern und Jugendlichen verankert werden. Ausgrenzung darf keinen Platz haben. Je früher junge Menschen für diese Themen sensibilisiert werden, desto stärker wird eine Gesellschaft, die auf Mitmenschlichkeit und Verantwortung aufbaut. Eine bessere Gesellschaft entsteht nur, wenn Menschen dorthin schauen, wo Ungerechtigkeit geschieht, und sich aktiv für Veränderung einsetzen.

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News4teachers: Sind Sie aus dieser Motivation heraus Lehrerin geworden? War dies schon immer Ihr Traumberuf?

Khader: Lehrerin zu werden, war für mich kein klassischer Berufswunsch. Der Wunsch, Menschen zu begleiten, sie zu motivieren, neue Perspektiven zu eröffnen und Räume zu schaffen, in denen jeder Mensch wachsen kann – unabhängig von Herkunft, sozialem Status oder äußeren Zuschreibungen – stand für mich im Vordergrund. Ein sozialer Beruf erschien mir dafür besonders geeignet. Dabei war es mir wichtig, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern junge Menschen auf ihrem Weg zu bestärken und sie darin zu unterstützen, an sich selbst zu glauben. In der Rolle als Lehrkraft sah ich die Möglichkeit, tatsächlich etwas zu bewirken und Veränderungen anzustoßen. Ich möchte meinen Schülerinnen und Schülern Türen öffnen und Hoffnung geben.

Deutscher Lehrkräftepreis – die neue Runde

Die Bewerbungsphase für den „Deutschen Lehrkräftepreis – Unterricht innovativ“ 2025 läuft. Machen Sie mit! Empfehlen Sie (als ehemaliger Schüler bzw. ehemalige Schülerin) Ihre frühere Lehrkraft! Würdigen Sie (als Kollegium) Ihre tolle Schulleitung! Oder bewerben Sie sich (als Lehrkräfte-Team) mit Ihrem innovativen Unterrichtskonzept!

Gesucht werden engagierte Lehrkräfte, Lehrkräfte-Teams und vorbildliche Schulleitungen aller deutschen Schulformen (auch im Ausland). Schülerinnen und Schüler der Abschlussjahrgänge 2024/2025, Lehrkräfte-Teams und Kollegien können ihre Vorschläge bzw. Bewerbungen unter www.lehrkraeftepreis.de bis zum 30.6.2025 einreichen.

Über die Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger des „Deutschen Lehrkräftepreises – Unterricht innovativ“ entscheidet nach einer intensiven Gutachterphase eine hochkarätig besetzte Jury unter Vorsitz von Prof. Dr. David-S. Di Fuccia (Universität Kassel). Die Träger des Wettbewerbs, der Deutsche Philologenverband und die Heraeus Bildungsstiftung, wollen mit der Auszeichnung die Leistungen von Lehrkräften und Schulleitungen würdigen und in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung rücken.

News4teachers: Und deshalb haben Sie sich neben den Fächern Deutsch als Zweitsprache, Englisch und Französisch für das Fach Ethik entschieden…

Khader: Ethik ist für mich nicht einfach ein Schulfach, sondern ein Dialog über das Menschsein. Es geht dabei nicht nur um abstrakte Theorien, sondern um grundlegende Fragen unseres Lebens: Wie sollen wir miteinander umgehen? Was bedeutet es, gerecht zu handeln? Wie können wir Verantwortung übernehmen oder uns gegenseitig respektieren?
Ich habe mich vor allem für das Fach Ethik entschieden, weil ich jungen Menschen nicht nur Wissen vermitteln, sondern ihnen auch eine Haltung mit auf den Weg geben möchte. Eine Haltung, die sie zu reflektierten und empathischen Persönlichkeiten werden lässt.

In einer pluralistischen Gesellschaft betrachte ich es als zentrale Aufgabe von Lehrkräften, Räume für Dialog zu eröffnen, in denen jede und jeder die Möglichkeit hat, sich zu entfalten und zu wachsen. Ethik bietet den Raum, sich selbst zu begegnen. Diese Form der Bildung ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern nicht nur, die Welt besser zu verstehen, sondern auch sich selbst und ihren Platz in dieser Welt zu finden.

