Wenn jede dritte neue Lehrkraft nur einen pädagogischen Schnellkurs absolviert hat…

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SCHWERIN. Jede dritte neue Lehrkraft in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Seiteneinsteiger. Nach Angaben von Bildungsministerin Oldenburg sind sie unverzichtbar, um den Unterricht weitgehend abzusichern.

Schnell unterwegs (Symbolbild.) Illustration: Shutterstock

Trotz 675 neu eingestellter Lehrkräfte können nicht alle Schulen in Mecklenburg-Vorpommern mit Beginn des neuen Schuljahres den regulären Unterricht vollständig absichern. Betroffen seien neun und damit 1,8 Prozent der 478 allgemein bildenden staatlichen Schulen im Land, teilte Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) in Schwerin mit. Doch würden diese Schulen durch die Schulbehörden besonders begleitet und unterstützt.

Eine Woche vor Schulstart hätten 36 Schulen im Land wegen Lehrermangels die sogenannte Kontingentstundentafel nicht erfüllen können. Ziel sei weiterhin, durch Maßnahmen wie Abordnungen von Lehrkräften, weitere Stellenausschreibungen, Klassenzusammenlegungen und Angebote der Digitalen Landesschule den Unterricht für alle 143.600 Schüler an öffentlichen Schulen abzusichern. Zudem liefen aktuell noch mehr als 100 Besetzungsverfahren, über die kontinuierlich entschieden werde. «Wir haben täglich Einstellungen», sagte Oldenburg.

Generationswechsel in Lehrerkollegien

Ein Generationswechsel sei eingeleitet. Der Anteil der Lehrer unter 40 Jahren sei seit 2015 um ein Fünftel auf knapp 34 Prozent gestiegen. Über 60 Jahre seien nun noch 28 Prozent der Pädagogen, etwa ein Viertel weniger als vor zehn Jahren. Die Altersspanne reiche derzeit von 23 für die jüngste Lehrkraft im Land bis 77 Jahre für die älteste. Bei einem Bildungsetat von jährlich rund zwei Milliarden Euro machten die vom Land getragenen Personalkosten etwa die Hälfte aus, sagte Oldenburg.

Sie verwies auf den bundesweiten Lehrermangel, der es erschwere, Fachkräfte zu gewinnen. Dennoch gebe es an den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern zum Schulstart die größte Anzahl an Beschäftigten innerhalb der vergangenen zehn Jahre. Neben den 11.600 Lehrkräften beschäftige das Land 662 Referendarinnen und Referendare, 800 unterstützende pädagogische Fachkräfte, 21 multiprofessionelle Fachkräfte, 49 Verwaltungsfachkräfte und 185 Alltagshilfen.

Jeder dritte eingestellt Lehrer ist beruflicher Seiteneinsteiger

«Auf Vielfalt reagieren wir mit Vielfalt», sagte Oldenburg. Schulen sähen sich durch die gesellschaftlichen Entwicklungen mit vielen Anforderungen konfrontiert, die über den eigentlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag hinausgehen. Multiprofessionelle Teams trügen dazu bei, dass sich Lehrkräfte auf ihre Kerntätigkeiten konzentrieren könnten.

Nach Angaben Oldenburgs sind 244 der neu eingestellten Lehrerinnen und Lehrer Lehrkräfte im Seiteneinstieg ohne pädagogische Vorkenntnisse. Diese hätten aber eine dreimonatige Vorqualifizierung durchlaufen und würden über vier Jahre berufsbegleitend weiterqualifiziert.

«Nach wie vor sind sie unverzichtbar, weil zu wenige Lehramtsabsolventinnen und Lehramtsabsolventen unsere Hochschulen verlassen», sagte die Ministerin. Nach ihren Angaben müssen in Mecklenburg-Vorpommern bis 2030 weit mehr als 3.300 Lehrkräfte eingestellt werden, aber nur 2.300 bilde das Land selbst aus.

Oldenburg äußerte die Hoffnung, dass mit der vom Landtag beschlossenen Reform der Lehrerbildung weniger Studenten das Studium abbrechen und in den Schuldienst gelangen. Bislang bleibe mehr als die Hälfte der Studienanfänger auf der Strecke.

Gewerkschaft fordert weniger Pflichtstunden

Die Bildungsgewerkschaft GEW verwies zum Schulstart erneut auf die ihrer Meinung nach hohe Arbeitsbelastung für Lehrkräfte im Land und forderte Gegenmaßnahmen. «Wir brauchen weniger Pflichtstunden, mehr Anrechnungsmöglichkeiten, vor allem aber auch mehr Entlastung durch zusätzliches Personal», sagte die Landesvorsitzende Ulrike von Malottki. Dazu gehörten auch Verwaltungsmitarbeiter zur Entlastung der Schulleitungen und mehr Schulsozialarbeiter und Schulsozialarbeiterinnen. Es müsse alles getan werden, um die Attraktivität des Lehrerberufes wieder zu erhöhen. News4teachers / mit Material der dpa

Immer mehr Quer- und Seiteneinsteiger unterrichten an Schulen – Lehrerverbände fordern Qualifizierung und Unterstützung

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Mika
1 Monat zuvor

Nur jeder dritte neue Lehrer ist Seiteneinsteiger? Brandenburg bietet mehr! Mit 46,3% ist fast jeder zweite neu eingestellte Lehrer nicht vom Fach. Noch dazu reicht inzwischen ein beliebiger Berufsabschluss, um Kinder zu unterrichten – die „Lehrer“ werden teilweise ohne jegliche vorherige Qualifizierung vor die Klassen gestellt. Kein Wunder, dass die SuS immer weniger können. Was da läuft, schüttelt eine Sau samt Buchte: das ist ein Verbrechen an den Bildungschancen der Kinder.

