GEW: Bildungsministerin schiebt absehbaren Ärger ums Handy-Verbot auf Schulen ab

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KIEL. Zahlreiche Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein sollen ihre Smartphones in der Schule nicht mehr privat nutzen. Dafür soll es zum kommenden Schuljahr einen Erlass geben. Kritik kommt von der Opposition – und der GEW. Die fürchtet, dass Schulen mit dem absehbaren Ärger alleingelassen werden. 

Bald üblich? (KI-erzeugte Illustration), Illustration: Shutterstock

Schleswig-Holstein will – nach Hessen und Bremen – ab kommendem Schuljahr die private Nutzung von Smartphones, Tablets oder Laptops in den Schulen verbieten. Dies gelte für alle Kinder und Jugendlichen bis einschließlich der neunten Klasse, sagte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Dorit Stenke (CDU) im Landtag in Kiel. Dafür soll zum August ein Erlass herausgegeben werden. «Die Schulen werden darin angehalten, die private Nutzung digitaler Endgeräte während der Schulzeit zu untersagen», führte Stenke aus. Ein generelles Verbot, digitale Endgeräte mitzuführen, werde es allerdings nicht geben.

Das Land wolle den Schulen mit dem Erlass einen rechtssicheren Rahmen an die Hand geben, erklärte Stenke. Wie die konkreten Regelungen vor Ort aussehen, könnten die Schulen selbst entscheiden und dies dann gemeinsam mit Schülerinnen, Schülern, Eltern und Schulkonferenzen umsetzen.

Ministerin: Schulen sollen Schutzräume sein

«Laut einer OECD-Studie liegt die Bildschirmzeit von 15-Jährigen in Deutschland aktuell bei durchschnittlich sieben Stunden am Tag», sagte Stenke in ihrer Rede. Daraus ergäben sich zahlreiche Risiken für Schülerinnen und Schüler, wie etwa Aufmerksamkeitsdefizite, Konzentrationsstörungen oder der Verlust der sozialen Kontakte und der Empathie.

Die Bildungsministerin betonte: «Unsere Antwort darauf muss sein, dass Schulen Schutzräume sein sollten und zugleich Medienkompetenz vermitteln müssen.» Daher habe es etwa bereits im Jahr 2023 im nördlichsten Bundesland einen Erlass gegeben, in dem die Schulleitungen der Grundschulen aufgefordert wurden, eine Regelung für die private Nutzung der digitalen Endgeräte zu schaffen.

SPD und SSW erwarten mehr digitale Ausstattung

Der SPD-Abgeordnete Martin Habersaat kritisierte das Vorhaben: «Auf der einen Seite erzählen sie den Schülerinnen und Schülern: Wisst ihr, das Handy ist des Teufels.» Andererseits müssten die Kinder und Jugendliche aber ihre eigenen Endgeräte mitbringen, da es nicht geklappt habe, die Schulen entsprechend auszustatten.

Bereits 2018 hätte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) angekündigt, in drei bis fünf Jahren alle Schülerinnen und Schüler im nördlichsten Bundesland mit einem Laptop oder Notebook auszustatten. Daher muss die Frage laut Habersaat sein: Wann werden denn nun alle mit einem digitalen Endgerät ausgestattet? Derzeit hänge die Ausstattung der Schulen vom Wohnort ab.

«Solange wir nicht genügend digitale Endgeräte haben – für alle Schülerinnen und Schüler – ist das hier eine Diskussion, die wir ganz anders führen müssten», sagte auch die SSW-Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering. Eltern und Erwachsene müssten Vorbilder sein, wie mit den digitalen Endgeräten und dem Internet umgegangen werde.

Verbot zeigt Hilflosigkeit

Die FDP-Abgeordnete Anne Riecke betonte, dass die Nutzung digitaler Endgeräte an Schulen – wenn möglich – ohne Verbote funktionieren sollte. «Was wir brauchen, ist kein Misstrauen gegenüber der Technik, sondern ein Vertrauen in Bildung, Kompetenz und einen selbstbestimmten Umgang mit digitalen Ideen», sagte sie im Plenum.

