Schulwege: Verunsicherte Eltern, wachsende Aggressionen gegen Radfahrer (“motorisierte Gewalt”)

17

BERLIN. Ein Fünftel der Eltern in Deutschland hält den Schulweg ihrer Kinder für unsicher. Besonders groß sind die Sorgen bei jüngeren Eltern unter 40 Jahren sowie in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern – hier stuft sogar ein Viertel der Befragten den Schulweg als gefährlich ein. Dies sind Ergebnisse einer neuen repräsentativen forsa-Umfrage. Dazu passt ein Alarmruf des ADFC: Fahrradfahrer hätten einen zunehmend schweren Stand auf den Straßen.

“Erfundene Verkehrsregeln.” (Symbolbild.) Foto: Shutterstock

Das Deutsche Kinderhilfswerk, der ökologische Verkehrsclub VCD und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) nehmen die Zahlen sehr ernst. Sie verweisen auf eine weitere aktuelle Beobachtung: Fast ein Drittel der Eltern hat im Laufe eines Schuljahres mindestens eine riskante Situation vor dem Schultor erlebt – in Metropolen sind es sogar 39 Prozent. Besonders häufig entstehen solche Situationen, wenn Eltern ihre Kinder mit dem Auto bringen und dabei durch Halten oder Wendemanöver den Verkehr zusätzlich gefährden.

Die Sorge der Eltern deckt sich mit den Erfahrungen der Kinder selbst: Eine Befragung im vergangenen Jahr hatte gezeigt, dass sich ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zur Schule unsicher fühlt. Die Folge: Ausgerechnet die Angst vor Gefahren führt dazu, dass noch mehr Eltern den vermeintlich sicheren Transport im Auto wählen – und damit die Gefahrensituationen weiter verstärken. „Ziel muss es sein, diese Entwicklung aufzuhalten, den Kindern mehr zuzutrauen und durch Infrastrukturmaßnahmen die Schulwegsicherheit zu erhöhen“, so die Verbände.

“Jedes Kind hat das Recht, sicher zur Schule zu kommen. Deshalb müssen die Kindesinteressen bei der Wegeplanung wesentlich stärker berücksichtigt werden”

Parallel dazu schlägt auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Alarm: Auf den Straßen nehme die Aggressivität von Autofahrern gegenüber Radfahrern spürbar zu, berichtet der hessische Landesvorsitzende Ansgar Hegerfeld. „Wir bekommen viele und auch zunehmend Beschwerden wegen verbaler und körperlicher Übergriffe durch Autofahrerinnen und Autofahrer.“ Oft gehe es dabei um frei erfundene Verkehrsregeln, die mit Gewalt durchgesetzt würden.

Besonders besorgniserregend sei, dass Straftaten – obwohl sie immer häufiger durch Kameras dokumentiert werden – in aller Regel nicht verfolgt würden, weil laut Staatsanwaltschaft „kein öffentliches Interesse“ an der Strafverfolgung bestehe. Der ADFC spricht inzwischen von „motorisierter Gewalt“ als Sammelbegriff für Angriffe, bei denen Autos gezielt eingesetzt würden – etwa zum Ausbremsen, Abdrängen, Rammen oder absichtlichen engen Überholen von Radfahrenden.

Die Forderungen der Verbände sind eindeutig: „Jedes Kind hat das Recht, sicher zur Schule zu kommen. Deshalb müssen die Kindesinteressen bei der Wegeplanung wesentlich stärker berücksichtigt werden. Und zwar gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen: Die Beteiligung von Schülerinnen und Schülern in Stadt- und Verkehrsplanungen muss in jeder Kommune verpflichtend erfolgen“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks.

Auch Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des VCD, fordert Konsequenzen: „Tempo 30, sichere Querungen, Radwege und Halteverbote müssen überall Standard werden – ohne Ausnahmen. Vor allem brauchen wir Schulstraßen: autofreie Bereiche direkt vor Schulen, die Kindern Sicherheit geben und Unfälle verhindern.“ Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des VBE, mahnt: „Dass ein Fünftel der Eltern den Schulweg als unsicher ansieht, muss ein Warnzeichen an die Kommunen sein. Durch kluge Begrenzung des Verkehrs kann der Schulweg sicherer gestaltet werden.“

Die Richtung ist für die Initiatoren klar: Tempo 30, sichere Querungsstellen, Radwege, autofreie Zonen und die konsequente Durchsetzung bestehender Regeln sind kein Luxus, sondern überfällige Maßnahmen, um die Sicherheit von Kindern – und auch von Radfahrenden insgesamt – endlich ernsthaft zu gewährleisten. News4teachers / mit Material der dpa

18-Jähriger soll Zwölfjährigen absichtlich angefahren haben – Kind ist tot

Anzeige

Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

17 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Ich_bin_neu_hier
1 Monat zuvor

Ach so, das erklärt und entschuldigt es natürlich – ich hatte mich schon gewundert, warum mir Radfahrer jetzt auf den Fußwegen entgegenkommen und mich da wegklingeln wollen: Offenbar handelt es sich um einen Verdrängungswettbewerb und die Radfahrer machen sich jetzt auch ihre eigenen Verkehrsregeln und haben sich das von den Autofahrern abgeschaut.

