BERLIN. Wenn Jugendliche die Schule verlassen, sollten sie nicht nur ein Abschlusszeugnis, sondern auch ein klares Bild ihrer Stärken und beruflichen Möglichkeiten in der Hand haben – davon ist Ralf Neugschwender überzeugt. Im Interview mit News4teachers erklärt der Bundesvorsitzende des Verbandes Deutscher Realschullehrer (VDR), warum Realschulen für die Berufsorientierung besonders geeignet sind, welche Rolle Eltern, Lehrkräfte und digitale Tools dabei spielen – und was sich in Ausbildung, Schule und Gesellschaft dringend ändern muss.
News4teachers: Warum ist eine gute Berufsorientierung für Schüler*innen so wichtig und was sollte diese auszeichnen?
Ralf Neugschwender: Das ist gleich zu Beginn eine spannende Frage, die viele Aspekte berührt. Ich starte mal mit zwei Zahlen, die das Thema sehr eindrucksvoll veranschaulichen: Aktuell gibt es 327 anerkannte Ausbildungsberufe – verzeichnet vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Gleichzeitig existieren – ohne dass ich die exakte Zahl nennen kann – rund 11.000 Studiengänge, die zu einem Bachelorabschluss führen, also zu einem berufsqualifizierenden Abschluss.
Wenn man sich diese Zahlen vor Augen führt, wird schnell klar, wie sehr Jugendliche Orientierung benötigen. Bei so vielen Studiengängen und Ausbildungsberufen den individuell passenden Beruf zu finden, ist eine große Herausforderung. Dabei geht es um mehr als nur eine Entscheidung: Die Zufriedenheit eines jungen Menschen hängt maßgeblich davon ab, ebenso wie der spätere berufliche Erfolg. Deshalb ist eine fundierte Berufsorientierung so wichtig.
Hier kommt die Schule ins Spiel: Berufsorientierung in der Schule ist der erste Kontakt mit möglichen Berufsfeldern oder sogar schon mit konkreten Berufen. Umso wichtiger ist, dass Berufsorientierung an Schulen systematisch verankert ist. Das ist an vielen Schulen bereits der Fall, aber noch nicht überall. Ebenso bedeutend ist es, dass möglichst frühzeitig ein Praxiskontakt mit einem Unternehmen stattfindet – etwa in Form von Betriebspraktika oder Gesprächen mit Auszubildenden und Ausbilderinnen und Ausbildern.
Berufsorientierung sollte möglichst individuell gestaltet sein. Eine Bertelsmann-Studie aus dem Jahr 2022 hat gezeigt, dass für rund drei Viertel der Jugendlichen nach wie vor die Eltern die wichtigste Anlaufstelle bei der Berufswahl sind. Die Schule kommt erst an zweiter Stelle, danach folgen Internet, Freundeskreis und andere Quellen. Das zeigt deutlich, dass wir mehr Unterstützung bieten müssen, um Jugendlichen Orientierung zu geben.
Wie gelingt es, junge Menschen für Berufe der Zukunft zu begeistern? Am besten mit praxisnahen Einblicken, verständlich aufbereitet, abwechslungsreich inszeniert – und einfach zugänglich.
Genau das bietet Amazon Future Engineer mit zwei virtuellen Touren, die Lehrkräfte kostenfrei mit ihrer Klasse durchführen können. Ob Einblick in die faszinierende Welt der Logistik oder in die digitalen Herzstücke moderner Rechenzentren: Die interaktiven Angebote ermöglichen Schüler:innen ab der 5. Klasse spannende Begegnungen mit IT-Berufen. Machen Sie sich schlau! Hier geht es hin.
News4teachers: Warum eignet sich das Profil von Realschulen besonders gut für Maßnahmen zur Berufsorientierung?
Ralf Neugschwender: Zwischen 40 und 50 % der Absolventinnen und Absolventen an Realschulen oder verwandten Schularten gehen mit ihrem Abschluss anschließend in eine duale Berufsausbildung über. Das bedeutet: Der Auftrag an unsere Schularten ist klar.
