Politiker fordern Schulbegleitung im “Pooling”-Modell – für mehrere Kinder

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MÜNCHEN. Nach aktueller Rechtslage haben Kinder mit Behinderung bundesweit das Anrecht auf eine Schulbegleitung im 1:1-Prinzip. Ein ungewöhnliches Parteienbündnis in Bayern fordert nun eine Reform des entsprechenden Gesetzes.

Mehr als eins… (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Schulbegleiter sollen nach dem Willen von CSU, Freien Wählern und Grünen regelmäßig auch mehrere Kinder mit Behinderung gleichzeitig betreuen. In seltener Einigkeit fordern die drei Landtagsfraktionen eine entsprechende Gesetzesänderung auf Bundesebene.

Bisher haben Kinder mit Behinderung einen individuellen Rechtsanspruch auf eine Schulbegleitung im 1:1-Verhältnis, Gruppenbegleitung stellt eher eine Ausnahme dar. Im Freistaat wird das Modell bereits an einzelnen Standorten getestet. Die Bezirke und das Kultusministerium hatten sich in einer gemeinsamen Empfehlung bereits für das Modell ausgesprochen.

Ziel eins: Kosten sparen

Ein Schulbegleiter solle, sofern dies pädagogisch und organisatorisch vertretbar sei, mehrere Kinder mit Behinderung gleichzeitig betreuen, sagte Norbert Dünkel (CSU), Vorsitzender der zuständigen Arbeitsgruppe im Landtag. «Klar ist: Künftig muss die Gruppenbegleitung als Regelfall und die Einzelbegleitung als begründete Ausnahme definiert werden.»

Angesichts der stark gestiegenen Fallzahlen und Kosten – die sich bei einer Schulbegleitung auf bis zu 50.000 Euro jährlich belaufen könnten – stelle das «Pooling-Modell» eine notwendige und realistische Lösung dar. Nachdem das Modell in anderen Ländern seit Jahren erfolgreich praktiziert worden sei, müsse der Bund jetzt nachziehen und die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, fordert Dünkel.

Kinder weniger stigmatisieren

Ein von der fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe initiierter, wissenschaftlich begleiteter Modellversuch habe gezeigt, dass das «Pooling» nicht nur pädagogisch sinnvoll, sondern auch deutlich weniger stigmatisierend sei, argumentieren die drei Fraktionen.

Schulbegleitungen kommen sowohl an allgemeinen Schulen als auch an Förderschulen zum Einsatz. Betreut werden Kinder mit seelischer Behinderung oder entsprechender Gefährdung sowie Kinder mit körperlicher und/oder geistiger Behinderung. Die Anträge werden von den Sorgeberechtigten gestellt und durch die zuständigen Kostenträger wie dem Bezirk oder dem Jugendamt entschieden, unter Einbeziehung der jeweiligen Schulen.

Niedersachsen hatte bereits im Dezember im Bundesrat erfolgreich eine Änderung des Gesetzes zur „Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (IKJHG)“ angestoßen. Danach soll es künftig möglich sein, sogenannte Schulbegleitungen für einzelne Schülerinnen und Schüler grundsätzlich in einem Personalpool zu bündeln und flexibler einzusetzen. Mit dem von Niedersachsen eingebrachten Änderungsantrag forderten die Länder gemeinsam die Bundesregierung auf, das IKJHG entsprechend zu ändern. Zur Umsetzung kam es allerdings nicht mehr, weil die Ampel-Koalition zerbrach. News4teachers / mit Material der dpa

Inklusion: Schulbegleitungen sollen Kinder im Pool betreuen dürfen (Bundesrat dafür)

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8 Kommentare
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OMG
2 Monate zuvor

“Klar ist: Künftig muss die Gruppenbegleitung als Regelfall und die Einzelbegleitung als begründete Ausnahme definiert werden.»” . Das wird lustig, wenn ein Gericht prüfen muss, ob die individeullen Ansprüche an ein Menschenrecht eingehalten wurden. Das geht wieder in die Hose.

Defence
2 Monate zuvor

Unsere Schulbegleiter sind schon mit einem Kind komplett überfordert.

vhh
2 Monate zuvor

München gilt ja als nördlichste Stadt Italiens. Da würde es sich für die Politiker doch anbieten, mal in Italien nachzusehen, wie dort Inklusion geplant wird.
War die niedersächsische Idee schon fragwürdig, ist die Gruppenbetreuung noch einen Schritt weiter. Warum haben Kinder eine Einzelbetreuung? Unvorhersehbares Verhalten, unvorhersehbare Gesundheitsprobleme, Bezugsperson, wird das durch mehrere Kinder pro Betreuer nicht beeinflusst?
Aber das Wichtigste wurde ja gesagt, entscheidend sind Fallzahlen und Kosten. Wie gut, dass es auch noch Kriterien wie ‘weniger stigmatisierend’ gibt, mit einer passenden Studie dazu. Am Ende bleiben ja noch die Allzweckwaffen, Lehrkräfte genannt… Warum Politiker nur so ein schlechtes Image haben?

nurmalso
2 Monate zuvor

“Sofern dies pädagogisch und organisatorisch vertretbar ist”… Solange das gewährleistet ist und vor Ort (nicht von oben) entschieden werden kann, spricht m.E. nichts dagegen. Habe sehr fähige Schulbegleiter*innen erlebt, die Ansprechpartner*innen für die ganze Klasse wurden. Einige, die z.B. für SoS mit körperlichen Einschränkungen da waren, aber nicht ständig “im Einsatz”, haben sich fürchterlich gelangweilt und von sich aus weitere SuS unterstützt. Wäre schon mal ein Schritt, dass ihnen das grundsätzlich erlaubt ist. DaZ-SuS haben sehr davon profitiert.
Außerdem könnte es einigen unsäglichen Zuständen abhelfen, wie z.B.: Vier Schulbegleiter*innen sitzen hinten an der Wand mit dicken Romanen, Handys etc. und kommen nur selten zum Einsatz. Oder: Zu begleitende SuS sind krank und Schulbegleitung darf dann quer durch den Kreis fahren, um woanders auszuhelfen. Auch anderherum: Schulbegleiter*in krank, zu begleitender SuS darf nicht zur Schule kommen.

