“Geisterlehrer”: Stellen werden nun ausgeschrieben – können sie aber besetzt werden?

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STUTTGART. Ein IT-Fehler ließ 1.440 Lehrerstellen in Baden-Württemberg unbesetzt – nun sollen sie zügig ausgeschrieben und auf verschiedene Schularten verteilt werden. Die Kultusministerin warnt aber vor zu großen Erwartungen. Auch der VBE zeigt sich wenig optimistisch. 

Stellen offiziell besetzt, und doch nicht da: Geisterlehrer. Illustration: Shutterstock

1.440 Lehrerstellen waren in Baden-Württemberg wohl wegen eines Software-Fehlers über Jahre nicht besetzt – nun hat Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) bekanntgegeben, wie die Stellen für das kommende Schuljahr auf die einzelnen Schularten verteilt werden sollen.

Demnach wird der größte Batzen der Stellen an die Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) gehen. An diesen Schulen bestünde der größte Mangel, sagte Schopper. Sie sollen 485 Stellen bekommen. An den Grundschulen gebe es mit Blick auf die Beschulung Geflüchteter oder den Ausbau der Ganztagesbetreuung ebenfalls viele Herausforderungen. Den Grundschulen sollen deswegen 350 Stellen zugutekommen.

Die Gemeinschaftsschulen und die Realschulen sollen je 50 Stellen bekommen – die Gymnasien ebenfalls. Weil mit dem Umstieg auf das neunjährige Gymnasium an der Schulart in einigen Jahren zusätzliche Lehrkräfte gebraucht werden, will Schopper eine Vorsorge aus 300 Stellen bilden. Diese sollen an Gymnasiallehrer gehen, die aber zunächst an anderen Schularten eingesetzt werden sollen: 100 an beruflichen Schulen, 50 an den Gemeinschaftsschulen und 150 an den Real- und Werkrealschulen. Die restlichen 155 Stellen will Schopper für den Ausbau der Krankheitsreserve nutzen.

Rechnerisch eine Stelle für jede dritte Schule

Die Ministerin warnte in einer Sondersitzung des Bildungsausschusses im Landtag vor zu großen Erwartungen an die nun zu besetzenden 1.440 Stellen. Die Zahl klänge so, als sei man kurz vor paradiesischen Zuständen, sagte Schopper. Es gebe aber im Land rund 4.500 Schulen, was eine zusätzliche Stelle an jeder dritten Schule bedeute.

Die Landesregierung hatte vergangene Woche einräumen müssen, dass wegen einer schweren IT-Panne 1.440 Lehrerstellen im Südwesten versehentlich nicht besetzt worden seien (News4teachers berichtete). Grund ist ein Softwarefehler, der bis auf das Jahr 2005 zurückgeht, wie das Kultusministerium und das Finanzministerium mitgeteilt hatten. In einem Personalverwaltungsprogramm waren die Stellen offenbar als belegt ausgewiesen worden, obwohl sie eigentlich frei waren. Dieser Fehler sei über all die Jahre unbemerkt geblieben.

Satire
Das Satiremagazin “Postillion” macht sich über den Fall lustig – hier geht es hin. Screenshot

Der VBE-Landes- und Bundesvorsitzende Gehard Brand rechnete vor, dass die Panne über Jahre einen Ausfall von rund 38.000 Unterrichtsstunden pro Woche bedeutete – verteilt auf alle Schulen im Land: „Jede Schule in Baden-Württemberg hat so pro Woche zehn Lehrerstunden weniger erhalten, als sie hätte erhalten können. Mit den zusätzlichen Lehrern hätten wir einzelne Schüler gezielter fördern können, etwa mit Unterstützungskursen in Mathe oder Deutsch.“

Sein Befund: „Seit zehn Jahren sinkt Baden-Württemberg im bundesweiten Bildungsvergleich ab, von der Spitze bis ins Mittelfeld. Hätten wir diese zehn Wochenstunden pro Schule mehr gehabt, wären wir mit Sicherheit nicht so weit nach hinten gerutscht.“

Allerdings zeigte auch Brand sich wenig optimistisch, dass sich mit der Ausschreibung der Stellen viel zum Positiven ändern wird. Der Grund: Es fehlen schlicht die Lehrkräfte. „Die Kollegen, die wir brauchen, sind gar nicht auf dem Markt: Lehrer im Grundschul- und Sonderpädagogikbereich“, so der VBE-Chef. Die Landesregierung habe es über Jahre versäumt, den Beruf für diese Schulformen attraktiv zu machen. News4teachers / mit Material der dpa

“Geister-Lehrkräfte”: Ist die Mega-Besetzungspanne bei Lehrerstellen ursächlich für den Absturz bei den Schülerleistungen?