Wir haben zum einen den Bildungsauftrag im Bereich der Allgemeinbildung, zum anderen aber auch einen klar berufsvorbereitenden Auftrag. Schon unser Profil verpflichtet uns dazu, die Anschlussmöglichkeiten in die berufliche Bildung – insbesondere in die duale Ausbildung – mitzudenken. Deshalb bin ich überzeugt – auch wenn ich das als Verbandsvertreter sage –, dass wir die Schulart sind, die am besten auf die berufliche Bildung vorbereitet. Das gelingt unter anderem durch eine systematisch verankerte Berufsorientierung und durch frühzeitige Kontakte zur Arbeitswelt. Viele Realschulen verfügen beispielsweise auch über das Berufswahl-Siegel. Insgesamt, denke ich, haben wir hier einiges zu bieten, wenn es um die Anschlussfähigkeit an die berufliche Bildung geht.
News4teachers: Wie sieht das Konzept zur Berufsorientierung an Realschulen konkret aus?
Ralf Neugschwender: Ich nehme hier Bayern als Beispiel, weil ich dort die Realschule aus eigener Anschauung als Lehrkraft kenne.. Im Regelfall beginnt die Berufsorientierung mit vorbereitenden Maßnahmen wie Betriebserkundigungen ab der siebten Klasse. Dazu gehört oft auch eine Potenzialanalyse: Was interessiert die Schülerin oder den Schüler? In welche Richtung möchte sie oder er gehen? Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen? Wo besteht Interesse an einem tieferen Einblick? Später folgt auch ein expliziter Bezug zu Wirtschaftsthemen – etwa durch das Fach Wirtschaft und Recht, das hier eine zentrale Rolle einnimmt.
An den Schulen gibt es in der Regel eine Ansprechperson für Berufsorientierung, dem Koordinator für berufliche Orientierung (KBO). Ich möchte aber gleich betonen: Das ist keine Aufgabe für eine einzelne Lehrkraft, sondern sie betrifft viele Lehrkräfte. In einem Team koordinieren die Lehrkräfte, dass Schülerinnen und Schüler ab der 8, in jedem Fall aber in der 9. Klasse Praktika in Betrieben der Region absolvieren, Kontakte zu Unternehmen knüpfen und erste Einblicke erhalten.
Die Jugendlichen verbringen dann eine gewisse Zeit in einem Betrieb, führen ein Portfolio dazu, und es findet sowohl eine Vorbereitung als auch eine Nachbereitung statt – um zu reflektieren, was gut gelaufen ist: Ist das der richtige Beruf für mich? Oder will ich doch eine ganz andere Richtung einschlagen? Entspricht das der Vorstellung, die ich zuvor hatte?
Gleichzeitig holen wir als Lehrkräfte und als Schule auch die Wirtschaft in die Schule hinein. Zum Beispiel gibt es Programme wie den Azubi-Scout der IHKs, bei dem Auszubildende direkt ins Klassenzimmer kommen und von ihrer Ausbildung berichten.
All das sind Maßnahmen, mit denen wir frühzeitig Kontakt zur regionalen Wirtschaft herstellen und die Jugendlichen dazu anregen, ihre Berufswahl bewusst und reflektiert zu treffen.
„Gerade im Hinblick auf Social Media und den zunehmenden Wunsch vieler Jugendlicher, Influencer zu werden, müssen Schulen wieder stärker einen realistischen und pragmatischen Bezug zur Arbeitswelt herstellen“
News4teachers: Gibt es bestimmte Schulfächer, die sich besonders gut für eine berufliche Orientierung eignen?
Ralf Neugschwender: Es handelt sich immer um eine Querschnittsaufgabe, die viele Schulfächer abdeckt. Im Fach Deutsch geht es etwa darum, wie man eine Bewerbung schreibt oder durch Rollenspiele ein Bewerbungsgespräch simuliert – das ist explizit im Lehrplan der Realschule in Bayern verankert.
Im Fach Wirtschaft und Recht wiederum wird vermittelt, wie unsere soziale Marktwirtschaft funktioniert. Dabei geht es auch um ökonomische Bildung: Schülerinnen und Schüler sollen verstehen, dass man bestimmte Berufe nur mit bestimmten Abschlüssen ergreifen kann.
Gerade im Hinblick auf Social Media und den zunehmenden Wunsch vieler Jugendlicher, Influencer zu werden, müssen Schulen wieder stärker einen realistischen und pragmatischen Bezug zur Arbeitswelt herstellen.