Ethik ist meine Leidenschaft und eines der wichtigsten Fächer, weil es die Vermittlung von Werten sowie die Förderung interkultureller Kompetenz und des kritischen Denkens ermöglicht – besonders in einer heterogenen Schülerschaft mit unterschiedlichen Glaubensrichtungen, sozialer Herkunft und Lebenserfahrungen. Wenn all diese Perspektiven im Unterricht aufeinandertreffen, entsteht ein gegenseitiges Lernen, das von unschätzbarem Wert ist.

„Respekt, Gerechtigkeit, Empathie, Demokratie und Vielfalt dürfen keine Randthemen sein, sondern müssen fest im Bewusstsein von Kindern und Jugendlichen verankert werden.“

News4teachers: Hat Ihr eigener Migrationshintergrund in Ihrer beruflichen Laufbahn eine Rolle gespielt?

Khader: Meine Erfahrungen haben mich auf sehr prägende Weise beeinflusst. Sie waren teils eine Ressource, aber oft auch eine große Herausforderung. Schon früh habe ich gelernt, in zwei Welten zu denken, mich ständig erklären zu müssen und mich dennoch nie ganz zugehörig zu fühlen. Dieses Fremdsein war ein ständiger Begleiter, da ich erlebt habe, wie schnell Menschen in Schubladen gesteckt werden und wie selten jemand hinterfragt, was tatsächlich dahintersteckt.

Diese Erfahrungen haben in mir eine besondere Sensibilität für Themen wie Ausgrenzung, Chancengleichheit und kulturelle Identität geweckt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, sich anpassen zu müssen und ausgegrenzt zu werden. Gleichzeitig haben diese Erlebnisse meinen Wunsch bestärkt, als Lehrerin einen Unterschied zu machen. Mein Ziel ist es, Kindern Mut zu geben, ihre Wurzeln zu stärken und sich selbstbewusst in unserer Gesellschaft zu bewegen.

Dabei bin ich auch mit strukturellen Vorurteilen konfrontiert worden – wie zum Beispiel mit unterschwelligen Zweifeln an meiner Kompetenz und höheren Hürden auf dem Weg zur Anerkennung, weil ich mich immer wieder erklären musste. Dennoch war es mir ein Anliegen, zu zeigen, dass Herkunft kein Hindernis ist, sondern eine Quelle von Vielfalt, Perspektivreichtum und Stärke. Heute sehe ich es als meine Aufgabe, insbesondere für Schülerinnen und Schüler mit ähnlichen Erfahrungen eine Lehrerin zu sein, die sie wirklich sieht und die an sie glaubt.

News4teachers: Sind aus Ihrer Sicht Lehrkräfte mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen unterrepräsentiert? Und wenn ja, woran liegt das und wie kann Abhilfe geschaffen werden?

Khader: Das Lehrerzimmer bildet aus meiner Sicht die Vielfalt unserer Gesellschaft nicht ab. Für viele Kinder bedeutet das, dass sie ohne Vorbilder aufwachsen, die ihre Erfahrungen widerspiegeln. Die Schüler*innen aus verschiedenen Kulturen sehen kaum Menschen, die ihnen zeigen, dass man auch im Bildungsbereich erfolgreich sein kann.
Man entwickelt dann auch kein Vertrauen in sich selbst, um vielleicht selbst Lehrkraft zu werden, weil es so wenige repräsentative Vorbilder mit Migrationshintergrund gibt. Oft fehlen auch gezielte Förderung, Mut machende Geschichten oder echte Chancen auf dem Weg in den Beruf. Es gibt strukturelle Barrieren, fehlende Netzwerke und unausgesprochene Vorurteile.

Besonders in höheren Schulformen sind die Chancen, in den Lehrerberuf einzutreten, sehr begrenzt. Ich bin auch der Meinung, dass man in Führungspositionen im Bildungsbereich sehr wenige Lehrkräfte mit Migrationshintergrund findet. Um das zu ändern, müssen wir umdenken. Hier braucht es gezielte Förderprogramme, die Menschen mit entsprechenden Hintergründen auf ihrem Weg ins Lehramt begleiten. Die Ausbildungspfade und der Zugang zum Lehrerberuf müssen so gestaltet sein, dass Herkunft keine Hürde darstellt. Ich finde, wir brauchen auch eine diskriminierungskritische Lehrerbildung, in der nicht nur Fachwissen, sondern auch soziale und kulturelle Kompetenzen vermittelt werden.