 

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Rainer Zufall
2 Monate zuvor

Ich bin mir ganz sicher, dass die Ankündigung umsichtig und realistisch ist. All die Kolleg*innen saßen (wie Geister) im Raum und dachten, sie wären beschäftigt! Da der Irrtum nun bekannt ist, können wir all diese total realen Menschen, die es letzten Monat noch nicht gab – Lehrkäftemangel – verplanen!

Und – da sind wir uns alle einig! – werden die jetzt engestellten Kolleg*innen definitiv keinen Platz von Sopäds blockieren, sondern werden bei Gelegenheit direkt an ihrer Schulform (fest!) eingestellt, um die miserable Bildungssituation zu verkürzen 😀

Katze
2 Monate zuvor

Na klar können die Stellen besetzt werden, die 1440 Kollegen wurden doch bei einer Routine-Inspektion in einer Lagerhalle des Kultusministeriums gefunden.

“Die Pädagogen waren offenbar seit 2005 in der Halle in Bad Cannstatt sorgfältig zwischen ausrangierten Overheadprojektoren und alten Stühlen eingelagert. “Die Halle ist voll”, berichtet eine anonyme Beamtin, die die 1440 Lehrer bereits in Augenschein nahm. “Bei manchen muss der Umgang mit digitalen Medien womöglich ein bisschen aufgefrischt werden, aber alle sind voll einsatzfähig und mit Ledertasche, Rotstiften und Strickjacken ausgestattet.”
Es muss wohl davon ausgegangen werden, dass es sich bei den 1440 Lehrkräfte genau um jene handelt, die seit 2005 aufgrund einer Computerpanne nicht zum Einsatz kamen. Anstatt auf verschiedene Schulen im Bundesland verteilt zu werden, setzten sie in der Lagerhalle Staub an.
Die Pädagogen selbst zeigten sich erleichtert darüber, endlich entdeckt worden zu sein. “Wir haben hier die meiste Zeit Kaffee getrunken und über Kollegen gelästert, wie man das halt so macht. Aber auf Dauer wurde es schon ein bisschen langweilig”, berichtet etwa ein Geschichts- und Ethiklehrer, der es nun kaum erwarten kann, erstmals seit seinem Referendariat im Jahr 2004 wieder zu unterrichten.”

Quelle: https://www.der-postillon.com/2025/07/lehrer-baden-wuerttemberg.html

Der Geschichts- und Ethiklehrer, der nun im neuen Normal ankommen muss, verdient mein größtes Mitgefühl. Aber er hat nach 20 Jahren sicherlich gut abgespeckt.

Katze
2 Monate zuvor
Antwortet  Katze

Das Bild zum Beitrag ist auch köstlich. Die Mimik der “Befreiten” erinnert mich an Kollegen, wenn sie am Morgen die Lehrerzimmertür öffnen müssen, um hochmotiviert und superpünktlich in die Fachräume einzuströmen.

Realist
2 Monate zuvor
Antwortet  Katze

Ist das das neue Werbeplakat für den Lehrerberuf in B.W.?

“Auch du kannst Teil dieser Zombie-Armee sein!
Mach’ dein Video-Spiel-Hobby zum Real-Life!
Werde Lehrkraft in Baden-Württemberg!”

Rainer Zufall
2 Monate zuvor
Antwortet  Katze

Es wird halt irgendwie – wie immer und weiterhin 🙁

Aber es freut mich, dass Sie und Ihre Kolleg*innen es geschafft haben.

Betroffene
2 Monate zuvor

Wieviel Geld wurde in diesen 20 Jahren vom Land eingespart auf Kosten von Kindern, Eltern und Lehrern?

Ich meine dieser Betrag sollte den Schulen nun als Kompensation zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich zur sofortigen Besetzung der 1440 Stellen.

Auch A13 für Grundschullehrkräfte in BW ist längst überfällig!