Deshalb kann und sollte jedes Fach einen Beitrag zur Berufsorientierung leisten. Trotzdem gibt es in der Regel ein Leitfach – meist Wirtschaft und Recht, sofern dieses Fach im jeweiligen Bundesland angeboten wird. In Baden-Württemberg etwa existiert mit „Wirtschafts- Berufs- und Studienorientierung“, kurz WBS, sogar ein eigenes Unterrichtsfach.
News4teachers: Bei Ihrer Antrittsrede zum Bundesvorsitzenden des Verbandes Deutscher Realschullehrer sagten Sie: „„Unsere bewährte duale Berufsausbildung ist ein echter Schatz in Deutschland und eröffnet jungen Menschen vielfältige Möglichkeiten in Handwerk, Industrie und Verwaltung.“ Was zeichnet diese duale Ausbildung aus und warum ist sie so einzigartig im Gegensatz zu anderen Ausbildungsformen?
Ralf Neugschwender: Ich halte es für wichtig, sich in Deutschland bewusst zu machen, welch ein Schatz die duale Berufsausbildung tatsächlich ist. Europaweit existiert dieses System im Grunde nur in Deutschland, in Österreich und vergleichbar in einigen Balkanstaaten, etwa in Kroatien. In anderen Ländern, wie beispielsweise Spanien oder Italien, gehen junge Menschen nach der Schule in der Regel direkt an die Universität, auch für Berufe wie Krankenschwester oder Krankenpfleger, die dort akademisch ausgebildet werden.
Bei uns ist das anders: Wir verbinden schulische Bildung mit der praktischen Ausbildung im Betrieb. Das ist eine ideale Kombination, hier im Beispiel für eine Pflegefachkraft, um sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Fähigkeiten zu erwerben. Ich denke, dieses System ist in der Öffentlichkeit noch immer nicht so präsent, wie es sein sollte. Selbst internationale Studien, etwa von der OECD, erkennen oft nicht den wahren Wert dieses Ausbildungsmodells.
Ein weiterer Aspekt ist der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR), der an den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) angelehnt ist. Damit wurden auch Ausbildungsberufe europaweit in ein System eingeordnet. Ein dreijähriger Ausbildungsberuf etwa liegt meist auf Stufe 4, ein Bachelorabschluss auf Stufe 6. Das zeigt schon, dass hier europäische Vergleichbarkeit nicht ganz einfach ist. Deshalb begrüße ich sehr, dass die neue Bundesregierung plant, den DQR rechtlich zu verankern. Das würde für mehr Klarheit sorgen – insbesondere für die Ausbildungsbetriebe – hinsichtlich der Anforderungen und Kompetenzen, die mit einer Ausbildung verbunden sind.
„Dass die frühe Berufsorientierung im Koalitionsvertrag berücksichtigt wird, ist ein wichtiges Signal“
News4teachers: Sie haben die Bundesregierung gerade schon angesprochen. Was halten Sie davon, dass laut Koalitionsvertrag die berufliche Orientierung von Kindern und Jugendlichen gestärkt werden soll?
Ralf Neugschwender: Ich halte das für absolut richtig. Dass die frühe Berufsorientierung im Koalitionsvertrag berücksichtigt wird, ist ein wichtiges Signal. Auch dass digitale und datengestützte Möglichkeiten genutzt werden sollen, finde ich sinnvoll. Zudem ist es wichtig, die verschiedenen Maßnahmen der Länder besser zu verzahnen und den einzelnen Bildungsweg jedes Schülers stärker in den Blick zu nehmen: Welche Fördermaßnahmen hat jemand schon erhalten? Was wurde bereits umgesetzt? Wie können Übergänge besser gestaltet werden?
Ziel muss es sein, den sogenannten Übergangssektor – also die Phase zwischen Schulabschluss und Ausbildungsbeginn – zu verkleinern. Es darf nicht sein, dass so viele Jugendliche ihre Ausbildung abbrechen oder in berufsvorbereitenden Maßnahmen „steckenbleiben“, weil die Berufsorientierung an den Schulen nicht individuell genug war. Vielmehr sollten die Jugendlichen direkt einen Ausbildungsvertrag erhalten und erfolgreich in einen Beruf starten.
