Bis hin zu altersgemischten Klassen: Kultusministerin räumt Schulen mehr Freiheit ein

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HANNOVER. Mehr Mitsprache für Schülerinnen und Schüler, mehr Freiraum für Schulen: Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg hat geplante Änderungen am Schulgesetz vorgestellt. Die Grünen-Politikerin sprach von einem «großen Schritt für mehr Beteiligung und Demokratiebildung von allen Schülerinnen und Schülern». Das Kabinett hat dem Entwurf bereits zugestimmt. Bis zum 1. Dezember können Verbände Stellung nehmen. Einer hat schon mal seine Einwände zu Protokoll gegeben.

Frei! Foto: Shutterstock/Brazhyk

Nach den Plänen sollen künftig alle Schulen, auch Grund- und Förderschulen, verpflichtend Klassen- und Schülervertretungen wählen und regelmäßig Klassenräte abhalten. «Alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf Beteiligung», sagte Hamburg. Das sei «gerade in Zeiten, in denen die Demokratie angegriffen wird, wichtiger denn je». Schon Grundschülerinnen und Grundschüler sollen so lernen, wie Mitbestimmung im Alltag funktioniert.

«Familienklassen» und flexiblere Schulformen

Grundschulen sollen künftig alle vier Jahrgänge gemeinsam unterrichten dürfen – im sogenannten «Familienklassen»-Modell. Das solle individuelle Förderung erleichtern und den Zusammenhalt stärken, hieß es. Auch Oberschulen sollen mehr pädagogische Freiräume erhalten und den Unterricht stärker jahrgangsbezogen gestalten können. In der gymnasialen Oberstufe sollen die festen Schwerpunkte in der Qualifikationsphase wegfallen, um Schülerinnen und Schülern mehr Wahlfreiheit zu geben.

Ab dem Schuljahr 2026/27 soll das Fach «Werte und Normen» an allen Grundschulen eingeführt werden – als Alternative zum Religionsunterricht. Zudem sollen Regelungen zum Nachteilsausgleich und sogenannten Notenschutz für Kinder mit Lese-Rechtschreib- oder Rechenstörungen ins Gesetz aufgenommen werden. Auch der Distanzunterricht soll eine gesetzliche Grundlage bekommen – etwa bei Glatteis oder Hitze. «Wichtig zu betonen ist, dass Präsenzunterricht auch in Zukunft Priorität bleibt», heißt es aus dem Kultusministerium.

Kritik kommt vom Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL). «Den Schulen mehr Freiräume zu geben, ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn dadurch die immer weiter ausufernde Bürokratie eingedämmt wird, aber nicht dazu führt, dass die Schulen vor Ort den teilweise eklatanten Lehrkräftemangel verwalten müssen. Manche der geplanten Änderungen mögen pädagogisch sinnvoll sein, sind aber nicht oder nur schwer umsetzbar, wenn das entsprechende Personal fehlt. So ist die Umsetzung der Idee von „Familienklassen“ in der Grundschule ohne zusätzliches Personal, sowohl Lehrkräfte als auch Unterstützungspersonal, zum Scheitern verurteilt», sagt Vorsitzender Torsten Neumann.

«Pädagogische Qualität entsteht nicht durch organisatorische Vermischung»

Auf heftige Kritik des Verbandes stößt die «auf den ersten Blick positiv klingende» Gewährung von Freiräumen für Oberschulen. Neumann: «Tatsächlich bedeutet das aber einen weiteren Schritt in Richtung einer Einführung der Gesamtschule durch die Hintertür. Ein solches Ansinnen lehnen wir ab. Pädagogische Qualität entsteht nicht durch organisatorische Vermischung, sondern durch verlässliche Rahmenbedingungen, klare Schulprofile und professionelle Zusammenarbeit der Lehrkräfte. Gesellschaftliche Vielfalt muss sich auch im Schulwesen widerspiegeln.» Außerdem hätten Gesamtschulen einen anderen Personalschlüssel – eine Umwandlung ohne zusätzliches Personal wäre pädagogisch wie organisatorisch unverantwortlich.

Nach der Anhörung soll der Gesetzentwurf überarbeitet und dem Landtag vorgelegt werden. Das neue Schulgesetz könnte zum 1. August 2026 in Kraft treten. News4teachers / mit Material der dpa

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1 Kommentar
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Realist
3 Stunden zuvor

In der gymnasialen Oberstufe sollen die festen Schwerpunkte in der Qualifikationsphase wegfallen, um Schülerinnen und Schülern mehr Wahlfreiheit zu geben.”

Das klingt ja erst einmal sehr schülerorientiert, aber:

Wenn die Schüler ihre Kurse völlig frei wählen können, was nutzt es, wenn die Schule gar nicht die Lehrerstunden hat um diesen frei zusammengewählten Kurszoo anbieten zu können?

Dann müssen Kurse gestrichen werden.

Der Schwarze Peter liegt dann wieder bei den Schulen, das KuMi kann sich dagegen rühmen maximal entgegenkommend den Schülern gegenüber zu sein…