“Qualität pädagogischer Arbeit leidet”: Bundesland erleichtert Quereinstieg in Kita-Teams 

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WIESBADEN. Logopäden, Physiotherapeuten und mehr: In Hessens Kitas könnten bald mehr Quereinsteiger arbeiten. An den Plänen der Landesregierung entzündet sich Kritik.

Flott in den Kita-Dienst – dank Seiteneinstieg. Foto: Shutterstock

Fachkräftemangel, überlastete Teams, zu wenig Platz: Hessens Kitas stehen vor einer Vielzahl von Problemen. Die Landesregierung will Kommunen und Träger mit einem «Kita-Paket» unterstützen. Angesichts fehlender Erzieherinnen und Erzieher soll beispielsweise der Zugang für Quereinsteiger weiter geebnet werden, wie Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) in Wiesbaden ankündigte. Aus den Reihen der Landtagsopposition und von der Bildungsgewerkschaft GEW kommen kritische Töne: Antworten auf die zentralen Probleme liefere das Land nicht.

Was das Land mit dem Kita-Paket erreichen will: Das «Kita-Paket» setze mit einem «Bündel an Maßnahmen» an den drei Themenfeldern Bildung, Betreuung und Bauen an, sagte Hofmann. Bei Besuchen in zahlreichen Kitas sei ihr vor Augen geführt worden, dass viele Fachkräfte überlastet seien. Das spiegele sich auch im hohen Krankenstand wider. Zudem fänden Eltern in manchen Regionen nur schwer einen Betreuungsplatz für ihre Kinder. Das Land wolle Kommunen und Trägern helfen, mehr Plätze zu schaffen und mehr Personal zu gewinnen.

Wie zusätzliche Mitarbeitende gefunden werden sollen: Künftig sollen in den Teams bis zu 30 Prozent der Fachkräfte aus anderen Berufsgruppen kommen können, etwa Logopäden und Logopädinnen, Ergotherapeuten und Ergotherapeutinnen sowie Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen, wie die Ministerin ankündigte. Bislang lag diese Quote bei 25 Prozent. Nach einer Weiterbildung mit 160 Stunden können Männer und Frauen mit diesen Berufen als sogenannte Fachkräfte zur Mitarbeit in den Kita-Teams eingesetzt werden. Die bisher nötige Einzelfallprüfung entfällt.

«Wir möchten es mehr Menschen ermöglichen, dort zu arbeiten – und so Kommunen und Trägern helfen, mehr Kita-Plätze anzubieten», sagte Hofmann. Mit der Öffnung für weitere Berufsgruppen würden wertvolle Kompetenzen etwa für die Sprachförderung oder Bewegung in den Kita-Alltag eingebracht.

Wie die Teams noch unterstützt werden sollen: Das Land will sein Förderprogramm für nicht pädagogische Kräfte verlängern. Die Nachfrage nach diesen helfenden Händen in den Kitas sei groß. Die zusätzlichen Kräfte entlasteten die pädagogischen Fachkräfte, indem sie etwa Tische decken oder Spiele aufräumen. In diesem Jahr stehen nach Angaben des Ministeriums 800 Plätze zur Verfügung, in den Jahren 2026 bis 2028 will das Land jeweils 950 Kita-Assistenzen komplett finanzieren.

Was für die Gesundheitsförderung geplant ist: Die Landesregierung will mit einem «Balance-Check» die Belastung der Teams systematisch und individuell erfassen. Darauf aufbauend erhalten die einzelnen Kitas gezielte Unterstützung zur Gesundheitsförderung, wie die Ministerin sagte. Das könnten etwa ergonomische Stühle für den Pausenraum sein oder Lärmschutz. Bei den Kindern soll in der pädagogischen Arbeit der Spaß und die Freude an Bewegung noch stärker gefördert werden.

Wie mehr Platz in Kitas entstehen sollen: Aus Bundesmitteln werden in den Jahren 2026 bis 2029 jährlich rund 70 Millionen Euro in den Aus- und Neubau von hessischen Kitas zur Verfügung stehen, wie Hofmann ankündigte. Das habe das Bundesbildungsministerium zugesagt. Um den Neubau von Einrichtungen zu erleichtern, entwickle das Land eine «Hessen-Kita» als Referenzmodell für Träger, Kommunen und Planer.

Was sagen Kritiker zu den Plänen? Nach den Worten des Landesvorsitzenden der Bildungsgewerkschaft GEW, Thilo Hartmann, ist das Kita-Paket «allenfalls ein Päckchen». Es gebe keine Antwort auf zentrale Probleme im System der frühkindlichen Bildung. «Die Qualität pädagogischer Arbeit leidet.» Der Grünen-Landtagsabgeordnete Felix Martin bezeichnete die Pläne als «Hauch von Nichts». Die Landesregierung lasse viele Fragen unbeantwortet, etwa wie die Erzieherausbildung attraktiver werden könnte.

René Rock von der FDP-Landtagsfraktion befürchtete: «Die Entwertung des Erzieherberufs geht weiter.» Kräfte wie Physiotherapeuten und Logopäden seien ohnehin kaum auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen. «Keinesfalls ersetzen sie pädagogisch ausgebildete Erzieherinnen», sagte Rock. «Quereinsteiger müssen ein Mindestmaß an pädagogischer Qualifikation mitbringen.» News4teachers / mit Material der dpa

Profi-Schwund

Die Bertelsmann Stiftung veröffentlichte Ende 2024 ein «Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme». Demnach arbeiten in Hessens Kindertagesstätten immer weniger pädagogische Vollprofis.

Laut den Daten gab es 2023 in Hessen nur in 36 Prozent der Kita-Teams eine hohe Fachkraftquote, bei der mehr als acht von zehn pädagogisch Tätigen über mindestens einen einschlägigen Fachschulabschluss verfügen. Zum Vergleich: 2017 traf dies noch auf 47 Prozent der Teams zu. Mit 11 Prozentpunkten fiel der Rückgang in Hessen etwas deutlicher aus als auf Bundesebene (minus 9 Prozentpunkte). Für das «Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme» waren Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik zum Stichtag 1. März 2023 sowie weitere amtliche Statistiken ausgewertet worden.

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RainerZufall
1 Monat zuvor

Jaja, Logopäd*innen reißen sich ein Bein aus, an einer Kita angestellt zu werden XD