News4teachers: Haben Schulen aus Ihrer Sicht genügend zeitliche oder personelle Ressourcen, um eine adäquate Berufsorientierung durchführen zu können? Und wo sehen Sie Verbesserungspotenzial:
Ralf Neugschwender: Nein. Es braucht mehr Zeit und mehr Lehrkräfte im System, um diesen vielfältigen Aufgaben gerecht zu werden. Schauen wir uns an, was in den letzten Jahren alles auf die Schulen zugekommen ist: Der Krieg in der Ukraine, der Nahostkonflikt, Themen der Demokratiebildung. All das aufzugreifen ist enorm wichtig, aber es bindet Zeit – und natürlich sollen Schulen weiterhin auch solide Grundlagen in Deutsch, Englisch und Mathematik vermitteln. Deshalb ist es notwendig, die Lehrpläne zu überprüfen: Welche Fachinhalte sind in der Sekundarstufe I wirklich unverzichtbar? Und was könnte entfallen, um Raum für wichtige Anforderungen wie funktionale Kompetenzen zu schaffen? Dazu gehören beispielsweise Problemlösungsstrategien, Zeitmanagement oder Teamarbeit.
Diese Kompetenzen sind für das Berufsleben zentral. Aber sie benötigen Zeit – und dafür brauchen Schulen sowohl mehr Personal als auch eine inhaltliche Entlastung.
Auch die Nachwuchsgewinnung für den Lehrerberuf ist ein Thema. Wir müssen den Beruf attraktiver machen – unter anderem durch bessere Ausstattung. Mit dem Sondervermögen für Infrastruktur haben wir aktuell eine große Chance: Wenn junge Menschen künftig die Schulden dafür tragen sollen, dann sollen sie auch jetzt von modernen, gut ausgestatteten Bildungseinrichtungen profitieren – egal ob im allgemeinbildenden oder im berufsbildenden Bereich.
News4teachers: Welche Erfahrungen haben Sie selbst als Jugendlicher gemacht? Hatten Sie eine gute Berufsorientierung?
Ralf Neugschwender: Ich habe in Bayern Abitur gemacht und wusste danach ehrlich gesagt nicht, was ich beruflich machen möchte. Ich kannte auch meine Stärken zu wenig. Natürlich hat man grob eine Richtung im Kopf. Man weiß, in welchen Fächern man stark ist, in welchen weniger. Bei mir war klar: Es soll eher in eine geisteswissenschaftliche Richtung gehen, nicht in die naturwissenschaftliche.
Ich habe dann Germanistik, Geschichte und als Nebenfach VWL im Magisterstudiengang studiert. Aber wenn man dann überlegt: Was kann ich mit Germanistik und Geschichte außer Lehramt eigentlich machen? Dann wird es schwierig. Ich finde, Schülerinnen und Schüler sollten die Schule mit einem Bewusstsein für ihre Stärken verlassen – sei es Schreiben, Reden oder anderes. Und idealerweise sollten sie bereits Einblicke in berufliche Realitäten erhalten haben. In meinem Fall war das nicht so. Ich habe während der Schulzeit kein Praktikum gemacht, erst später im Studium im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament. Diese Einblicke musste ich mir selbst organisieren; ich wurde damals nicht beraten.
News4teachers: Welche Kompetenzen sollten aus Ihrer Sicht jungen Menschen an Schulen vermittelt werden, die sie auf das Berufsleben vorbereiten?
Ralf Neugschwender: Teamfähigkeit halte ich für ganz entscheidend, ebenso Problemlösungsstrategien und das Thema Resilienz. Auch der Umgang mit der eigenen Gesundheit ist wesentlich. Mental Health ist ein Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Eine weitere zentrale Kompetenz ist die Fähigkeit, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu bewerten – also ein reflektierter Umgang mit Quellen, um nicht auf Fake News hereinzufallen. Das ist auch im Sinne einer mündigen Teilhabe an unserer Demokratie wichtig, um Gesellschaft und Beruf aktiv mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen. Ebenso halte ich ökonomische Bildung für sehr relevant. Es ist wichtig zu verstehen, wie unser Wirtschaftssystem funktioniert und sich bewusst mit Geldanlagen auseinanderzusetzen: Wie gehe ich mit eigenem Ersparten um? Welche Möglichkeiten zur Geldanlage gibt es? Auch Themen wie Immobilien spielen hier eine Rolle. Schulen müssen verstärkt auf solche gesellschaftlichen Entwicklungen reagieren.
