Unbezahlbar? Von wegen: Soziales gemessen am BIP nicht teurer als 2015

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BERLIN. Kann sich Deutschland seinen Sozialstaat noch leisten? In absoluten Zahlen sind die Ausgaben stark gestiegen. Doch der Blick auf die Wirtschaftskraft verändert das Bild.

Armut in Deutschland. Foto: Shutterstock / Noyan Yalcin

Gemessen an der deutschen Wirtschaftskraft liegen die Sozialausgaben des Bundes nach offiziellen Angaben heute nicht höher als vor zehn Jahren. Laut Statistischem Bundesamt brachte der Bund 2024 einen Anteil von 5,53 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für soziale Sicherung auf – im Vergleich zu 5,64 Prozent im Jahr 2015. Im Jahr 2000 waren es 5,63 Prozent. In Krisenjahren dazwischen gab es einige Ausreißer nach oben.

Die Zahlen hat der Linken-Abgeordnete Dietmar Bartsch beim Statistischen Bundesamt abgefragt. Hintergrund ist die Debatte in der schwarz-roten Koalition über die Finanzierbarkeit des Sozialstaats. Bartsch sieht sie sehr kritisch und warnt vor Kürzungen.

BIP seit dem Jahr 2000 verdoppelt

Die offizielle Statistik zeigt, dass die Ausgaben für soziale Sicherung zwar in absoluten Zahlen stark zugelegt haben – aber eben auch das Bruttoinlandsprodukt. Das BIP wuchs von 2,13 Billionen Euro im Jahr 2000 auf 4,33 Billionen Euro im vergangenen Jahr.

Wie bei der sozialen Sicherung liegen auch die Ausgaben des Bundes für das Gesundheitswesen nach dieser Messgröße in etwa auf dem Niveau des Jahres 2000: Damals war der Anteil für diesen Posten 0,21 Prozent des BIP, 2024 waren es 0,20 Prozent. Allerdings lagen die Werte 2010 (0,19 Prozent) und 2015 (0,19 Prozent) zeitweise niedriger.

Kontinuierlich gestiegen ist laut dieser Statistik der Anteil am BIP, den der Bund für Bildung ausgibt: von 0,25 Prozent im Jahr 2000 auf 0,52 Prozent 2024.

«Lügenkampagne gegen den Sozialstaat»

Linken-Politiker Bartsch übte scharfe Kritik Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der gesagt hatte: «Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar.» Das sei «de facto eine Lügenkampagne gegen den Sozialstaat», meinte Bartsch. «Seine Behauptung, wir könnten ihn uns nicht mehr leisten, ist falsch.»

Nicht der Sozialstaat sprenge den Haushalt, sondern die Aufrüstungspolitik, sagte der frühere Linken-Fraktionschef. «Unsere Botschaft an die Bundesregierung ist unmissverständlich: Hände weg vom Sozialstaat.»

Vielfältiges Sozialsystem

Zu beachten ist in der Debatte, dass mit «Sozialstaat» häufig nicht nur die vom Staat mit Steuermitteln bezahlten Leistungen wie etwa das Bürgergeld gemeint sind. Es geht meist auch um die Sozialversicherungen für Rente, Gesundheit oder Pflege. Diese bekommen zwar teils staatliche Zuschüsse, finanzieren sich aber zum Großteil aus Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Rechnet man öffentliche, vom Staat vorgeschriebene und freiwillige Ausgaben für Soziales zusammen, erreicht die Summe gut 30 Prozent des BIP, wie die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung 2024 vorrechnete. News4teachers / mit Material der dpa

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RainerZufall
1 Monat zuvor

Es gibt gerade auf bürokratischer Ebene einiges, was eingespart werden könnte, aber zwischen Existenzminimum und extrem geringer Anzahl an Totalverweigerern (kann es kaum erwarten, dass die mal konkret erfasst werden, aber das würde wohl Erwartungen weit untertreffen ^^) ist da nicht viel zu holen.
https://lagedernation.org/podcast/ldn444-herbst-der-reformen-steuern-hoch-und-sozialstaat-runter-lage-sucht-buchhalterin-milliarden-fuer-klima-strafe-statt-klima-schutz-rentenreform-reformiert-nichts-rueckkehr-der-wehrpflicht-j/

Wenn die Union keinen Bock auf Steuererhöhungen hat, kann sie ja geltendes Recht anwenden und bspw. Erbschaftssteuern eintreiben!
Die wollen 5 Milliarden? Die kleine Unternehmerfamilie Thiele hat 4 Milliarden an Erbschaftssteuern gezahlt, weil sie es nicht auf die Kette bekamen, das Geld zu verste… in eine gemeinnützige Stifung zu investieren 😛
https://www.focus.de/finanzen/steuern/4-milliarden-euro-deutsche-unternehmerfamilie-zahlt-rekord-erbschaftssteuer_dededf02-8d87-4731-a4e4-074cbb95022d.html