Illuminator
1 Monat zuvor
Antwortet  Mika

Dass die SuS immer weniger können, kann aber kaum an den gerade erst eingestellten Seiteneinsteigern liegen.
Wenn jemand mit einer akademischen Ausbildung als Lehrer solche pauschalisierenden und polemisierenden Beiträge schreibt, ist es für mich leider auch kein Wunder, dass die Bildung im Argen liegt. Dazu bedarf es dann allerdings keiner Seiteneinsteiger mehr.

Mika
1 Monat zuvor
Antwortet  Illuminator

In BB werden seit rund 15 Jahren immer mehr Seiteneinsteiger eingestellt. Es handelt sich mitnichten um Pauschalisierung oder Polemik. Entgegen besseren Wissens sollen Seiteneinsteiger „Training on the Job“ erledigen: sie stehen also größtenteils ohne jegliche pädagogische Qualifikation vor den Klassen. Es gibt Grundschulen, an denen es überhaupt nur noch zwei ausgebildete Grundschullehrer gibt – der Rest besteht aus Seiteneinsteigern. Es gibt immer mehr Kinder, die aus der Grundschule kommen, und von 6 Schuljahren genau eins von ausgebildeten Lehrkräften unterrichtet wurden, weil die einzig Verbliebenen in der ersten Klasse eingesetzt werden.

Leute wie Sie, die das okay finden, gibt es unter den Eltern dieser Kinder kaum: die sprechen von fehlenden Bildungschancen. Diese Kinder erreichen nämlich nur selten einen Wissens-, Fähigkeiten- und Ferigkeitenstand, der sie für die weiterführende Schule, erst recht nicht fürs Gymnasium qualifiziert.

447
1 Monat zuvor
Antwortet  Illuminator

Wenn das so ist – einfach garkeine “teuer privilegierten Beamten” einstellen und nur noch Seiteneinsteiger.

Ist wie bei Bäckern – gebacken hat doch jeder schonmal.

Oder Busfahrern – mein Gott, ein Bus ist doch auch nur ein dickeres Auto.

Oder…oder…oder…Schwellenlandrhetorik.

Unfassbar
1 Monat zuvor

Der pädagogische Schnellkurs und das pädagogische Begleitstudium an der Uni tun sich für den praktische Lehrerberuf nicht viel. Vorausgesetzt, die Didaktik wurde an der Uni im Vergleich zu meiner Studienzeit massiv ausgebaut und verbessert, kann der didaktische Anteil des pädagogischen Schnellkurses durchaus zu gering ausfallen.

PaPo
1 Monat zuvor
Antwortet  Unfassbar

Korrekt.

Ein pädagogischer Schnellkurs ist auch komplett hinreichend – praktische Pädagogik ist keine Raketenwissenschaft, pädagogischen Theorien fehlt zudem oftmals die empirische Fundierung und sie sind im Gros eher Fragen des allg. Zeitgeists u./o. des Gustos, der Menschenbilder u.ä. der Pädagogikvermittler (resp. derjenigen, die seitens der Ministerien entsprechende Leitlinien u.ä. festlegen) u./o. sie sind im Rahmen realer Unterrichtsbegebenheiten nicht realisierbar, außerdem ist das ‘Händchen’ für Kinder und Jugendliche im Gros auch eine Typfrage und schwerlich erlernbar. Alles diesbzgl. Erlernbare und Notwendige (z.B. entwicklungspsychologische Grundlagen) erlernt man auch ohne intensivste Begleitkurse, nämlich auch on the fly in der Praxis (dazu braucht es auch kein Referendariat) und etwas Lektüre nebenbei.

Ich weiß, Standesdünkel sind in Teilen meiner Zunft leider populär, aber die rudimentäre, unpraktikable Pädagogik in Studium und Ref siind wahrlich keine strapazierbare Grundlage dafür.

Lukas
1 Monat zuvor
Antwortet  PaPo

Also wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke waren die Quereinsteiger genauso gut wie die normalen Lehrkräfte, die wirklich Lehramt studiert haben. Gab gute, gab schlechte. Genauso wie es auch gute und schlechte Lehrkräfte gab, die Lehramt studiert haben. Meine schlimmsten Lehrer hatten alle Lehramt studiert.

PaPo
1 Monat zuvor
Antwortet  Lukas

Eben.