„Wenn diese Möglichkeiten systematisch an Schulen genutzt und curricular verankert werden, können sie die Berufsorientierung deutlich stärken“
News4teachers: Welche Chancen bietet aus Ihrer Sicht die Digitalisierung für die berufliche Orientierung von Schüler*innen?
Ralf Neugschwender: Sie bietet meiner Ansicht nach große Chancen für die Berufsorientierung – etwa durch digital gestützte Tools, virtuelle Gespräche mit Ausbilderinnen und Ausbildern oder Einblicke in Betriebe mithilfe von VR-Brillen. Wenn diese Möglichkeiten systematisch an Schulen genutzt und curricular verankert werden, können sie die Berufsorientierung deutlich stärken.
KI-gestützte Verfahren könnten zudem helfen, Jugendliche individueller zu beraten.
Wenn etwa ein Schüler gefragt wird: „Möchtest du praktisch arbeiten oder lieber im Büro?“ – dann könnten auf Grundlage der Rückmeldung wissenschaftlich fundierte Antworten gegeben werden, die den jungen Menschen individuell unterschiedlich durch einen Fragenkatalog leiten.
Außerdem bieten KI-basierte, wissenschaftlich fundierte Apps Jugendlichen die Möglichkeit, Berufe reflektierter in Betracht zu ziehen – auch solche, die sie durch das Elternhaus, das immer noch eine große Rolle spielt, vielleicht gar nicht im Blick hatten.
Außerdem kann das Matching zwischen Ausbildungsbetrieb und Schüler bzw. Schülerin verbessert werden. Über digitale Plattformen können Betriebe aus der Region ihre Praktikums- oder Ausbildungsangebote einspeisen, und Schülerinnen und Schüler erhalten passende Vorschläge inklusive direkter Bewerbungsmöglichkeiten. Auch Rückfragen lassen sich auf diese Weise unkompliziert klären: Worum geht es in dem Beruf? Wie lange dauert die Ausbildung? Wie sind Arbeitszeiten und -bedingungen? Was erwartet das Unternehmen? Welche Kompetenzen bringe ich bereits mit?
News4teachers: Müsste aus Ihrer Sicht das Thema Begleitung in den Beruf in der Lehrkräfteausbildung mehr berücksichtigt werden und wie könnte das gelingen?
Ralf Neugschwender: Ja, das Thema Berufsorientierung sollte bereits an den Universitäten einen höheren Stellenwert bekommen – insbesondere in lehramtsbezogenen Studiengängen für bestimmte Schularten, etwa im Realschullehramt in Bayern. Sowohl in der ersten Phase der Lehrkräftebildung als auch in der zweiten sollte Berufsorientierung stärker gewichtet werden. Zudem sollten schon an der Universität praxisnahe Einblicke vermittelt und im Referendariat sollte die Umsetzung im Unterricht gezielt eingebunden werden.
News4teachers: Was muss sich in Bezug auf berufliche Orientierung aus Ihrer Sicht in der Gesellschaft zukünftig noch verändern?
Ralf Neugschwender: Wir müssen weiterhin daran arbeiten, Rollenklischees zu überwinden.
Junge Menschen sollten sich nicht nach tradierten Vorstellungen für Berufe entscheiden – also etwa „klassische Jungsberufe“ oder „klassische Mädchenberufe“. Mädchen sollten ermutigt werden, auch technische Berufe in Betracht zu ziehen. Genauso sollten Jungs offen für soziale Berufe sein. Wenn man sich die Top 3 der Ausbildungsberufe anschaut, sieht man, dass diese Verteilung seit Jahren recht starr ist: Bei Jungs steht der Kfz-Mechatroniker an erster Stelle, gefolgt von Fachinformatiker und Elektroniker.
Bei den Mädchen ist es weiterhin die Kauffrau für Büromanagement, danach kommen zahnmedizinische und medizinische Fachangestellte. Hier ist noch Bewegung möglich. Formate wie der Girls’ and Boys’ Day leisten bereits einen Beitrag, aber es braucht mehr frühzeitige Sensibilisierung. Auch elterliche Vorstellungen spielen eine große Rolle und müssen hinterfragt werden, damit keine veralteten Rollenbilder weitergegeben werden. News4teachers / Nina Odenius, Agentur für Bildungsjournalismus, führte das Interview.
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