Lehrkräfte müssen in der Lage sein, Diskriminierung zu erkennen, das eigene Vorurteilspotenzial zu reflektieren und zu überwinden. Herkunft sollte als Stärke gesehen werden – nicht als Makel. Gerade die Tatsache, dass man vielfältige Perspektiven mitbringt, sollte immer als Vorteil verstanden werden. So könnte ein gerechteres und stärkeres Bildungssystem für alle Kinder entstehen.

„Wenn eine echte Beziehung mit Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung da ist, kann Lernen überhaupt erst stattfinden.“

News4teachers: Was zeichnet aus Ihrer Sicht eine gute Beziehung einer Lehrkraft zu ihren Schülerinnen und Schülern aus und was tun Sie konkret dafür?

Khader: Aus meiner Sicht basiert eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung auf Echtheit und Vertrauen. Ich möchte, dass meine Schülerinnen und Schüler spüren, dass ich sie als Menschen sehe – mit ihren Stärken und Schwächen. Das bedeutet für mich auch, dass ich meine eigenen Zweifel und Fehler teile, um eine Atmosphäre der Offenheit zu schaffen. Ich höre wirklich zu, wenn sie etwas sagen, und zeige ihnen, dass ihre Meinung zählt.
Ich glaube einfach an meine Schülerinnen und Schüler – auch dann, wenn sie selbst an sich zweifeln. Und ich bin überzeugt: Wenn eine echte Beziehung mit Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung da ist, kann Lernen überhaupt erst stattfinden. Ich habe als Lehrkraft auch eine moralische Vorbildfunktion. Deshalb finde ich es wichtig, dass ich die Werte und Erwartungen, die ich an meine Schülerinnen und Schüler habe, auch selbst vorlebe. Nur dann können sie mich ernst nehmen und sich wirklich auf den gemeinsamen Weg einlassen.

News4teachers: Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um Chancengleichheit für alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer sozialen oder kulturellen Herkunft, im deutschen Schulsystem zu gewährleisten?

Khader: Um Chancengleichheit zu gewährleisten, müssten wir eine grundlegende Veränderung in Haltung und Struktur vornehmen. Wir dürfen Gleichheit nicht mit Gerechtigkeit verwechseln. Chancengleichheit bedeutet nicht, dass alle Kinder und Jugendlichen das Gleiche bekommen, sondern dass jede und jeder genau das bekommt, was sie oder er braucht, um erfolgreich zu sein.

Ich finde, es beginnt mit der Anerkennung, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler die gleichen Voraussetzungen mitbringen. Chancengleichheit erfordert nicht nur Veränderungen im System, sondern auch eine tiefgehende Reflexion – sowohl der Schulformen als auch der Lehrkräfte.

Oft liegt das Problem nicht bei den Schülerinnen und Schülern selbst, sondern in der Art und Weise, wie Bildung vermittelt wird. Schulformen müssen flexibler werden, um den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Und ich finde, es ist auch immer eine Frage der Haltung: Welche Erwartungen haben wir an unsere Schülerinnen und Schüler? Und wie gestalten wir den Unterricht, damit jeder die Möglichkeit hat, sich zu entfalten?
Lehrkräfte müssen sich zudem regelmäßig selbst reflektieren und ihr eigenes Verhalten hinterfragen. Wir gestalten das Lernumfeld aktiv mit.

Wenn ein Kind nicht die gleichen Chancen hat wie andere, liegt das nicht immer am Kind selbst. Oft sind es strukturelle Hindernisse oder unbewusste Vorurteile. Lehrkräfte müssen sich fragen, ob sie diese Barrieren möglicherweise unbeabsichtigt verstärken – oder ob sie aktiv dazu beitragen, dass alle Schülerinnen und Schüler auf Augenhöhe und mit den gleichen Chancen behandelt werden. Wir sollten versuchen, den Klassenraum vorurteilsfrei zu betreten und wenn etwas nicht funktioniert, müssen wir hinterfragen, woran das liegt und nicht direkt die Schuld bei der Schülerschaft suchen.

„Schulen müssen diskriminierungssensible Orte werden, an denen Rassismus – auch in seiner subtilen Form nicht toleriert wird.“

News4teachers: Welche Formen von strukturellem Rassismus erleben Sie im schulischen Kontext und wie kann man diesem Phänomen entgegenwirken?