Regine Eicke
1 Monat zuvor
Antwortet  Ich_bin_neu_hier

Verdrängungswettbewerb trifft den Nagel auf den Kopf!

Warum fahren so viele Radfahrer auf den Gehwegen?
Wie sieht denn die Straße vor Ort aus?
Gibt es überhaupt einen Stvo konformen Radweg?
Wie ist die Beschaffenheit der Straße – Kopfsteinpflaster?
Parken Autos die Straße zu?
Wie schnell fahren die KFZ wirklich?
Werden von der Polizei regelmäßig Kontrollen durchgeführt?
Werden Abstände zum Radfahrer eingehalten?
Dooring Gefahr!
Wie Fahrradfreundlich sind Kreuzungen gestaltet?
Erlaubt das Verkehrszeichen sogar das befahren des Bürgersteiges?
All dies sind zwar keine Entschuldigungen für eigenes rüpelhaftes Verhalten,dennoch zeigen sie ein massives Defizit in der von Autos dominierten Stadtentwicklung und der zunehmenden Erkenntnis,daß der stärkere sich gegenüber Ordnungsdiensten und der Justiz durchsetzt.
Da sitzen Fahrradfahrer und Fußgänger im selben Boot!

Realist
1 Monat zuvor
Antwortet  Regine Eicke

Ihre ganzen Argumente sind für die Tonne!

Radfahrer gehören auf den Radweg, gibt es keinen, müssen sie auf die Fahrbahn. Völlig egal ob da Kopfsteinpflaster, parkende Autos oder gerade der Weihnachtsmann mit seinem Rentierschlitten fährt.

“Gemischte Nutzung” (Radfahrer und Fußgänger gleichzeitig auf dem Bürgersteig) nur, wenn ausdrücklich erlaubt und ausgewiesen. Alles andere ist eine Ordnungswidrigkeit (was leider viel zu selten geahndet wird).

Die schlimmste Pest sind neuerdings die E-Roller. Die halten sich offensichtlich an gar keine Verkehrsregeln.

TaMu
1 Monat zuvor
Antwortet  Regine Eicke

Radfahrer und Fußgänger sitzen keinesfalls in einem Boot. Auf Gehwegen wird gegangen und nicht gefahren. Wem es auf der Straße zu gefährlich ist, der muss sein Rad auf dem Gehweg schieben.

Ich_bin_neu_hier
1 Monat zuvor
Antwortet  Regine Eicke

“Gibt es überhaupt einen Stvo konformen Radweg?” – JA.

“Wie ist die Beschaffenheit der Straße – Kopfsteinpflaster?” – NEIN.

“Parken Autos die Straße zu?” – NEIN.

(und so weiter)

“Erlaubt das Verkehrszeichen sogar das befahren des Bürgersteiges?” – NEIN, weil es dafür (siehe oben) keinen vernünftigen Grund gibt. Stattdessen explizit als Fußweg gekennzeichnet. Wenn das Befahren erlaubt wäre, würde es mich ja kaum wundern, dass ich da dann auch wirklich auf Radfahrer stoße…

Ich_bin_neu_hier
1 Monat zuvor
Antwortet  Regine Eicke

“Da sitzen Fahrradfahrer und Fußgänger im selben Boot!”

Nein – wenn Radfahrer mit rücksichtsloser Gleichgültigkeit und Gewalt einen Verkehrsraum an sich reißen, der eindeutig Fußgängern vorbehalten und auch unmissverständlich so gekennzeichnet ist:

Wie sollten wir da im selben Boot sitzen? – Wohl kaum.

Walter Hasenbrot
1 Monat zuvor
Antwortet  Ich_bin_neu_hier

Es ist albern,wenn verschiedene Verkshrteilnehmer sich pauschal Verstöße gegen die StVO vorwerfen.

Fußgänger sind doch selbst keine Engel. Sie laufen über Rot und auf Radwegen, wenn der Radweg gehwegbegleitend verläuft.

Sinnvoll sind Diskussionen über Verkehrsstrukturen. Und da hat Regine Eicke recht. Im Augenblick drängt der Autoverkehr Fußgänger und Radfahrer an den Rand. 70 Prozent der Straße gehören in der Regel dem Autoverkehr. Auf so gut wie jeder Straße hat der Autoverkehr vier Spuren. Eine Fahrspur in jede Richtung und auf jeder Seite eine Parkspur. Es gibt aber längst nicht Radspuren oder Radwege auf jeder Straße und Gehwege sind häufig sehr schmal.