Palim
2 Monate zuvor
Antwortet  nurmalso

Es geht gar nicht darum, eine helfende Kraft im Unterricht zu haben, sondern Kindern mit Beeinträchtigungen die notwendige Hilfe zu gewähren … und diese nicht einzusparen.

Davon unbenommen darf das Land gerne eine pädagogische Assistenz in jede Klasse setzen, die bestimmte Tätigkeiten übernehmen kann, darf und soll. Das kann auch gerne ein Ausbildungsberuf sein oder eine Qualifikation bei Erzieher:innen.

Wiegleb
2 Monate zuvor

Oh wei, ein sehr komplexes Thema und in der Regel beginnt es schon mit Missverständnissen bzgl. der Rechtslage. Zitat: „Nach aktueller Rechtslage haben Kinder mit Behinderung bundesweit das Anrecht auf eine Schulbegleitung im 1:1-Prinzip“ stimmt so leider nicht, denn das Stichwort heißt „gemeinsame Leistungserbringung“ (§116 SGB IX). Und nun hört es sich schon wieder so an als würde etwas genommen werden oder als wäre die Kostenersparnis die einzige Triebfeder. An Schulen mit Schüler/-innen mit hohem Assistenzbedarf wird schon immer „gepoolt“ und das ist pädagogisch (!) sehr sehr wichtig und wertvoll, denn es gilt das Prinzip „immer so viel Assistenz wie nötig und immer sowenig wie möglich“. Fazit: Schade, dass eine öffentliche Diskussion immer so verknappt sein muss. Und übrigens ich bin weder Politiker noch Menschenfeind, sondern 35 Jahre in diesem Bereich tätig, war selbst „Integrationshelfer“ und bin jetzt für Schüler/-innen mit Assistenzbedarf (leitend) verantwortlich.

Rainer Zufall
2 Monate zuvor

Es geht meiner Meinung nach auch um die Wertschätzung der Schulbegleitungen!

Am Ende des Tages ist es deren Job, sich überflüssig zu machen. Da ist eine Arbeit mit weiteren Kindern/ Verankerung im Team durchaus angemessen

MMM
2 Monate zuvor

Es ist unfassbar gerade was passiert ,so viele Kinder dadurch nicht mehr beschulbar sind ,ein riesiges Chaos .

-Die Kinder die eine 1 zu 1 Begleitung benötigen ,benötigen diese nicht zum Scherz ,diese hier in dem kompletten System vergessen werden .Aktuell müssen alle Eltern kämpfen für ihren Einzelfall .

-In der Handreichung steht Pooling, um die starre 1 zu 1 aufzubrechen ,wobei genau diese Kinder die so dringend benötigen.

-Man würde keine Hilfeplangespräche mehr benötigen ,Gutachten .Wie soll denn dann weiterhin sichergestellt werden, dass die Kinder die richtige, nötige ,begleitende Förderung erhalten ?!Nämlich garnicht ,da es nicht mehr begleitet wird.

-Aber ich zitiere,,Machen sie sich keine Sorge,ihr Kind erhält die gleiche Hilfe ,die es benötigt “Ich frage mich ,ob das ein Scherz sein soll ,denn hier wird eine Fachkraft in der 1zu 1 Begleitung gleich gestellt ,mit der Arbeit die sich jetzt mehrere Teilen sollen und an verschiedenen Kindern .Demnach erhält das Kind ,dass die starre 1zu 1 benötigt ,definitiv nicht die Hilfe die es benötigt .

Bei uns wurde ohne unser Einverständnis einfach der Träger geändert und jetzt sollen die anderen Schulbegleitungen der anderen Träger zu diesem doch wechseln .Es gab kein Schreiben, keine Zustimmung seitens uns Eltern oder sonstigen .Nun müssen wir Eltern uns darauf verlassen ,dass die Träger weiter genehmigen für die 1 zu 1 ,was die meisten nicht tun und gehen soweit, dass man Widerspruch einlegen muss,obwohl fest steht ,dass die Kinder 1 zu 1 benötigen .Alle Kinder die eine 1zu1 benötigen die über den Bezirk laufen, funktioniert die handhaben einfacher da ,die über die meisten Ämter laufen kämpfen müssen .Nur weil diese den aktuellen Leistungsträger nicht weiterhin akzeptieren. Es wäre sehr einfach ,wenn dies geregelt wäre ,dass die Kinder die weiterhin die starre 1zu1 Begleitung benötigen ,z.b. dem Bezirk zugeordnet werden können unabhängig von körperlicher oder seelischer einkategorierung .Dies sollte über ein ärztliches Gutachten ausreichen ,dass diese 1 zu 1 begründet und nicht das man am Ende nur über ein Gerichtsurteil darüber entschieden wird .