Khader: Struktureller Rassismus im Schulkontext zeigt sich oft in subtilen, aber wirkungsvollen Formen – zum Beispiel in den Erwartungen, die an Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund gestellt werden, in der Bewertung ihrer Leistungen oder in der Aussprache ihrer Namen. Häufig erhalten sie seltener eine Gymnasialempfehlung, und ihre Namen werden regelmäßig falsch ausgesprochen. Ob das nun bewusst oder unbewusst geschieht, ist aus meiner Sicht immer situationsabhängig. Es sind oft kleine Momente, die in ihrer Gesamtheit jedoch eine große Wirkung haben. Sie vermitteln den Schülerinnen und Schülern das Gefühl, nicht dazuzugehören. Fremdsein wird zur Norm. Das beeinflusst sowohl ihr Selbstbild als auch ihre Wahrnehmung des gesamten Bildungssystems.

Um diesem strukturellen Rassismus entgegenzuwirken, braucht es eine bewusste Auseinandersetzung – mit den eigenen Vorurteilen und einer klaren Haltung. Fortbildungen sind ein wichtiger Schritt, aber sie allein reichen nicht aus. Es geht um die Bereitschaft zur Selbstreflexion auf allen Ebenen: von den Lehrkräften über die Schulleitung bis hin zu den Entscheidungsträgerinnen und -trägern im Bildungswesen.

Schulen müssen diskriminierungssensible Orte werden, an denen Rassismus – auch in seiner subtilen Form nicht toleriert wird. Es reicht nicht aus, wenn Schulen eine Plakette mit der Aufschrift „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ tragen. Es muss aktiv etwas getan werden.

Wichtig ist für mich auch die Diversität im Lehrmaterial. Wenn Schülerinnen und Schüler nur aus einer weißen, westlichen Perspektive unterrichtet werden, fehlt oft die Möglichkeit, sich selbst wiederzufinden. Eine breitere Sichtweise im Unterricht sorgt dafür, dass sich mehr Kinder gesehen und wertgeschätzt fühlen. Das bedeutet auch, dass nicht immer nur Namen wie Lisa oder Lukas vorkommen, sondern auch Namen, mit denen sich mehr Schülerinnen und Schüler identifizieren können.

News4teachers: Welche Veränderungen sind im deutschen Bildungssystem aus Ihrer Sicht notwendig und wie können diese erreicht werden?

Khader: Das Bildungssystem muss dringend lernen, vom Kind aus zu denken – und nicht von den Prüfungsordnungen. Aktuell werden Schülerinnen und Schüler vor allem nach Leistungsstandards bewertet, die den individuellen Bedürfnissen und den unterschiedlichen Lebensrealitäten nicht gerecht werden. Ich finde, ein wirklich gerechtes Schulsystem muss den Menschen in seiner Ganzheit sehen und individuell fördern.

Außerdem finde ich, dass der Leistungsdruck grundsätzlich reduziert werden muss. Kinder sollen nicht nur ständig lernen, sondern auch Raum haben, sich selbst zu entfalten und zu reflektieren. Diese Veränderung muss auf mehreren Ebenen stattfinden. Wir Lehrkräfte müssen bereit sein, unsere Rolle im Bildungssystem grundlegend zu hinterfragen und uns unserer Verantwortung bewusst sein: Wir sind in der Lage, junge Menschen zu bewegen und zu inspirieren. Aber es braucht natürlich auch den politischen Willen, um die notwendigen Reformen umzusetzen.

„Für mich ist das eine Bestätigung, dass es sich immer lohnt, für Schülerinnen und Schüler zu kämpfen, ihnen zuzuhören und sie zu unterstützen“

News4teachers: Sie sind dieses Jahr mit dem Deutschen Lehrkräftepreis ausgezeichnet worden. In der Begründung ihrer ehemaligen Schülerinnen und Schüler, die sie nominiert haben, heißt es: „Sie verkörpert die Werte, die sie uns vermittelt, und unterrichtet mit einer spürbaren Leidenschaft.“ Welche Werte sind das und wie transportieren Sie diese an die Kinder und Jugendlichen?

Khader: Die Werte, die mir besonders am Herzen liegen, sind Gerechtigkeit, Toleranz und Respekt sowie Empathie und Authentizität. Ich versuche, das zu leben, was ich lehre. Wenn ich zum Beispiel über Zivilcourage spreche, teile ich auch eigene Erfahrungen – sowohl Momente, in denen ich mutig war, als auch Situationen, in denen ich es vielleicht nicht war. Auf diese Weise werden Werte greifbar und erlebbar.