Was nötig ist, ist eine Neuverteilung des Verkehrsraumes zugunsten von Radfahrern und Fußgängern.

Dann können auch Kinder sicher mit dem Rad zur Schule fahren. Autopolitik ist kinderfeindlich. Politik für Radfahrer und Fußgänger ist kinderfreundlich.

Dirk Z
1 Monat zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Und vor allem müsste man ganz massiv gegen die Elterntaxis vorgehen. Es müsste ein rechtlicher Rahmen geschaffen werden dass Städte und Gemeinden per Allgemeinverfügungen (kennen wir ja noch aus der Coronazeit) Zonen festlegen können, wo ein Halten/ Parken verschärfte Strafen nach sich ziehen, indem z.B. zwei Punkte pro Vorfall und erheblich höhere Geldstrafen festgelegt werden können. Wenn der Führerschein in Gefahr gerät, wird es sich der ein- oder andere schon überlegen.

Mary-Ellen
1 Monat zuvor

Wir lockern die Diskussion mal ein wenig auf:
https://www.der-postillon.com/2024/09/elterntaxi.html
😉

Unverzagte
1 Monat zuvor
Antwortet  Mary-Ellen

Köstliche Begründungen, sollten in allen Schulen veröffentlicht werden.

Rainer Zufall
1 Monat zuvor

Macht die Schulen für private Kfz unzugänglich.

Bitteschön, Problem gelöst. Gott bewahre, Schüler*innen müssen mal 500 Meter gehen, ohne sich an einem Tisch oder einer Wand anlehnen zu können 😛

Teacher Andi
1 Monat zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Ja, da geht offenbar nicht mehr. Die Eltern sind selbst nicht in der Lage, mal eine kurze Strecke per pedes zurückzulegen. Viel zu anstrengend!

Teacher Andi
1 Monat zuvor

Ich habe letzthin bei einem Ausflug mit dem Rad ein Schild gesehen, das einen aggressiven Rennradfahrer gezeigt hat, der eine ältere Frau erschreckt, so dass sie ihre Handtasche fallen lässt und kurz vor dem Sturz ist. “Rücksicht nehmen” stand darunter. Und ich muss sagen, gerade die EBiker und Rennradfahrer nehmen auf nichts und niemanden Rüpcksicht, sondern rasen die Strecke lang, als ob sie ihnen gehören würde. Vielfach erlebt. E-Scooter sind nochmal eine Nummer für sich, fühlen sich ganz toll aufrecht stehend auf ihrem Gefährt. Mit meinem Citybike (bio), Schritttempo durch Fußgängerbereiche, komme ich mir mittlerweile total rückstandig vor. Schlimm, wenn jetzt schon Verkehrsschilder für diese Rowdies angefertigt werden müssen.

Walter Hasenbrot
1 Monat zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Es ist immer wieder lächerlich, wenn Radfahrern rücksichtsloses Rasen vorgeworfen wird.

Ein E-Bike-Fahrer ist in der Regel nicht schneller als 25 km/h. Von vielen Autofahrern wird Tempo 30 schon als Zumutung angesehen. Tempo 50 ( plus Toleranz) ist bei Autofahrern die Regel.

Hinzu kommt dass schwere und tödliche Unfälle mit Fußgängern vor allem von Autofahrern verursacht werden.

Manche Autofahrer zeigen gerne mit den Fingern auf Radfahrer, um sich nicht mit der Gefährdung anderer auseinandersetzen müssen, die von ihnen ausgeht.

Teacher Andi
1 Monat zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Warum braucht es dann solche Schilder? Aus Jux und Dollerei? Alles erfunden? Und ich rede hier nicht als autofahrer, sondern als Fußgänger und Bio-Radfahrer, und ich habe schon etliche gefährliche Situationen erlebt, da der E-Bike und E-Roller Verkehr erheblich zunimmt, und nach jedem wichtigen Radrennen die Straßen zur Rennpiste werden.

Walter Hasenbrot
1 Monat zuvor
Antwortet  Teacher Andi

“Warum braucht es dann solche Schilder?”

Sicherlich nicht, weil es sinnvoll ist pauschal mit dem Finger auf andere Verkehrsteilnehmer zu zegen. Das geht nämlich blöd aus. Die meisten Verkehrsschilder sind nämlich da, um den Autoverkehr zu regeln. Und mit sehr großem Abstand werden auch die meisten Fußgänger von Autofahrern getötet oder schwer verletzt – nicht von Radfahrern

Besonders unangemssen ist es, unter einem Artikel über Gewalt gegen Radfahrer und unsichere Schulwege wegen des Autoverkehrs pauschal über Radfahrer zu schimpfen.

Setzen Sie sich doch lieber zunächst einmal für sichere Infrasruktur für Schulkinder ein. Die würden auch gerne mit dem Rad zur Schule fahren.

Teacher Andi
1 Monat zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Ihre Relativierungen führen zu gar nichtsl