«Das angestrebte Verbot zeigt eigentlich nichts anderes als Hilflosigkeit und Überforderung», führte Riecke aus. Sie kritisierte es als eine Vorstufe zu weiteren Regulierungen, wie etwa eine Klarnamenpflicht für soziale Medien. Für diese hatte sich die CDU Schleswig-Holstein auf einem kleinen Parteitag am Dienstag ausgesprochen.

Medienkompetenz entstehe nicht durch Wegsperren. «Kinder und Jugendliche müssen lernen, mit digitalen Reizen umzugehen – Wie erkenne ich Fake-News? Was bedeutet Datenschutz? Wie verhalte ich mich bei einem Konflikt?», erklärte die FDP-Abgeordnete.

GEW: «Wieder einmal sollen es die Schulen richten»

Auch die GEW zeigt sich unzufrieden mit der Regelung. «Grundsätzlich halten wir ein altersgerechtes Handy-Verbot für sinnvoll. Allerdings erscheint uns ein Verbot bis einschließlich Klasse 9 etwas zu weitgehend. Älteren Schüler*innen sollten wir schon mehr Eigenverantwortung zubilligen», sagt Kerstin Quellmann, Co-Landesvorsitzende. Aber das sei nicht der entscheidende Punkt.

Schlimmer: «Wieder einmal sollen es die Schulen richten. Die Ministerin verkündet das Verbot. Mit Ärger und Stress müssen sich dann die Lehrkräfte abplagen», so Quellmann.

«Warum schreibt die Ministerin nicht klipp und klar in ihren Erlass: ‚Die private Nutzung von digitalen Endgeräten während der Schulzeit ist untersagt‘.» Mit der von ihr gewählten Formulierung («Die Schulen werden angehalten…») blieben die Schulen auf Ärger und Mehrarbeit sitzen. Überall müssten die Lehrkräfte wieder umfangreiche Diskussionen mit Schüler*innen und Eltern führen, weil klare ministerielle Vorgaben für eine einheitliche rechtssichere Regelung fehlten.

Kerstin Quellmann legt dar, dass es ohnehin nicht ausreiche, Handys aus dem Schulalltag zu verbannen. Kinder und Jugendliche müssten vielmehr lernen, verantwortungsvoll mit ihnen umzugehen. Maßnahmen in der Schule zur Steigerung der Medienkompetenz seien in den Schulen unverzichtbar. Dafür bräuchten die Lehrkräfte allerdings mehr Zeit. «Das geht nicht einfach so nebenbei.« News4teachers / mit Material der dpa

Zweites Bundesland kündigt weitreichendes Handy-Verbot für (alle!) Schulen an

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DerechteNorden
3 Monate zuvor

Der Erlass ist eigentlich schon lange in Gebrauch, da die meisten Schulen in SH das so handhaben.
Der Erlass ist somit nur eine nachträgliche Verschriftlichung eines zuvor ungeschriebenen Gesetzes.

Riesenzwerg
3 Monate zuvor

“Kultusministerin schiebt absehbaren Ärger ums Handy-Verbot auf Schulen ab”

… was zu erwarten war.

Hans Malz
3 Monate zuvor

Wasch mich, aber mach mich nicht nass.
So kennen wir das. Verantwortung deligieren können die da oben.

Walter Hasenbrot
3 Monate zuvor

Es ist richtig, dass die Schulkonferenzen ggf. ein Handy-Verbot beschließen und nicht die Ministerien.

Der Ärger bei den Schülern ist nicht geringer, wenn das Ministerium das Verbot beschließt und die Arbeit, das Verbot durchzusetzen, wird für die Lehrkräfte auch nicht kleiner.

Ein Beschluss der Schulkonferenz holt die Schüler aber mit ins Boot, was für mehr Akzeptanz sorgt. Der Input der Schüler in der Schulkonferenz kann auch dazu führen, Regelungen zu finden, die von den Schüler neher akzeptiert wrden.

So war das zumindest bei uns.

Unfassbar
3 Monate zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Wir haben auch ein Handyverbot eingeführt. Seitdem ist es erheblich besser, also weniger geworden.