Ich begegne meinen Schülerinnen und Schülern immer auf Augenhöhe – dabei aber mit einer klaren Haltung, die auf Respekt, Verantwortung und Ehrlichkeit basiert. Ich finde, Werte sind kein Lehrplaninhalt, sondern eine echte Haltung zum Leben. Werte sind für mich nicht nur Worte, sondern das, was wir durch unser tägliches Handeln vermitteln. Nur so können wir echte Veränderung bewirken und unsere Schülerinnen und Schüler ermutigen, selbst Verantwortung zu übernehmen und sich für das Gute einzusetzen.

Ich spreche mit meinen Schülerinnen und Schülern darüber, warum Respekt, Empathie oder Verantwortung wichtig sind. Gemeinsam überlegen wir dann, welche Werte uns im Unterricht leiten sollen. Diese schreiben wir meistens auf – und das hilft uns, von Anfang an einen respektvollen und wertschätzenden Umgang zu gestalten. Mir geht es nicht darum, dass sich Schülerinnen und Schüler verpflichtet fühlen, Regeln einzuhalten. Vielmehr sollen sie verstehen, warum diese Werte wichtig sind – und sich im Laufe des Unterrichts freiwillig entscheiden, sie zu leben. So entsteht eine Form von Verantwortung, die von innen kommt und nicht von außen aufgezwungen wird.

News4teachers: In einem weiteren Zitat der Schüler*innen wird geschildert, dass Sie viele Texte für den Unterricht selbst verfassen. Warum ist Ihnen dies ein besonderes Anliegen?

Khader: Zum einen schreibe ich sehr gerne. Aber vor allem schreibe ich, weil ich überzeugt bin, dass Bildungsprozesse nur dann wirksam sind, wenn sie mit der Lebensrealität der Schülerinnen und Schüler verbunden werden. Lehrbuchtexte sind oft abstrakt oder weit entfernt von ihren Erfahrungen. Ich möchte, dass meine Schülerinnen und Schüler durch Texte nicht nur Informationen erhalten, sondern sich selbst darin wiederfinden, um sich weiterentwickeln zu können. Durch meine eigenen Texte schaffe ich eine Brücke zwischen ihrem Leben und den Themen, die wir im Unterricht behandeln. Ich möchte, dass sie spüren, dass ihre Erfahrungen und Perspektiven wichtig sind. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich durch eigene Texte sprachlich differenzieren und sie genau auf das Niveau meiner Schülerinnen und Schüler abstimmen kann. So kann ich Inhalte vereinfachen, ohne den Anspruch zu verlieren.

News4teachers: Was bedeutet es für Sie persönlich, in diesem Jahr mit dem Deutschen Lehrkräftepreis ausgezeichnet worden zu sein?

Khader: Für mich ist es zum einen eine große Ehre, aber vor allem auch eine Form der Wertschätzung für die Arbeit, die wir Lehrkräfte tagtäglich leisten. Wenn Schülerinnen und Schüler jemanden für eine solche Auszeichnung nominieren, dann bedeutet das auch, dass unser Einsatz für ihre Entwicklung und ihr Wohl nicht nur wahrgenommen, sondern auch geschätzt wird. Für mich ist das eine Bestätigung, dass es sich immer lohnt, für Schülerinnen und Schüler zu kämpfen, ihnen zuzuhören und sie zu unterstützen. Es ist auch eine Bestärkung meiner Arbeit – besonders in Momenten, die sicher viele in diesem Beruf kennen, wenn man zweifelt, ob man auf dem richtigen Weg ist.

News4teachers: Gibt es etwas, dass Sie anderen Lehrkräften mit auf den Weg geben möchten?

Khader: Begegnet euren Schülerinnen und Schülern stets mit Neugier, Offenheit und mit Liebe zu den Menschen. Habt den Mut, in ihnen ihr Potenzial zu erkennen – auch wenn es anfangs vielleicht noch verborgen ist. Wir sind zwar Lehrkräfte, aber wir sollten uns immer wieder bewusst machen, dass auch wir jeden Tag dazulernen. Habt Vertrauen in die Kraft eures Berufes. Ein Satz, ein Blick, ein Moment – kann ein Leben verändern. Nina Odenius, Agentur für Bildungsjournalismus, führte das Interview.

„Der bestgeplante Unterricht bringt wenig, wenn die Beziehung nicht funktioniert“: Was eine gute Lehrkraft ausmacht – ein Interview

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