Mika
1 Monat zuvor
Antwortet  Lukas

Wann war denn Ihre Schulzeit?

Lehrer Heinz
1 Monat zuvor
Antwortet  Lukas

Wann war denn Ihre Schulzeit? Zu meiner Schulzeit vor 25 Jahren gab es auch Quereinsteiger. Das waren dann promovierte Physiker und Chemiker oder auch mal jemand mit Politik-Diplom. Heute sind die Hürden doch viel niedriger. In einigen Bundesländern reicht ein Berufsabschluss bereits aus, anderswo ein verschulter Bachelor. Dazu ist das Abitur mit deutlich geringeren Leistungsanforderungen verbunden. Ich sehe nicht, wie man mit solch einem Personal das Niveau halten soll.

“Meine schlimmsten Lehrer hatten alle Lehramt studiert.” Es wäre auch komisch, wenn das nicht so gewesen wäre, schließlich hatten nahezu alle Ihrer Lehrer auch Lehramt studiert.

dickebank
1 Monat zuvor
Antwortet  Lehrer Heinz

Vor 60 Jahren ebenfalls schon. Wer kann sich in NRW noch an die “Mikätzchen” erinnern?

Fräulein Rottenmeier
1 Monat zuvor
Antwortet  dickebank

Ich kann das….denn ich so ein Mikätzchen als Klassenlehrerin in der GS. Sie kam aus Mannheim und es gab anfänglich ein paar Sprachschwierigkeiten….vor allem beim Thema Uhrzeiten….

dickebank
1 Monat zuvor

Alla hop

Anne
1 Monat zuvor

Bei Seiteneinsteigern bin ich zwiegespalten. Mir ist bewusst, dass es ohne sie nicht geht und ich habe auch Hochachtung vor dem Mut dieser Leute, sich vor eine Klasse zu stellen. Andererseits haben die ausgebildeten LK ( bei uns im Verhältnis 50:50) nicht genügend Ressourcen, um sie entsprechend zu begleiten. Und so passieren täglich didaktische und methodische Fehler, die von den Seiteneinsteigern gar nicht bemerkt werden – woher sollen sie es auch wissen?
Dazu kommt noch die Inklusion. Früher hatten die Kinder mit Förderbedarf ausgebildete Sonderpädagogen. Heute sollen Seiteneinsteiger das stemmen, womit schon ausgebildete Grundschullehrer oft an ihre Grenzen kommen. Besserung ist nicht in Sicht…

PaPo
1 Monat zuvor
Antwortet  Anne

Woran machen Sie “didaktische und methodische Fehler” fest.

Sepp
1 Monat zuvor
Antwortet  Anne

Ich sehe es wie PaPo:

Bei uns Naturwissenschaftlern war es im Ref weniger der Fall, aber gerade bei den Geisteswissenschaftlern wurden ständig angebliche “didaktische und methodische Fehler” kritisiert, wobei zwei Seminarleiter mindestens drei unterschiedliche Meinungen hatten. Der Eine lobte bspw. den Einstieg, der Andere fand ihn total unpassend…

Es gibt eben viele methodische und didaktische Ansätze, die zur Lehrperson, dem Unterrichtsfach und auch der Lerngruppe passen müssen. Was meine Kollegin sehr erfolgreich durchzieht, muss für mich noch lange nicht passen. Das merkt man selbst, wenn man sich den Unterricht von Kollegen anschaut.

Wir alle kamen in unserer Schulzeit mit einigen Lehrkräften besser zurecht als mit anderen. Schüler- und Lehrerpersönlichkeit passen eben nicht immer zusammen, nicht immer stimmt die “Chemie”. Und dennoch lernt man etwas und es ist besser, als wenn
Unterricht einfach komplett ausfallen würde.

Mika
1 Monat zuvor
Antwortet  Sepp

„ Und dennoch lernt man etwas und es ist besser, als wenn
Unterricht einfach komplett ausfallen würde.“

Da bin ich mir inzwischen nicht mehr sicher. Ich wurde und werde immer gern als Feuerwehr in Klassen eingesetzt, die in Mathematik vorher von Seiteneinsteigern unterrichtet wurden. Seiteneinsteiger in BB sind KEINE studierten Mathematiker oder Physiker, sondern Personen mit beliebigem Schulabschluss (etwa Lebensmittelverkäufer, Friseur oder Chemiker). Ich kämpfe regelmäßig darum, Schwachsinn wie „Null geteilt durch Null ist Null“ wieder aus den Köpfen der Kinder herauszubekommen.
Und wenn einkalkuliert wird, dass Kinder deutlich weniger lernen, da sie von dafür nicht ausgebildeten Personen unterrichtet werden: welchen Wert hat dann die Note auf einem Abschlusszeugnis? Und werden nicht Kinder, die eine hohe Quote von seiteneingestiegenen Lehrern haben, stark benachteiligt gegenüber jenen, die von qualifiziertem Personal ausgebildet werden?

B. Tollecki
1 Monat zuvor
Antwortet  Mika

Sie haben in Gänze recht. Bei uns in MV ist das ähnlich.