BREMEN. Sie starten mit hoher Motivation in den Beruf – und kehren ihm doch oft früh den Rücken: Eine neue Studie des Instituts Arbeit und Wirtschaft (iaw), erstellt im Auftrag der Bremer Senatorin für Kinder und Bildung sowie der Arbeitnehmerkammer Bremen, hat untersucht, warum Erzieherinnen und Erzieher ihre Arbeitszeit reduzieren oder ganz aus den Kitas aussteigen. Die Ergebnisse zeichnen ein deutliches Bild von Überlastung, unzureichender Wertschätzung und fehlender Struktur in der Ausbildung.

Laut der iaw-Untersuchung sind es vor allem schwierige Arbeitsbedingungen, ein belastendes Arbeitsklima, ungelöste Konflikte im Team sowie Probleme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, die viele Fachkräfte zum Rückzug bewegen. Auch der Wunsch nach Weiterentwicklung spielt eine Rolle.
- Hoher Teilzeitanteil: Derzeit arbeiten rund 58 Prozent der Kita-Beschäftigten in Bremen in Teilzeit, meist mit 30 bis 35 Stunden pro Woche. Auffällig: Rund 40 Prozent dieser Teilzeitkräfte wären bereit, ihre Arbeitszeit zu erhöhen – allerdings nur, wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern.
- Frühe Abwanderung: Etwa ein Drittel der Beschäftigten plant eine Stundenreduzierung oder sogar den kompletten Wechsel. Betroffen sind insbesondere jüngere Fachkräfte, Männer und Beschäftigte mit geringer Arbeitszufriedenheit oder gesundheitlichen Problemen.
- Hohe Belastung: Vollzeitkräfte beklagen vor allem fehlende Vertretungsregelungen, unzureichenden Gesundheitsschutz, zu große Gruppen sowie mangelnde politische Wertschätzung.
- Probleme schon in der Ausbildung: Zwar werden die Ausbildungsinhalte überwiegend positiv bewertet, doch kritisieren angehende Fachkräfte die geringe Vergütung während der Ausbildung, eine unzureichende Verzahnung von Theorie und Praxis und fehlende Unterstützung im Umgang mit Konflikten.
Studienautor René Böhme vom iaw betont, dass bessere Vertretungsreserven, multiprofessionelle Teams sowie feste Zeiten für Vor- und Nachbereitung dringend notwendig seien, um die pädagogische Qualität zu sichern und die Belastung zu verringern.
Handlungsempfehlungen: Praxis stärken und Personal halten
Die Studie empfiehlt, die Praxisbegleitung zu intensivieren: Längere und strukturierte Praxisphasen, gut qualifizierte Ansprechpersonen in den Einrichtungen sowie eine realistische Vorbereitung auf die Arbeitsbedingungen sollen helfen, Abbrüche zu vermeiden. Auch flexiblere Ausbildungswege – etwa modulare Qualifizierungen, Teilzeitausbildung oder Programme für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger – könnten neue Zielgruppen erschließen.
Zudem zeigt sich, dass die Belastungen nicht gleichmäßig verteilt sind: Besonders in Kitas mit einem hohen Anteil an Kindern mit sozialer Benachteiligung und Förderbedarf ist der Druck enorm. Hier schlagen die Autoren Modellprojekte mit kleineren Gruppengrößen sowie zusätzliche Unterstützungsstrukturen vor.
Reaktionen aus Politik und Kammer
Bremens (scheidende) Senatorin für Kinder und Bildung, Sascha Aulepp (SPD), bezeichnete die Ergebnisse als „wichtige Grundlage für die Entwicklung weiterer Maßnahmen“. Sie betonte: „Im Interesse unserer Kinder, aber auch der Kolleginnen und Kollegen in unseren Kitas müssen wir Fachkräfte gewinnen, aber wir müssen sie auch halten.“ In den vergangenen fünf Jahren sei die Zahl der Fachkräfte in Bremer Kitas zwar um zehn Prozent gestiegen, dennoch besuchten weiterhin viele Kinder keine Kita – es gebe also noch erheblichen Handlungsbedarf.
Auch Peer Rosenthal, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer Bremen, mahnte Verbesserungen an: „Wir brauchen jede Fachkraft in den Krippen und Kitas, um die Betreuungssituation zu verbessern. Deshalb müssen wir die Ausbildung und auch die Arbeitsbedingungen attraktiver gestalten.“ Er plädierte für die Einführung von Ausbildungs-Coaches nach dem Vorbild der Pflegeausbildung, um Abbrüche zu vermeiden.
Geplante Maßnahmen: Integrierte Ausbildung und Systemische Kita-Begleitung
Die Senatorin kündigte an, zum Schuljahr 2026/27 die fachschulische Erzieherinnen- und Erzieher-Weiterbildung vollständig praxisorientiert aufzustellen. Mit der „Integrierten Regelausbildung“ (InRa) soll das Anerkennungsjahr künftig direkt in die Ausbildung eingebunden werden. Parallel plant die Bildungsbehörde gemeinsam mit der Senatorin für Arbeit, Soziales, Jugend und Integration das Modellvorhaben „Systemische Kita-Begleitung“: Ab 2025/26 sollen Fachkräfte in Kitas eingesetzt werden, die Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf gezielt begleiten – und so zugleich das pädagogische Personal entlasten.
Rosenthal ergänzte, dass insbesondere kleinere Einrichtungen Unterstützung durch einen Springerpool für Krankheitsvertretungen benötigen. Große Träger hätten solche Pools bereits etabliert, für kleinere Kitas sei dies aber kaum machbar. News4teachers